Herr Probst, wie wird Ihrer Meinung nach die Bundestagswahl ausgehen?
Lothar Probst: Als Politikwissenschaftler analysiere ich Wahlen, kann ihr Ergebnis aber leider nicht vorhersagen. Es hängt auch viel vom Abschneiden der kleineren Parteien wie der FDP, BSW und Linke ab, welche Prognose man stellen kann.
Einige Veranstalter haben hier im Landkreis Diepholz im Vorfeld Podiumsdiskussionen veranstaltet, zu denen aber nicht alle Kandidaten eingeladen wurden. Mal fehlte der Kandidat der AfD, mal dazu noch die Kandidatin der Freien Wähler mit der Begründung, dass diese ja auch nicht im Bundestag vertreten wären. Was halten Sie davon?
Wer nicht will, der hat, heißt ein altes Sprichwort. Wer nicht für sich werben will, ist selbst schuld, könnte man analog ergänzen.
Wer trägt Ihrer Meinung nach die Schuld am Ampelbruch?
Die Chemie vor allem zwischen FDP und Grünen stimmte nur am Anfang, entwickelte sich aber immer mehr auseinander, zumal der Kanzler wenig Führungsstärke in dieser Auseinandersetzung gezeigt hat – mit Ausnahme der Verlängerung von Laufzeiten für drei Atomkraftwerke. Dass die FDP bei vier Prozent in den Umfragen irgendwann die Reißleine ziehen würde, war zu erwarten. Wie sie es getan hat, war allerdings sehr verräterisch und ließ die Absicht dahinter erkennen.
Was waren die entscheidenden Ereignisse seit dem Ampelbruch?
Zunächst sicherlich das Papier zum Ausstiegsszenario der FDP, von dem angeblich niemand in der Parteispitze wusste. Aber das alles überstrahlende Ereignis war sicherlich Ende Januar im Bundestag, in der die AfD mit der Union und FDP einen Antrag zur Migrationspolitik gegen die Regierungsparteien abgestimmt hat.
Wie entscheidend ist die Wirtschaftskrise, die ja vor allem Robert Habeck angelastet wird?
Die Wirtschaftskrise ist sicherlich für viele Wähler und Wählerinnen, die diese am eigenen Leib spüren, das Topthema, auch wenn die Migrationspolitik im Moment im Fokus steht. Vieles davon wird Habeck angelastet, obwohl viele strukturelle Probleme dafür verantwortlich sind: höhere Energiepreise seit dem Ausfall billigen russischen Erdgases und Erdöls, Arbeitskräftemangel, Folgen der Corona-Krise.
Wie sehr werden beim Wähler die Terrortaten von Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und jetzt auch noch München ins Gewicht fallen?
Einige dieser Taten wurden von Islamisten begangen und sind eindeutig Terrorakte, andere wiederum waren die Taten von psychisch kranken Migranten. Viele differenzieren nicht zwischen diesen beiden unterschiedlichen Formen des Terrors, weil im Ergebnis unschuldige Menschen sterben. Die AfD macht sich natürlich beide Formen für ihre Propaganda gegen Zugewanderte nutzbar.
Wird das nur dem rechten Rand nützen? Oder welche Ereignisse werden noch die AfD befeuern?
Wenn mehr als 66 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass Deutschland zu viele Migranten ins Land lässt, und schärfere Maßnahmen gegen Asylsuchende fordern, dann profitiert davon hauptsächlich die AfD. Auch weil die demokratischen Parteien das Thema zu lange vernachlässigt haben.
Glauben Sie, dass die SPD noch einen Last-Minute-Effekt einfahren kann und Olaf Scholz noch einmal wieder Kanzler wird?
Dann müsste schon ein kleines politisches Wunder passieren. Die gibt es zwar manchmal, aber ich glaube trotzdem nicht, dass die SPD noch eine Aufholjagd hinlegen kann.
Es wird ja zu Koalitionen kommen müssen. An welche Koalition glauben Sie, dass sie a) zustande kommen könnte und b) auch eine Legislaturperiode durchhalten würde?
Da lege ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht fest und verweise auf meine Antwort zur ersten Frage.
Was halten Sie von Merz' Ankündigungen? Sind die rein populistisch und werden die Gerichte sie anschließend einkassieren?
Vieles von dem, was Merz ankündigt, ist nicht zu Ende gedacht und rechtlich zumindest fragwürdig. Ob es von den Gerichten kassiert wird, muss man abwarten.
Was erwartet Ihre Zuhörer bei Ihrem Vortrag in Sulingen?
Hoffentlich spannende Unterhaltung mit einigen Anekdoten aus der großen Politik.