Syke-Heiligenfelde. Der Weg war frei. Von der Mittellinie lief Arjen los und sprintete direkt aufs Tor zu. Doch plötzlich ließ er sich zu Boden fallen und blieb liegen. Die Zuschauer klatschten und auch der Schiedsrichter nickte zufrieden. Eine solche Reaktion ist eher untypisch, wenn auf einem Sportplatz ein Akteur unter akuter Fallsucht leidet. Normalerweise zumindest. Doch dieser Arjen war kein Fußballer, sondern hieß mit vollem Namen Arjen ex mera passio, ist ein Malinois – ein belgischer Schäferhund – und sollte genauso reagieren. Vor allem, weil ihm Lukas Machats, sein Halter, mit einem kurzen Ruf ein Zeichen gegeben hatte. Gehorsam, Fachbegriff Unterordnung, hieß diese Übung. Sie war neben Fährten lesen und Schutzdienst eine der Disziplinen, die am Wochenende auf dem Programm standen beim Championat des Deutschen Malinois-Clubs.
Der Heiligenfelder Gebrauchshundeverein war Gastgeber und dessen Vorsitzender Andreas Mayer nach zweieinhalb organisations- und ereignisreichen Tagen hochzufrieden. „Wir haben hier tollen Sport gesehen.“ Um die Bedeutung zu zeigen: Die Hundeführer auf den ersten fünf Rängen und ihre Malinois qualifizierten sich für die Weltmeisterschaft.
Was die überwiegend fachkundigen Zuschauer zu sehen bekamen, waren die Anforderungen, die die quasi berufstätigen Hunde bei Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr und Rettungsdiensten erfüllen müssen, um Verbrecher zu jagen, Drogen aufzuspüren und Verschüttete zu orten. „Diese Rasse hat genetisch beste Voraussetzungen, ist hart, lernwillig und arbeitsfreudig. Die Berufshunde sind natürlich taktisch besser geschult. Wenn die in Gebäude oder ins Gelände gehen müssen, ist das schon etwas anderes als hier“, so Mayer. Gleichwohl gaben auch die Sporthunde und ihre Führer einen beeindruckenden Einblick in die Fähigkeiten von Mensch und Tier und vor allem in die Teamarbeit. Erziehung und Gehorsam stehen dabei im Mittelpunkt. Manch anderer Hundehalter hätte neidisch geschaut, wie folgsam und gut erzogen Hunde sein können.
„Konsequenz ist für jeden Welpen wichtig, damit es später zwischen Hund und Halter funktioniert“, erklärte Mayer und fügte mit Blick auf die Gebrauchshunde hinzu: „Die Hunde sind Hochleistungssportler.“ Hinzu kam höchste Konzentration. „Sie müssen gleichgültig bei Außenreizen sein, denn in ihrem Beruf dürfen sie sich nicht ablenken lassen.“ Geprüft wurde das vorm Start der Übungen mit einem Schuss mit Platzpatronen, bei dem Tiere weiterhin nur auf ihren Halter fixiert blieben und bei Fuß gingen. Zu den richtigen Bewegungen und Reaktionen wurden Ausstrahlung und Motivation erwartet und bewertet – ähnlich wie bei Dressurpferden.
Die Hunde hatten angesichts ihrer Stammbäume allesamt klangvolle Namen wie Aslan vom Sudwalder Forst, Lupanos Iceman oder Lexus-Silvester vom Lausitzeck. Sie mussten mit ihrer Beute streng nach Vorgaben und Anweisungen umgehen. Erwartungsvoll, mit nach oben gerichtetem Kopf und hängender Zunge, saß der Hund still, die Sinne schon voll geschärft. Dann warf der Halter das rund zwei Kilogramm schwere Bringholz über eine zwei Meter hohe Wand. Auf Kommando raste der Hund los, musste das Holz schnell aufnehmen, bringen (dabei natürlich über die Wand springen), es festhalten und erst auf Anweisung loslassen.
Auch beim Fährtenlesen auf den noch nicht bepflanzten Maisfeldern ums Gut Hoope herum mussten Benga, Caja, Erwin und Co. den Fund nur melden und auf keinen Fall berühren oder gar apportieren. Der Grund hierfür war klar. Man stelle sich vor, ein Polizeihund würde Beweismittel in die Schnauze nehmen. Das wirkliche Polizeihundeleben wurde im beeindruckendsten Übungsteil, dem Schutzdienst, vorgeführt. Über das ganze Spielfeld waren mehrere Verstecke aufgebaut. Die Hunde mussten sie alle absuchen, ehe sie im letzten den „Täter“ fanden. Auf den Hinterläufen stehend, beinahe Schnauze an Nase, bellte der Hund, ohne seinen menschlichen Fund zu berühren. Auf Kommando machte der Hund dann „Sitz“, musste den Täter bewachen. Als dieser zu fliehen versuchte, schnappte der Hund in den (hier im Wettkampf natürlich geschützten) Arm des Fliehenden und trotzte auch dessen Abwehrversuchen. „Im Job darf der Hund sich schließlich auch nicht vom Buhmann verjagen lassen“, kommentierte Mayer. „Das ist eine harte Probe für den Hund.“ Die meisten der 40 gestarteten Teams lieferten hervorragende Leistungen ab.
Rund vier Jahre dauert die Ausbildung solcher Hunde. Die Teams waren aus ganz Deutschland, einige aus Ungarn, Dänemark und der Schweiz angereist, Wohnmobile säumten den Sportplatz. In den Pausen führte die Bundeswehr die Notfallversorgung an einer täuschend echten Hundepuppe vor, und die Polizeihundestaffel aus Oldenburg zeigte, wie ihr Alltag aussieht. Beifall gab es hierfür auch. Mit Peggy Lienemann mit ihrem Hund Baron de la frisone liberte sowie Catharina Reppin mit Cassius Dio von den Buxtehuder Bullen gingen zwei Heiligenfelderinnen an den Start. Deren Platzierungen 17 und 19 kommentierte Mayer: „Wir sind stolz auf sie.“