Nach Ihrem 17. Ostfriesenkrimi, „Ostfriesengier“, haben Sie nun „Ein mörderisches Paar“ veröffentlicht, aus dem Sie in Syke vorlesen werden. Können Sie uns schon einen Einblick geben, ohne zu viel zu verraten?
Klaus-Peter Wolf: „Ein mörderisches Paar – Das Versprechen“ ist der Auftakt einer neuen Trilogie. Ich hatte eine Trilogie aus der Perspektive des Serienkillers Dr. Bernhard Sommerfeldt veröffentlicht. Vielen Fans hat das so gut gefallen, sie forderten, dass es mit Sommerfeldt weitergehen solle. Ich habe ihn dann in die Ostfriesenkrimireihe integriert. So spielt er eine wichtige Rolle in „Ostfriesenzorn“. Aber die spannende Figur ist einfach noch nicht auserzählt, deswegen bekommt er eine neue Trilogie. Er ist der männliche Part im „Mörderischen Paar“. Er ist Klinikleiter in Norddeich geworden, lebt dort unter dem Namen Ernest Simmel – er benennt sich nach seinen Lieblingsschriftstellern Ernest Hemingway und Johannes Mario Simmel. Und er möchte gerne seine Lebensgefährtin Frauke (eine ehemalige Miet-Ehefrau von großen Gangsterbossen) heiraten. Die beiden träumen den Traum vom bürgerlichen Glück, und das mitten im Weltnaturerbe. Aber alte Bekannte tauchen auf, die um die wahre Identität von Frauke und Ernest Simmel wissen.
17 Ihrer Romane sind von Null auf Platz 1 in die Spiegel-Bestsellerliste gestartet. Was macht die Region Ostfriesland so faszinierend für Ihre Leserinnen und Leser?
Ich selbst bin ja im Ruhrgebiet geboren worden. Für die Menschen dort war Ostfriesland immer ein Sehnsuchtsort. Man wünschte sich dorthin, zumindest im Urlaub, und viele hatten auch die Hoffnung, dort alt werden zu können. In meinen Romanen ist die Landschaft geradezu ein Protagonist der Handlung. Alle Orte gibt es wirklich und ich erzähle auch von Menschen, die es wirklich gibt. Sie kommen mit ihren richtigen Namen, Berufen und Ansichten in meinen Büchern vor. Zum Beispiel der Maurermeister Peter Grendel, der Konditormeister Jörg Tapper, der Journalist Holger Bloem – es gibt in meinen Büchern eine überprüfbare Realität. Man kann hinfahren, sich alles anschauen und sogar mit den Leuten sprechen.
Allerdings ist Ostfriesland in Ihrem neuesten Werk auch ein gefährliches Pflaster. Vor allem für Polizisten: Wie ist die Idee dazu entstanden?
Ich bin viel mit Polizisten zusammen. Sie lesen meine Bücher auch sehr gern. Viele finden sich darin wieder. Der ehemalige Polizeichef aus Ostfriesland, Hans-Jürgen Bremer, bezeichnete sich immer als „Fan der ersten Stunde“ und sagte zu mir vor vorwurfsvoll-ironischem Lächeln: „Du produzierst Suchtstoff, Klaus-Peter!“
Interessanterweise erzählen Polizisten, aber auch Angehörige anderer Berufe, viel freier, wenn sie erst einmal pensioniert sind. Ich gelte als guter Zuhörer.
Gibt es eine Szene oder einen Aspekt in „Ein mörderisches Paar", auf den Sie besonders stolz sind oder der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ja, ich glaube, in den Szenen auf Borkum sind mir atmosphärisch ein paar schöne Sachen gelungen, zum Beispiel die, die auf dem Friedhof in der Süderstraße spielen oder vor dem Eingang zur Kulturinsel. Ich nutze ja den Grusel als Fallhöhe fürs Lachen und dann das Lachen als Fallhöhe für den Grusel. So entsteht eine Achterbahnfahrt der Gefühle. In guten Momenten sehe ich dem Stift nur beim Schreiben zu und lasse mir die Geschichte von meinen Figuren erzählen. Das sind sehr glückliche Augenblicke. Im „Mörderischen Paar“, aber auch in „Ostfriesengier“ gab es einige davon.
Ihre Kommissarin Ann Kathrin Klaasen begleitet sie seit über 16 Jahren. Solange halten es nicht einmal viele Ehepaare miteinander aus. Haben Sie manchmal Trennungsgedanken?
Komischerweise nicht. Eher im Gegenteil: Sie wächst mir immer mehr ans Herz. Sie hat so viele Facetten. Sie kann spirituell sein, dann wieder total wissenschaftsorientiert. Völlig ausgeflippt und plötzlich sehr spießig. Bei den Verfilmungen hat es dreimal einen Schauspielerinnenwechsel gegeben. Keine hat versucht, die andere nachzumachen, sondern jede hat sich einen Aspekt von Ann Kathrin Klaasen, der sie besonders interessierte, herausgenommen und gespielt. Ich mag die Art, wie Picco von Groote Ann Kathrin Klaasen darstellt, sehr. Dieses Nachdenklich-Weiche, das plötzlich zu Härte mutieren kann, gefällt mir.
Die Verfilmungen bereiten mir allerdings manchmal beim Schreiben Schwierigkeiten, weil ich hinterher das Gefühl kriege, ich müsste mich bei den Schauspielerinnen entschuldigen, wenn ich ihnen mal wieder so Schlimmes angetan habe.
Was sind die besonderen Herausforderungen und Freuden beim Schreiben einer Krimireihe?
Kriminalromane sind für mich die eigentliche Gesellschaftsliteratur unserer Zeit. Ich kann hinabsteigen in die Abgründe der menschlichen Seele, den Riss zeigen, der durch unsere Gesellschaft geht, ja durch jeden Einzelnen. Ein Porträt unserer Gesellschaft gelingt im Kriminalroman am besten, glaube ich. Eine Reihe ist für mich sehr wichtig. Für einige Menschen ist das ja geradezu lebensbegleitend. Sie wissen, jedes Jahr erscheint ein Ostfriesenkrimi und manchmal noch ein zusätzlicher Roman wie die „Sommerfeldt-Trilogie“ oder „Ein mörderisches Paar“. Für viele Leserinnen und Leser gehören meine Figuren praktisch mit zur Familie.
Eine besondere Herausforderung für mich besteht natürlich darin, mit jedem Buch die Leser mitzunehmen in die alte, vertraute ostfriesische Welt, auf die sie sich so sehr freuen, aber gleichzeitig ihnen etwas völlig Neues, Verblüffendes zu erzählen.
Wissen Sie schon, wie es weitergeht?
Beim Schreiben versenke ich mich ganz in meine Figuren und lasse mir im Grunde die Geschichte von ihnen erzählen. Das Schreiben ist ein Abenteuer und ich lasse mich darauf ein. Ich misstraue Autoren, die von Anfang an alles ganz genau wissen.
Ihr Werk ist sehr umfassend. Sie schreiben auch Drehbücher, Romane für Kinder und Jugendliche, meistens im Krimi-Genre. Werden Ihnen all die Morde und Verbrechen nicht manchmal selbst zu viel?
Oh nein! Ich liebe sehr, was ich tue und erzähle voller Leidenschaft meine Geschichten. Der Tod wird in der Gesellschaft sehr ausgeklammert. Mit Fitnesskursen, Diäten, Airbags und Sicherheitsgurten wird uns vorgegaukelt, wir könnten ewig leben. Das ist aber eine Lüge. In Kriminalromanen werden wir mit der Endlichkeit konfrontiert und damit, dass es jederzeit so weit sein kann. Dies ist ein Stück Lebenswirklichkeit.
Krimis gehören auch zu den beliebtesten Büchern in Deutschland. Was denken Sie, macht den Reiz dieses Genres aus?
Ich denke, es geht um Spannungsliteratur. Wir erleben Menschen in ihren größten Sehnsüchten und begleiten sie hin in ihre größte Angst. Wir gehen mit ihnen in die Hölle und wissen doch, dass wir selbst wieder herauskommen werden. Es ist auch ein Stück Exorzismus gegen unsere eigene Angst und im besten Fall großartige Unterhaltung.
Was lesen Sie zurzeit?
"Der Maler und das reine Blau des Himmels", ein historischer Roman von Tilman Röhrig über den Maler Franz Marc – und wenn Sie mich fragen, das ist ebenfalls gute Spannungsliteratur.
Das Interview führte Sarah Essing