Landkreis Diepholz. Die derzeitigen Einschränkungen durch die Coronavirus-Krise im familiären und gesellschaftlichen Leben verdeutlichen noch einmal mehr, wie enorm wichtig ein auf den Einzelnen oder auf Familien zugeschnittenes Wohnen ist. Entsprechend groß ist derzeit auch die Nachfrage nach Wohnraum. Auch im Landkreis Diepholz spüren Immobilienmakler die Auswirkungen der Pandemie deutlich.
Elke Benjes, Geschäftsführerin des gleichnamigen Unternehmens in Bruchhausen-Vilsen, das seit mehr als 125 Jahren im Einzugsgebiet des Südbremer Raums tätig ist, hat eine deutliche Nachfrage nach Wohneigentum seit Ausbruch der Pandemie bemerkt. Ein Aufwärtstrend bei den Preisen ist für sie aber schon seit 2010 zu sehen. Das bemerkt sie auch als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige der Industrie- und Handelskammer Hannover. „Das Kriterium, bei einem Umzug eher im Speckgürtel von Bremen ansässig zu werden, hat sich dahingehend geändert, dass nun auch weiter entfernte Ziele akzeptiert werden, besonders weil sie preislich günstiger sind“, sagt sie. „Tätigkeiten im Homeoffice schlagen sich bei der Nachfrage bereits nieder, vor allem die Aussicht, dass es zu einer Ausweitung des Angebots kommen wird, von zu Hause aus zu arbeiten."
Das zeichnet sich zudem bei den Ansprüchen an das neue Heim ab. "Ein Arbeitszimmer ist nötig", hat Benjes gemerkt, die um die schwierige Situation in der Branche weiß: "Der Markt ist ziemlich leer gefegt. Ein leichter Trend zur Besserung zeichnete sich bei uns nach Ostern ab.“ Im Zusammenhang mit den niedrigen Zinsen beobachtet sie, dass bisher angelegtes Geld vermehrt in vermietete Häuser investiert wird. Neu ist bei Benjes seit der Pandemie, dass Objekte einem Kunden, bevor es zur Besichtigung geht, erst einmal virtuell vorgestellt werden. Vor Ort sind natürlich die entsprechenden Hygienevorschriften einzuhalten; eine Trennscheibe im Besprechungsraum ermöglicht Gespräche ohne Maske.
Eine solche Scheibe befindet sich ebenfalls bei Hauke Schröder, der seit 1993 für Hirdler-Immobilien in Weyhe tätig ist. Er hat die Erfahrung gemacht, dass früher hohe Benzinkosten oft ein Hemmnis waren, wenn der Wunsch laut wurde, aufs Land zu ziehen – weit weg vom Arbeitsplatz in der Stadt. Dieses Argument habe sich nun quasi erledigt. Er sieht in seinem Tätigkeitsbereich aber weniger die Pandemie als Preistreiber, sondern eher die Zinspolitik: „Die Flucht von Kapital in Immobilien treibt die Preise in die Höhe. Vor 20 Jahren hätte ich nicht geglaubt, es wäre einmal ein Quadratmeterpreis von 450 Euro bei einem Objekt möglich“, sagt er. „Derzeit ist es auch nicht selten, dass Grundstücke, die für 400 Euro vor der Pandemie angeboten wurden, derzeit für 1000 Euro auf dem Markt sind.“
Corona und USA begünstigen Baumaterialien-Mangel
Ein großes Ärgernis für Hauke Schröder sind die Lieferengpässe von Baumaterialien seit Ende 2020, von denen Hirdler-Immobilien auch direkt betroffen sind, die darüber hinaus als Bauträger in Weyhe, Stuhr, Syke, Bassum und Bremen unterwegs sind. Bei den Lieferengpässen besteht laut Schröder sehr wohl ein Zusammenhang mit Corona. Handelswege wurden unterbrochen, speziell aus China. „Immer wieder müssen wir mehr Puffer einbauen bei Zusagen, wann ein Neubau bezugsfertig ist. Ein zweiter Grund für Verzögerungen am Bau ist die Tatsache, dass die USA sämtliche Holzvorräte aufkaufen“, sagt er. Dazu trage der derzeitige Handelsstreit der Staaten mit Kanada bei. Möglicherweise schlagen sich die Preise demnächst auch auf die Handwerkerkosten nieder.
„Gesteigert hat sich in unserem Einzugsgebiet der Bau von Eigentumswohnungen", hat Schröder bemerkt. Dass es momentan wenig Angebote auf dem Markt gibt, sieht er auch darin begründet, dass einige potenzielle Verkäufer derzeit zurückhaltend sind. "Abwarten heißt zurzeit die Devise für manche ältere Herrschaften, die sich aus Gesundheitsgründen entschließen, in ein Senioren- oder Pflegeheim umzuziehen", berichtet Schröder. "Die Aufnahmen dort stagnieren. Ähnlich ist die Lage bei dem Wunsch, sich räumlich zu verkleinern und etwas Passendes zu finden, weil das eigene Haus nach Auszug der Kinder zu groß ist.“
Das Einzugsgebiet Bassum, Syke, Twistringen, Stuhr, Weyhe und Bremen beackert Carsten Schäfer, der seit 1998 seinen Sitz in Bassum hat. An seiner Seite: Ehefrau Nicole. „Bei uns ist die Nachfrage nach Miet- und Eigentumswohnungen in den letzten beiden Jahren stark gestiegen. Ich beobachte, dass sich im Gegensatz zu früher mehr als ein Interessent um ein Objekt bemüht und auch Geld nachlegt, weil er unbedingt den Zuschlag haben möchte", erzählt Carsten Schäfer. "Dadurch ist das Geschäft hektischer geworden. Eine enorme Zunahme, sich im ländlichen Raum anzusiedeln, sehen wir bei jungen Leuten. Ein Garten hat bei ihnen einen hohen Stellenwert.“
"Auffällig ist auch das Interesse junger Familien", haben Elsbeth Zelle und Jessica Intemann, die beiden Geschäftsführerinnen von Zelle-Immobilien in Barrien, festgestellt. Seit fast 30 Jahren tätigen sie Immobiliengeschäfte im Raum Syke, Weyhe und Stuhr, auch als Bauträger. „Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen ist stärker gestiegen als die nach Häusern", sagen sie. Auch wenn steigende Mieten sicherlich dazu beitragen würden, sich für Eigentum zu entscheiden. „Wir wissen: Für den Preis eines Hauses zum Beispiel ist von jeher erst einmal die Lage entscheidend. In unserer Region verringert sich mit jedem weiteren Kilometer, den ein Haus von der Bremer Landesgrenze entfernt steht, der Wert. Da spielt Corona keine Rolle bei den Kosten.“
Einig sind sich alle Befragten, die sich vor einigen Jahren mit weiteren Kollegen zum Netzwerk „Immobilienexperten im Nordkreis“ zusammengeschlossen haben: Den größten Einbruch hat es seit den Lock- und Shutdowns auf dem gewerblichen Sektor gegeben. Gewerbeobjekte sind derzeit totes Kapital. In dem Bereich werde abgewartet, wie sich die Wirtschaft entwickelt, wenn irgendwann die sogenannte Herdenimmunität nach den Schutzimpfungen eintritt.