Landkreis Diepholz. Das nächste Ausbildungsjahr startet in gut einem Monat und die Verunsicherung unter Auszubildenden und Bewerbern ist so groß wie nie zuvor. Denn der Ausbildungsmarkt ist unbeständig wie lange nicht mehr: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sorgen derzeit dafür, dass Unternehmen und künftige Berufseinsteiger in vielen Branchen nur sehr schwer zusammenkommen. „Es sind sehr deutlich bestimmte Bremsspuren zu sehen. Aber noch ist es nicht eins zu eins auf die Corona-Krise zurückzuführen“, erklärt Constantin von Kuczkowski von der Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Landkreis Diepholz. Zwar sei die Corona-Pandemie der Hauptgrund für das diesjährige „deutliche Minus“ von Ausbildungsstellen, doch laut Matthias Müller vom Kreisverband Diepholz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) habe sich der Ausbildungsmarkt schon in den vergangenen Jahren rückläufig entwickelt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In diesem Jahr sind laut von Kuczkowski zehn bis 15 Prozent weniger Ausbildungsverträge zustande gekommen. Besonders betroffen ist die Branche der Metalltechnik, die einen Rückgang von 30 Prozent verzeichnet. Ebenfalls ziemlich negativ seien auch die Zahlen in der Elektrotechnik, in der Gastronomie, im Hotelgewerbe sowie in Handelsbetrieben. Nur ein kleines Minus sei hingegen im Transportgewerbe festzustellen, sagt von Kuczkowski und Müller ergänzt: „Dennoch ist die Lage nicht aussichtslos, weil nicht alle Betriebe herunterfahren.“
Trotzdem sind die Erinnerungen an die Finanz- und Euro-Krise noch frisch. Die wirtschaftlichen Folgen trafen die junge Generation damals mit voller Härte. So etwas soll sich nicht wiederholen – jetzt, da angesichts der Pandemie eine beispiellose Rezession droht. Daher sollen kleine und mittelständische Betriebe von der Regierung belohnt werden: mit einer Ausbildungsprämie von 2000 Euro, damit nicht noch weitere Ausbildungsstellen wegbrechen. Unternehmen, die in diesem Jahr sogar mehr Lehrverträge abschließen, sollen für jeden Vertrag, der über das bisherige Niveau hinausgeht, 3000 Euro bekommen. „Diese Prämie können wir nur unterstützen, denn der Fachkräftemangel wird nach Corona bleiben“, betont von Kuczkowski.
Müller fordert hingegen mehr Druck von der Politik gegenüber den Unternehmen: „Die großen Betriebe in der Region bilden nicht mehr das aus, was sie eigentlich müssten. In bestimmten Branchen haben einige sogar einen Rückzieher gemacht. Zwar waren die Verträge noch nicht unterschrieben, aber die Unternehmen konnten ihre Zusagen nicht einhalten. Da erwarte ich, dass die Politik auf die Betriebe einwirkt und sie fragt, warum sie die versprochenen Lehrstellen nicht einhalten konnten.“ Während im Landkreis Diepholz laut Müller im Lehrjahr 2017/2018 noch 1240 Ausbildungsstellen besetzt wurden, waren es im Jahr 2019/2020 nur noch 1050 – ein Rückgang von knapp 16 Prozent. „Für den Landkreis Diepholz ist das schon erheblich“, sagt Müller. Ob der Rückgang nur auf Corona zurückzuführen ist, könne man aktuell noch nicht sagen. Müller appelliert an die Unternehmen: „Das, was sie jetzt nicht ausbilden, trifft sie in drei Jahren umso härter, weil der Bedarf dann viel größer ist.“
Größtenteils von den Corona-Folgen verschont geblieben sind dagegen die Handwerksbetriebe. Jens Leßmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Diepholz-Nienburg, sagt: „Die Zahlen der Ausbildungsverträge im Handwerk sind unbeschadet.“ Zum 31. Mai 2020 seien gar zwei Prozent mehr Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen worden als im Vorjahr. „Die Situation bei den Lehrverträgen ist total super, das haben wir selbst nicht so erwartet“, betont Lessmann. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zwar mussten während der Corona-Krise Aufträge von Privatkunden verschoben werden, doch die Arbeiten im Außen- und Neubereich konnten weiterlaufen. Dadurch habe sich die Auftragslage in den vergangenen Monaten nicht verschlechtert. „Das Handwerk kann mit einer guten Nachfrage von Auszubildenden rechnen. Die Arbeit geht in diesem Gebiet konstant weiter und Fachkräfte werden weiterhin gesucht. Für junge Menschen sind die handwerklichen Betriebe sehr attraktiv“, erklärt Lessmann.
Eine ähnliche Situation gestaltet sich in den landwirtschaftlichen Berufen. Auch dort werden Azubis weiterhin benötigt. „Dass wir durch Corona weniger Azubis haben als sonst, ist nicht der Fall“, betont Ruth Beatrix Hainke, Ausbildungsberaterin bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Sowieso steigen die Zahlen der Auszubildenden in der Landwirtschaft seit 2018 an. „Der Drang zu den grünen Berufen ist auf jeden Fall vorhanden. Ob der nach Corona verstärkt wird, kann ich heute noch nicht sagen.“