Fünf Jahre liegt es zurück, dass Wahid Heydari Integrationslotse in der Gemeinde Weyhe wurde. Aber er ist nicht der einzige. Zwei Kolleginnen hat er: Dina Badwan und Remla Menge Colpa. Damit nicht genug der Unterstützung. Zum Team gehören auch Mitarbeiter, die als Bundesfreiwilligendienstler mit anpacken. Eine von ihnen – die inzwischen siebte in der Reihe – ist Jacqueline Harms. Nach den drei Monaten, in denen sie nun im Dienst ist, hat sie gelernt, wie Papierkram Glück erzeugen kann.
Harms hat schon während der Schulzeit Praktika gemacht. In der elften Klasse arbeitete die 19-Jährige mal im Krankenhaus, mal im Pflegebereich und musste für sich feststellen: „Die Atmosphäre war für mich nicht passend.“ Es sei schlicht nicht ihr Ding gewesen, sagt sie. Ganz anders lief es für sie bei der Gemeinde Weyhe. Schon im Verlauf des ersten Hospitationstages war ihr klar, dass sie genau diese Arbeit für das kommende Jahr machen will. Dabei war ihr Ziel zunächst ein anderes: Nach der Fachhochschulreife an den Berufsbildenden Schulen Syke, die sie in der Jahresmitte erreicht hat, wollte sie Soziale Arbeit in Bremen studieren. Wegen der Corona-Krise allerdings hat sie diesen Plan aufgeschoben, obwohl sie ab November hätte loslegen können. „Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen. Ich finde das unheimlich spannend“, sagt sie und ist überzeugt: „Ich glaube, dass mir das liegt.“ Man könne so viel machen in dem Bereich, arbeiten mit Menschen mit Behinderung oder mit Jugendlichen beispielsweise.
Nun liegt ihr Fokus erst einmal auf Geflüchteten, die neu in Weyhe sind und Hilfe bei vielfältigen Dingen brauchen, oftmals beim Ausfüllen von Anträgen, darunter für die Ausländerbehörde in Syke – dann, wenn Aufenthaltstitel verlängert werden müssen oder auch bei schriftlichen Korrespondenzen mit dem Jobcenter oder der Agentur für Arbeit. „Es fällt schon ziemlich viel Papierkram an“, sagt Harms. Aber das gehöre dazu. Maßgeblich war sie zuletzt daran beteiligt, drei Menschen in ihrem Alter beim Antreten einer Ausbildung zu helfen. Nach reichlich Schriftverkehr habe das schließlich geklappt. Unterstützung gebe es auch für Familien, beispielsweise beim Anmelden der Kinder in der Schule oder beim Einleben zu Hause. „Man weiß, man hat ihnen geholfen“, sagt Harms und stellt auf die Frage nach Erfolgen fest: „Jeder Tag ist erfolgreich“ – eben wegen solcher, mitunter auch nur kleiner Hilfen. „Das macht einen glücklich“, sagt sie.
„In erster Linie unterstütze ich Wahid“, sagt sie über die Zusammenarbeit mit dem Vollzeit-Integrationslotsen. Für den Arbeitsalltag bedeutet das zunächst die Beratung für Unterstützungsbedürftige in der zweistündigen Sprechstunde in der Außenstelle der Verwaltung am Westermoor 8 in Leeste, mit der der Tag beginnt. Danach stehen zumeist Vor-Ort-Termine an: Ziele sind Schulen und Kitas, wo beratende Gespräche anfallen, Wohnungen, in denen Geflüchtete unterkommen und die dafür hergerichtet werden müssen. Auch „Hausbesuche“ werden gemacht, um Sachen vor Ort direkt zu klären, um Dinge, die für das Leben in der neuen Heimat wichtig sind, persönlich zu erklären, ergänzt Gemeindesprecher Sebastian Kelm. Begleitet werden bei Bedarf auch Behördengänge. Deshalb sind Wahid Heydari und die Bundesfreiwilligendienstlerin auch oft mit dem Auto unterwegs.
Eine Herausforderung bei all dem sind unterschiedliche Sprachkenntnisse. „Die Leute sind noch nicht so lange hier“, wenn sie zur Beratung kommen – die Deutschkenntnisse entsprechend wenig vorhanden. Mit einigen funktioniere es gut auf Englisch, ansonsten „mit Händen und Füßen“. Harms beherrscht neben Deutsch und Englisch noch Französisch und Polnisch als zweite Muttersprache. Sollte sie im Integrationsbereich bleiben, möchte sie ihre Kenntnisse womöglich noch weiter ausbauen. Heydari spricht als Mensch aus Afghanistan Dari, dazu Persisch, weil er im Iran aufgewachsen ist und Kurdisch. Seine Teilzeit-Kolleginnen Badwan und Colpa ergänzen mit Arabisch sowie Serbisch und Albanisch.
Aus rund 15 Nationen kommen die Menschen, die in Weyhe die Dienste der Integrationslotsen in Anspruch nehmen, sagt Heydari. Mehr als 600 Geflüchtete leben insgesamt in der Gemeinde. Die, die 2015 gekommen sind, sind noch nicht komplett selbstständig, nicht auf die Arbeit bezogen, sondern die Schriftsachen betreffend. Integration, sagt Kelm, der außerdem auch die Schnittstelle für ehrenamtliche in dem Bereich ist, sei eine „Aufgabe, die für den Großteil der Bevölkerung im Verborgenen bleibt“ – eine „Mammutaufgabe“, die auch in Corona-Zeiten nicht weg sei.