Fünf Jahre lang hat sich Schauspielerin Heidi Jürgens der Welt von Harry Potter verschrieben und in der Hamburger Theaterinszenierung "Harry Potter und das verwunschene Kind" unter anderem Tante Petunia und Dolores Umbridge verkörpert. Mit dem groß angelegten Ensemble-Wechsel an der Elbe zieht es die 54-Jährige nun an eine alte Wirkungsstätte zurück: das Weyher Theater. Am Marktplatz wird Jürgens in "Misery" als Annie Wilkes zu sehen sein. Der Thriller von Stephen King feiert am Freitag, 28. März, Premiere.
Die Theaterbühne in Weyhe ist für Jürgens bereits ein vertrautes Umfeld. In der Vergangenheit war sie unter anderem in "Loriots dramatische Werke" oder "Geld stinkt nicht" zu sehen, bevor sie in Hamburg verpflichtet wurde. "Das Theater ist ganz vertraut, als wäre ich nie weg gewesen", sagt die Schauspielerin, die mittlerweile in Weyhe lebt. Entsprechend hat sie auch während ihrer Zeit auswärts Kontakt zum Haus gehalten. "Mir war klar, ich komme zurück in mein altes Leben", sagt Jürgens über ihre Pläne für die Zeit nach Harry Potter. Mit Kay Kruppa sei sie immer in Kontakt geblieben, entsprechend leicht fiel die Entscheidung.
Von Fantasy zu Thriller
Mit "Misery" steht für die Wahl-Weyherin nun ein Genrewechsel von Fantasy zu Thriller an. Für Jürgens zeigen sich dennoch einige Parallelen zum vorherigen Engagement. Zum einen, weil sie beide Male in Stücken großer Schriftsteller mitwirkt; beide werden jedoch eher mit Kinoadaptionen als Bühnenvorführungen verbunden. Sie habe nur selten vorab so viele Reaktionen auf ein Theaterstück erhalten. "Da muss ich unbedingt kommen", sei ihr immer wieder gesagt worden. Ähnlich hätten für Harry Potter in Hamburg viele zum ersten Mal ein Theater besucht und mit dem Stück viele Kindheitserinnerungen verbunden. Zum anderen ist auch Annie Wilkes eine tragende, antagonistische Figur. "Die Rollen machen am meisten Spaß", sagt Jürgens.
Wilkes halte sie für eine sehr interessante Figur, weil sie aus ihrer Sicht logisch handele. Zwar würde sie selbst nicht die gleichen Entscheidungen treffen, sagt Jürgens. Doch könne sie die der Figur nachvollziehen. "Von außen betrachtet muss man sagen: Die Frau hat ein größeres Problem", merkt sie an. Besonders reize sie an den antagonistischen Rollen die Bandbreite der Gefühle, die sie abbilden könne. "Es ist selten, dass ich so viele Gemütszustände spielen kann", sagt die Jürgens. In der Figur der Annie Wilkes offenbare sich Psychogramm: "Da ist alles drin" – von Wut und Trauer über Scham bis hin zu Verletzlichkeit, Liebe und Fanatismus, listet die Schauspielerin auf.
In jüngeren Jahren habe sie häufiger die jugendliche Liebhaberin verkörpert, sagt Jürgens rückblickend: "Sie haben weniger Biss, das war langweiliger." Allgemein sei auffällig, dass während immer mehr Frauen ins Schauspiel drängten, die meisten Rollen den Männern vorbehalten seien. Insbesondere, wenn es um komplexe und vielschichtige Rollen gehe. "Ich hoffe, dass sich das ändert", sagt Jürgens. Nicht zuletzt Harry Potter oder nun Misery zeigen, dass auch Frauen tragende Rollen verkörpern können.
Die Messlatte für die Inszenierung hängt indes hoch. Für die Verfilmung von Misery erhielt Kathy Bates als Annie Wilkes einen Oscar und hob sie auf die Liste der "bösesten Schurken der Filmgeschichte", die das American Film Institute erstellt hat. Dass die Theaterbesucher für die Figur ein Bild im Kopf haben und die Vorstellung mit einer gewissen Erwartungshaltung besuchen, lasse sich nicht ausschließen, sagt Jürgens: "Ich kann nicht eins zu eins die Figur im Film sein." Das galt auch schon für das Stück zu Harry Potter. Ihr gehe es darum, das zu treffen, was den Charakter ausmache. So lasse sich das Publikum überzeugen und begeistern. Das treffe auch auf Paul, gespielt von Marc Gelhart, zu. "Wir haben versucht, ihn in allen Facetten zu entwickeln", umreißt Jürgens die akribische Vorbereitung für das Stück. Ziel sei schließlich, die Geschichte bestmöglich zu erzählen.