Nachdem das Ensemble der Kulturetage Oldenburg im vergangenen Jahr mit großem Erfolg seine "Visionen für einen Unort" im Spieldorf der Freilichtbühne Stedingsehre aufgeführt hat, erlebt das Theaterspektakel im September eine Neuauflage. Zwischen 1. und 18. September stehen zwölf weitere Vorstellungen auf dem Programm, wobei das von Bernt Wach konzipierte Stück nun nur noch "Visionen" heißt.
"Der Unort im Titel musste leider weg. Er war in seiner Ausstrahlung nicht positiv genug und daher waren wir gezwungen, den Unort zu streichen", erklärt Kulturetage-Sprecherin Bettina Stiller, wobei die Änderung "nicht freiwillig" erfolgt sei. Als Begründung nennt sie die Tatsache, dass das Stedingsehre-Spieldorf offenbar kurz vor dem Verkauf an einen privaten Investor stehe. Und der habe die Änderung des Titels zur Auflage gemacht, bevor den Theaterleuten aus Oldenburg noch einmal erlaubt wurde, das Stück dort aufzuführen. Über die weitere Zukunft des Immobilien-Ensembles schweigen sich die Verantwortlichen der Inn-tegrativ gGmbH als Betreiberin des Berufsförderungswerks Weser-Ems und bisherige Eigentümerin des Geländes derweil weiter aus.
Bei der Wiederaufnahme bleibt vieles gleich: So werde es erneut sowohl Innenszenen in den historischen Häusern als auch Außenszenen auf dem Freigelände an der Tribüne geben, erklärt Stiller. Auch die Pause, die Besucherscouts, das Empfangszelt sowie die Anzahl von vier Gruppen à 25 Zuschauern hätten sich als gute Größe herausgestellt. "Wir haben uns dabei am kleinsten Raum orientiert und die möglichen Sitzplätze ausgezählt", erklärt Stiller. Obwohl die aktuelle Corona-Lage keine Besucherbeschränkungen mehr vorsieht, verzichten die Theaterleute damit auf die Möglichkeit, die Kapazitäten in größerem Umfang zu erweitern.
Aber es gibt im Vergleich zum Vorjahr auch Veränderungen: So können sich Besucher im inzwischen eröffneten Informations- und Dokumentationszentrum Stedingsehre (IDZ) im Spieldorf jeweils eine Stunde vor jeder Vorstellung über die Historie des Ortes informieren. Dafür ist das IDZ selbst keine eigene Station mehr im Stück. Als Ersatz gibt es eine neue Kino-Station, die ebenfalls als Innenszene in einem anderen Gebäude des Spieldorfes stattfindet. Hier wird ein neuer Film von Frank Bekuhrs gezeigt, der über die geschichtlichen Hintergründe mit zum Teil noch unveröffentlichtem Material aufklärt.
15 Schauspieler in Aktion
Unter der Regie von Markus Weiß und Ulf Goerges sind insgesamt 15 Schauspieler in Aktion zu erleben, wobei die bekannten Rollen teilweise neu besetzt worden sind. So übernimmt in der Neuauflage etwa Dieter Kruse die Figur des Heimatdichters August Hinrichs.
"Visionen" thematisiert sowohl die Historie als auch fiktive Ideen für die Nachnutzung des Stedingsehre-Geländes. Los geht es mit einer nachgespielten Dokumentarfilm-Szene, in der Gauleiter Carl Röver (Ulf Goerges) und Dichter Hinrichs die Schönheit der neuen Bühne preisen. Anschließend teilt sich das Publikum in vier Gruppen, die unter der Führung von Scouts abwechselnd die Visionen in den jeweiligen Häusern erleben. Eine davon sieht vor, die Stedingsehre als Zentrum für bedrohte europäische Sprachen und Kulturen zu etablieren. So wirbt Dr. Heribert Fuchs (Markus Weiß) im "Haus Plattart" für das Prinzip "Emanzipation durch Transformation".
Die zweite Option ist, ein Schulungszentrum für deutsche Leitkultur einzurichten. Im "Haus Leitkultur" es dann nicht nur um den Sinn und Unsinn von Leitkultur, sondern auch um ganz aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen wie Integration. Im "Haus Heimat" schließlich lernen die Besucher nicht nur ein Museumskonzept kennen, das als "Ankerplatz für die ruhelose Seele" die Andenken an Philosophen bis zu Komponisten und Schriftstellern würdigen soll, sondern erfahren auch zahlreiche Details über ein korrektes deutsches Abendbrot.
Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen bezüglich der Eigentümerverhältnisse auf der Freilichtbühne Stedingsehre werben die Oldenburger Theatermacher bereits für den "vielleicht letzten Theaterausflug nach Bookholzberg".