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Übergangslösung für Praxis Sie wollen zurück nach Alt-Stuhr

Vor rund einem Jahr mussten die Hausärztinnen Anette Cheaib und Yvonne Indorf Alt-Stuhr verlassen, seither arbeiten sie in Brinkum. Sie wollen mit Kollegin Susanne Neumann aber zurück an die Blockener Straße.
20.02.2019, 17:29 Uhr
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Sie wollen zurück nach Alt-Stuhr
Von Alexandra Penth

Stuhr. Es ist eine Übergangslösung. Daraus machen die Stuhrer Hausärztinnen Yvonne Indorf, Anette Cheaib und Susanne Neumann kein Geheimnis. Seit über einem Jahr ist ihre Gemeinschaftspraxis am Brinkumer Busbahnhof zu finden, die 150 Quadratmeter beherbergen drei Behandlungszimmer, ein Labor und den Wartebereich für die Patienten. Handgemalte Bilder hängen an den Wänden, Topfpflanzen schmücken den Empfangsbereich. Nach außen weist nichts darauf hin, dass es sich um ein Bleiben auf Zeit handelt.

Doch genau das ist es. „Freiwillig sind wir nicht gegangen“, sagt Yvonne Indorf. Sie gründete die Praxis 2000 an der Blockener Straße 5. Der Eigentümer schaffte in dem historischen Haus die Bedingungen für eine Arztpraxis, zwei Jahre später stieg Anette Cheaib als zweite Ärztin ein. Der Großteil der Patienten stammt aus Alt-Stuhr, viele erreichten die Praxis vor dem Umzug zu Fuß. Jetzt sind nicht wenige auf den Bus angewiesen, wenn es mit dem Rollator nicht anders geht.

Ursprünglich sollte lediglich der Seitentrakt des alten Hauses abgerissen werden, die Praxis bleiben. Bei den Planungen fand man nicht zueinander, das alte Gebäude ist inzwischen dem Wohnungsbau gewichen. „Wir sind gerne in Alt-Stuhr gewesen“, berichtet Indorf etwas wehmütig, wenn sie zurückblickt. Für die Patienten sei es ein Schock gewesen, als sie erfuhren, dass die Arztpraxis den alten Standort verlässt.

Leicht ist Indorf und Cheaib, die im Januar Verstärkung von Kollegin Susanne Neumann bekommen haben, der Schritt nicht gefallen. Nach Alt-Stuhr wollen sie aber unbedingt wieder zurück. „Wir haben jeden Stein umgedreht“, sagt Cheaib über die lange Suche. Die Ärztinnen waren bereits kurz davor, geeignete Räume zu finden – manchmal scheiterte es jedoch an den Rahmenbedingungen, so zum Beispiel an Brandschutzbestimmungen.

Weitere Probleme tun sich in Alt-Stuhr auf, denn der ehemalige Inhaber der Phoenix-Apotheke, Matthias Pietzner, fand keinen Nachfolger für sein Geschäft an der Blockener Straße. Einige Apotheker könnte der Umstand abgeschreckt haben, dass es derzeit keine Arztpraxis in der Nähe gibt, befürchten die Medizinerinnen. Wie inzwischen bestätigt ist, soll ein Geschäft für Hundezubehör an dem Standort eröffnen. Vor mehreren Jahren schon hatte sich die in Alt-Stuhr ansässige Zahnarztpraxis aus dem Gemeindeteil zurückgezogen. Die medizinische Landschaft gibt es an der Blockener Straße nicht mehr – das ist vor allem für die dort lebenden Senioren ein Nachteil, die im Schnitt nun einen vier Kilometer längeren Weg zum Hausarzt haben.

Die Ärztinnen möchten selbst die entstandene Lücke füllen. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) macht in dieser Hinsicht wenig Vorgaben. Für die Bedarfsplanung werden sogenannte Planungsgebiete eingerichtet. „Im Falle der Hausärzte, die eine besondere Nähe zur Bevölkerung haben, sind diese Planungsgebiete relativ klein“, so ein Sprecher der KVN. Für spezialisierte Arztgruppen wie zum Beispiel Internisten würden Planungsgebiete oft weiter gefasst.

Die bundesweit einheitliche Bedarfsplanungsrichtlinie sieht vor, dass auf 1671 Einwohner ein Hausarzt kommt. „Ist diese Norm erfüllt, sprechen wir von einem Versorgungsgrad von 100 Prozent. Gibt es weniger Hausärzte, nimmt der Versorgungsgrad entsprechend ab“, so der Sprecher. Rutscht dieser unter 75 Prozent, spricht die KVN von einer Unterversorgung, bei über 110 Prozent von einer Überversorgung. Stuhr gehört in einen Planungsbereich mit Delmenhorst, Ganderkesee und Weyhe. Dort kommen auf 172 717 Einwohner 103,25 Ärzte, beziehungsweise Stellen. Das entspricht laut KVN einem Versorgungsgrad von 97,2 Prozent. Bis zur Überversorgung dürften sich demnach noch weitere 14 Hausärzte in dem Gebiet niederlassen. Bei Weitem kann also nicht von einer unzureichenden Versorgung gesprochen werden, trotzdem wollen die Stuhrer Ärztinnen ihren Patienten den oft unpraktischen Weg mit dem Rollator im Bus nicht zumuten – auch wenn es eine gute Übergangslösung ist.

Die Stuhrer Verwaltung hatte die Praxis bei der Suche unterstützt, doch auch gemeinsam klappte es bislang nicht. Man werde die Augen offen halten, sagt Lothar Wimmelmeier, Wirtschaftsförderer der Gemeinde Stuhr. „Wir sind nach wie vor im Dialog“, ergänzt er. Dass die Suche nach einer Immobilie bislang erfolglos ist, sei nicht weiter ungewöhnlich. Auch dafür, dass es in dem Ortsteil weiterhin eine Apotheke gibt, hatte sich die Verwaltung eingesetzt. Der Wirtschaftsförderer schätzt den Standort zwar als „attraktive Lage“ ein, trotzdem fand sich niemand. „Es ist ja auch eine unternehmerische Entscheidung.“ Was die niedergelassenen Ärzte in Stuhr angeht, stellt Wimmelmeier keine Verschlechterung fest. 2003 waren es genauso viele Hausärzte wie heute, nämlich elf. Zahnärzte sind es etwas weniger, dafür gibt es mit insgesamt 15 einen Facharzt mehr als 2003.

Die Ärztinnen geben derweil nicht auf. Sie haben einen Makler engagiert, der für sie die Augen auf der Blockener Straße offen hält. Sie deuten schon jetzt etwas an: „In naher Zukunft wird dort etwas passieren.“

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