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Ein Krankenhaus für Nager Wo kranke, schwache und verletzte Bremer Eichhörnchen gepflegt werden

Im Bereich der Eichhörnchen-Auffangstation hat Tierschützerin Karin Petra Freiling jetzt viel zu tun. Auf ihrem Anwesen in Klosterseelte versorgt sie auch andere Tiere in Not aus Bremen und ihrer Umgebung.
13.08.2023, 19:23 Uhr
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Wo kranke, schwache und verletzte Bremer Eichhörnchen gepflegt werden
Von Ulrike Troue

Behutsam holt Karin Petra Freiling das Tierbaby aus dem Wärmesäckchen, das ihr um den Hals vor der Brust hängt, und formt mit ihren Händen eine Schale für „Klein Fridolina“. Das knapp zwei Wochen alte Eichhörnchen hat die Bremer Polizei erst tags zuvor geschwächt auf dem Bürgersteig aufgelesen und der Tierschützerin vorbeigebracht. 

Die Diplom-Biologin hat sofort mit der Intensivbehandlung begonnen: Wärme und alle zwei Stunden eine Ration Aufzugsmilch. „Tagsüber wohnt sie in meinem Dekolleté“, erzählt Karin Petra Freiling und streichelt das Wildtier sanft. „Nachts kommt ‚Klein Fridolina‘ unter die Wärmedecke.“

Seit 2018 führt Klein Fridolinas Ersatzmutter die Eichhörnchen-Auffangstation des Bremers Jürgen Conrad weiter, der weiterhin den Eichhörnchen-Notruf annimmt. Auf ihrem 2.500 Quadratmeter großen Anwesen in Klosterseelte (Samtgemeinde Harpstedt) füttert, pflegt und versorgt Karin Petra Freiling mit ihren Eltern verletzte, kranke und geschwächte Haus- und Wildtiere und päppelt sie auf eigene Kosten wieder auf: vor allem Hunde und Eichhörnchen, aber auch Katzen, Hühner, Mini-Schweine, Waschbären und zurzeit sogar einen Fuchs.

„24 Eichhörnchen sind aktuell hier“, sagt die 55-jährige Tierschützerin. „Elf davon in Freiheit.“ Denn gerade hat die ausgebildete Hunde-Psychotherapeutin und Trainerin der höchsten Stufe der Tellington-T-Touch-Methode eine der beiden Volieren geöffnet, um kurierte Eichhörnchen in ihre natürliche Umgebung zu entlassen. Ihr Tierschutzhof ist von Wald und Wiesen umgeben. Die freigelassenen Nager könnten immer wieder zurück in die Kobel, ihre selbst gebauten Nester, und sich an den Wasser- und Futterschälchen bedienen, erklärt Karin Petra Freiling die von ihr praktizierte Auswilderungsmethode.

Häufigere Begegnungen mit Eichhörnchen

Die Diplom-Biologin bestätigt den Eindruck, dass es immer mehr Eichhörnchen in die Stadt zieht. „Sie brauchen Futter“, weiß sie. „Und wo tierfreundliche Menschen leben, geht es ihnen gut: Es gibt viele Leute, die sie auf ihrer Terrasse oder dem Balkon füttern.“ Eichhörnchen mögen alles Frische, so Karin Petra Freiling: Brokkoli, Möhren, Gurken, Beeren, Äpfel. Und natürlich Samen, Sprossen, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne und Nüsse. Dringend rät die Expertin jedoch davon ab, Erdnüsse zu füttern, da sie teilweise von Schimmelpilz befallen sind. Auch Milch ist ihr zufolge ein Tabu, stattdessen sollte sauberes Wasser zu trinken angeboten werden.

Kühle Witterung hat schlimme Folgen

Das derzeit nasskalte Wetter setzt Eichhörnchen massiv zu. „Der Regen tut den Jungtieren nicht gut, sie sind durchnässt und unterkühlt“, erklärt die Expertin. „Die glatten Baumstämme führen vermehrt zu Stürzen, auch Viruserkrankungen wie Durchfall nehmen zu.“ Andererseits ist große Hitze nicht minder gefährlich, weil Hörnchen bei zu wenig Wasser dehydrieren und vom Baum fallen. Nicht zu vergessen die Gefahrenquelle Autoverkehr. 

Welche Verletzungen oder Krankheiten behandelt werden

Häufig hätten die Hörnchen durch einen Sturz ein Schädelhirntrauma, berichtet die Tierretterin. Angriffe von Elstern und Krähen nennt sie als weitere Verletzungsursache. Ebenso Parasitenbefall. „Manche sind quasi blutleer“, erinnert sich Karin Petra Freiling an ein Eichhörnchen mit 300 Flöhen. Bei ihr bekommt jedes neu eingelieferte Hörnchen zuerst Elektrolyte in Form einer Kochsalzlösung, um die Darmschleimhäute zu befeuchten, erst danach die passende Nahrung.

Wie lange die Eichhörnchen in der Pflegestelle bleiben

Da die Wildtiere mit dem buschigen Schwanz zwischen März und August Nachwuchs bekommen, hat sie damit gerade viel zu tun. Wenn Frühchen die Intensivpflegephase mit Aufzuchtmilch überstanden haben und etwa ab der fünften Woche mit „Energiebällchen“ aus geraspelten Äpfeln, Haselnüssen und Haferflocken langsam an feste Nahrung gewöhnt worden sind, siedelt Karin Petra Freiling sie in eine Voliere um. „Wenn sie die Haselnuss schaffen“, ist ihr Kriterium. Dann versorgt die 55-Jährige sie zwei Monate in der Voliere und wildert sie meist im Alter von vier Monaten aus. „Ich mache es wetterabhängig“, sagt die Tierschützerin. „Wer in der zweiten Jahreshälfte geboren ist, hat über Winter noch Kost und Logis frei". Denn diese Baumhörnchen könnten sich noch nicht selbst Kobel bauen.

Was tun, wenn man das Gefühl hat, ein Tier ist in Not?

Wer ein Hörnchen in Not entdeckt, darf es vorsichtig anfassen, sagt Karin Petra Freiling. „Wenn es sich Menschen nähert, schreit es praktisch um Hilfe und ist oft völlig mangelernährt.“ Jedoch empfiehlt sie, Handschuhe zu tragen: „Dann am besten in einer Kuschelsocke oder einem Kissenbezug schnellstens zur nächsten Auffangstation bringen. Wichtig ist, dass sie warmgehalten werden.“ Wer den Eichhörnchen-Notruf wählt, sollte eine Altersangabe machen können, empfiehlt Freiling. „Einen buschigen Schwanz kriegen sie erst mit sechs Wochen“, liefert sie als Ansatzpunkt.

Zur Sache

Tellington-T-Touch-Methode

Die von Linda Tellington-Jones zunächst für Pferde entwickelte Methode wurde auch für Hunde bekannt und ist ebenso erfolgreich bei Katzen, Vögeln, anderen Haus- und Kleintieren, sowie bei Nutz-, Zoo- und Wildtieren. Inzwischen wird die T-Touch-Methode auch bei Menschen praktiziert. Sie basiert auf vier Grundelementen: der Körperarbeit, dem langsamen Führtraining über Bodengeräte, der Ausrüstung und der Visualisierung, wobei sich alle Elemente ergänzen.

Info

Mehr Informationen über den Tierschutzverein "Verbindung zwischen den Arten" unter www.verbindungderarten.de. Der Bremer Eichhörnchen-Notruf ist unter 0179/ 742 44 79 erreichbar.

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