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Bauernhof-Archiv Bauernhof-Archiv wird 20 Jahre alt

Das Bauernhof-Archiv in Syke ist bundesweit so gut wie einmalig. Jetzt feiert die Sammlung zu Gebäuden im ländlichen Raum ihren 20. Geburtstag. Gleichzeitig treiben den Archivar Zukunftssorgen um.
03.05.2023, 16:23 Uhr
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Bauernhof-Archiv wird 20 Jahre alt
Von Sarah Essing

Syke/Landkreis Diepholz. Die Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB) feiert in diesem Jahr ihren 50. Geburtstag. 1973 gründete sich diese private Initiative in Kirchseelte. Sie hat sich den Erhalt jahrhundertealter Bauten auf dem Land verschrieben und setzt sich seitdem dafür ein, die architektonischen Besonderheiten ländlicher Haustypen bekannter zu machen und eine breite Öffentlichkeit auf den Wert und die Schutzbedürftigkeit regionaler Architektur aufmerksam zu machen –  längst ist sie bundesweit aktiv. Eng mit der Interessengemeinschaft verbunden ist zudem das Bauernhausarchiv, gegründet vor genau 20 Jahren und seitdem im ehemaligen Kutscherhaus des Syker Vorwerks zu Hause.

Das Bauernhaus-Archiv dokumentiert und archiviert ländliche Gebäude, vorrangig Bauernhäuser und deren Umfeld sowie Gegenstände der Wohnkultur, insbesondere noch vorhandene bäuerliche Möbel. Herr über die circa 100.000 Abbildungen und Baupläne, Heiratsverträge und Übergabe-Urkunden zu 9000 Gebäuden in den ehemaligen Grafschaften Hoya und Diepholz sowie die Bibliothek mit ihren etwa 6000 Bänden ist seit 20 Jahren Heinz Riepshoff. Aus seiner Sammlung rund um die alten Häuser in den heutigen Kreisen Diepholz, Verden und Oldenburg entstand das Archiv – als seine Frau ihn darauf hinwies, dass alles, was er im Lauf der Jahre angesammelt hatte, ins Feuer komme, wenn er nicht mehr sei. "Lass dir was einfallen", sei ihr Auftrag gewesen.

Einzug ins alte Kutscherhaus

Und gemeinsam mit dem damaligen Leiter des Kreismuseums, Ralf Vogeding, ließ er sich etwas einfallen. Der Zeitpunkt erwies sich dabei als glücklich. Denn der Landkreis Diepholz hatte kurz zuvor das Vorwerk an die Sparkassenstiftung übertragen und im ehemaligen Kutscherhaus war die letzte noch bewohnte Wohnung frei geworden. Unterstützt von Reiner Ehlers von der Kreisverwaltung entstand die Idee, daraus das Bauernhaus-Archiv und zu machen. Die Räume wurden restauriert und die Sammlung zog ein – samt Riepshoff.

30 Jahre lang hatte er zu diesem Zeitpunkt alles gesammelt, was ihm zu den alten Häusern im ländlichen Raum in die Finger gelangte. Für die Antwort auf die Frage, wie er dazu gekommen ist, geht es noch weiter in der Zeit zurück. Als junger Pfadfinder habe er oft im Kreismuseum gesessen, in der Diele, am offenen Feuer, erinnert Riepshoff sich. "Da qualmte es aus allen Löchern." Das müsse ihn wohl irgendwie fasziniert haben, erklärt er sich heute. Doch als jungen Mann trieb es den gelernten Schriftsetzer zunächst hinaus in die Welt. In Ghana wirkte er zweieinhalb Jahre als Entwicklungshelfer. Als seine Zeit dort endete, schrieb er in Vorbereitung auf seine Heimkehr an einen Onkel. „Es wäre schön, wenn ich hinterher irgendwo wohnen könnte“, erinnert er sich an seine Zeilen. Die Antwort erfolgte prompt: "Ich habe einen Bauernhof für dich gefunden."

Bauernhof war der Anfang

Bei diesem Bauernhof handelte es sich um einen alten, renovierungsbedürftigen Hof in Halbetzen. "Den habe ich 1971 per Handschlag gekauft und dann 20 Jahre lang restauriert.“ Im Zuge dieser Renovierung sei er das erste Mal mit Hausforschern in Kontakt gekommen. "Die fand ich anfangs eigentlich ziemlich verrückt", gesteht er. "Die konnten stundenlang in ein Loch in einem Balken starren und darüber sinnieren, wie das da rein gekommen ist." Doch ihr Fachwissen über die alten Häuser war für die Renovierung seines Hofes auch eine enorme Hilfe. Sein Interesse war geweckt und so begann er seine eigenen Forschungen, bei denen er mit der Interessengemeinschaft Bauernhaus schnell auf Gleichgesinnte stieß.

"Man versucht nachzuvollziehen, was an einem Gebäude passiert ist", erklärt Riepshoff die Kerntätigkeit der Hausforscher. Denn das lasse Rückschlüsse auf andere Bereiche der Geschichte zu. So könne anhand des Wechsels vom Pfosten- zum Ständerbau zum Beispiel der Wechsel von der Zeitpacht auf die Erbpacht nachvollzogen werden. Wurden die Bauern bei der Zeitpacht nach zwölf Jahren "abgemeiert", also entlassen, mussten sie weiter ziehen und sich einen neuen Hof suchen. Dementsprechend wurden die ländlichen Gebäude nicht für die Ewigkeit gebaut. Mit dem Wechsel auf die Erbpacht im 16. Jahrhundert änderte sich dies. Nun lag es im Interesse der Bauern, ihren Kindern und Enkeln etwas zu hinterlassen. "Das können wir mit der Baugeschichte in Einklang bringen", sagt Riepshoff.

30 Jahre Forschung

Erkenntnisse wie diese ziehen auch immer wieder Wissenschaftler ins Bauernhaus-Archiv. Über die Datenbank Augias können sie über Schlagworte in den gesammelten Dokumenten suchen. Ihnen stehen dabei nicht nur Fotos und Baupläne und die circa 6000 Bücher zum Thema zur Verfügung, sondern mittlerweile auch Heiratsurkunden und Übergabe-Urkunden. Denn getreu dem Motto "Drum prüfe, was sich ewig bindet, ob Hektar sich zu Hektar findet" verraten auch diese so einiges über die sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen im Lauf der Jahrhunderte. Was sich nicht in den Regalen findet, könnte Riepshoff wissen. Denn nach nunmehr 30 Jahren Forschung gibt es wohl wenig, was er nicht über die alten Gemäuer weiß. Doch was passiert mit dem Archiv, wenn er nicht mehr ist? Diese Frage stellt der 76-Jährige sich nicht nur selbst, sondern auch der neue Leiter des Kreismuseums, Nils Meyer. "Da müssen wir ins Gespräch kommen und zu einer Lösung finden", wünscht sich der Archäologe.

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