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Angebote für Jugendliche Start für Ukraine-Projekt in Bredbeck

In der Bildungsstätte Bredbeck ist ein neues Ukraine-Projekt gestartet. Es umfasst kreative Jugendbildungsangebote für Geflüchtete und Einheimische sowie einen internationalen Fachkräfte-Austausch.
09.06.2022, 05:00 Uhr
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Start für Ukraine-Projekt in Bredbeck
Von Bernhard Komesker

Landkreis Osterholz. Tania Kriukovska von der Kiewer Jugendorganisation "Tolerance in U" hat seit 2014 schon bei mehreren Seminaren in der Bildungsstätte Bredbeck als Gastreferentin mitgewirkt. Vor zwei Monaten hat sie nun ein erstes eigenes Projekt gestartet, das angesichts der russischen Kriegsverbrechen eine besondere Dringlichkeit hat. Es geht um Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die traumatisierende Erfahrungen gemacht haben.

"Stay Different – Think Big – Act Together" ist das Motto von "Tolerance in U", das sich Kriukovska auch für ihr mehrteiliges Angebot zu eigen gemacht hat, also frei übersetzt "Unterschiede achten – Über den Tellerrand schauen – Gemeinsam handeln" (Info unter www.facebook.com/Toleranceinyou). Das Projekt sei "eine tolle Möglichkeit, die Stimme der Ukraine hörbar zu machen", sagt Kriukovska, die gebürtig aus der Ostukraine stammt und nun eine befristete Stelle in Bredbeck hat.

Fachkräfte im Austausch

Sie wolle Pädagogen und kreative Köpfe, die nach Deutschland geflüchtet oder aber auch in der Heimat geblieben sind, miteinander vernetzen. Der ukrainische Name des Projekts "Likhtar" bedeutet übersetzt Laterne, Leuchte. Der Projektbaustein "Dialog" zielt dabei auf einen internationalen Erfahrungsaustausch unter Sozialarbeitern und Pädagogen, Lehrern und Streetworkern aus Deutschland, der Ukraine und anderen Ländern.

Diese Zielgruppe traf sich – nach einer ersten Online-Konferenz im Mai – in der vergangenen Woche erstmalig in Präsenz in der Bildungsstätte. Neben Fachkräften aus Deutschland und der Ukraine waren auch Akteure der Jugendbildung aus Georgien, Litauen und Tunesien daran beteiligt. "Alle beschäftigt die Frage, wie sie mit Jugendlichen ins Gespräch kommen können: über den Krieg, seine Ursachen und Folgen", weiß Kriukovska. Filmproduktionen, Fotoausstellungen und andere kreative Methoden könnten geeignet sein, auch Unaussprechliches auszudrücken. Anfang Oktober soll es dazu ein weiteres Experten-Treffen geben.

Ausdruck durch Kreativität

Kommende Woche beginnt zunächst ein praktisch orientierter Baustein: "Borschtsch" ist ein kreativer Schreib-Workshop für 16- bis 26-Jährige aus Deutschland und vor allem der Ukraine, der ab Montag in der Bildungsstätte stattfinden wird. Bredbeck-Mitarbeiter Alexander Starostin plant ein Buch mit biografischen Elementen der Teilnehmenden, das die Rolle der ukrainischen Kultur in Europa behandeln soll. Für Juli und August sind überdies zwei kreative Sommercamps mit jungen Aktivisten aus Deutschland, der Ukraine und Polen geplant. Die Camps sollen an historischen Orten in Polen stattfinden.

In der Bildungsstätte selbst wiederum werden Kinder und Jugendliche zu Gast sein, die im August für gut eine Woche aus der Ukraine anreisen. Das teilt Bredbeck-Leiterin Kirsten Dallmann mit. An der neuen Staffel der "Lernräume"-Reihe sollen in den Sommerferien auch Kinder von ukrainischen Geflüchteten teilnehmen, die zurzeit im Kreisgebiet leben. "Unklar ist noch, wie wir den täglichen Transport bewerkstelligen", so Dallmann. Bredbeck nutze die Kontakte zur Kommission Internationales im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten.

Auch kooperiere man unter anderem mit dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk, sodass spätestens Anfang 2023 ein weiterer, großer Fachkräfteaustausch namens Ukraine-Forum stattfinden soll. Parallel könnten demnächst ein oder zwei neue Praktika in Bredbeck starten: Die dreimonatigen Hospitanzen von Julie Kovtun (Schauspielerei, Tanz, Musik) und Iryna Virstiuk (Germanistin, Übersetzerin) enden in Kürze. "Wir versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu reagieren", sagt Dallmann.

Aufnahme in den Schulen

In der Ukraine haben inzwischen bereits die Sommerferien begonnen. Etliche Kinder von Geflüchteten, die bisher über das Internet dem Unterricht in ihrer Heimat gefolgt sind, kommen damit nun vermehrt an den niedersächsischen Schulen an, bestätigt das Kultusministerium. Aktuell verteilen sich 180 ukrainische Schülerinnen und Schüler auf 37 verschiedene Schulen im Kreisgebiet. Das teilt die Osterholzer Kreisverwaltung auf Anfrage der Redaktion mit.

73 Kinder seien in einer Grundschule aufgenommen worden, weitere 107 Kinder und Jugendliche besuchen eine weiterführende Schule. Insgesamt seien 216 Personen aus der Ukraine ausländerrechtlich erfasst, die zwischen sechs und 18 Jahre alt sind, hinzu kommen weitere 100 Kinder unter sechs Jahren sowie 499 Erwachsene. Wer auf privatem Weg oder als Urlauber in den Landkreis gekommen ist, für den gilt die Schulpflicht nicht. Eine Meldepflicht beginnt nach 90 Tagen Aufenthalt.

Hilfe und Integration

"Von Seiten der Schulen wurden bislang keine größeren Herausforderungen an den Landkreis herangetragen", teilt Landkreis-Sprecher Sven Sonström mit. Umfangreiche Tipps und Infos für Geflüchtete und für Helfer finden sich auf den Internetseiten der Gemeinden und des Landkreises. Im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beginnen bei der Volkshochschule in Osterholz-Scharmbeck demnächst zwei Deutschkurse für Erwachsene. Die Verwaltungen prüfen, welcher darüber hinaus gehende Bedarf bestehen könnte, so Sonström.

Das Kultusministerium in Hannover hat einen umfangreichen Handlungsleitfaden zum Thema "Bildungsangebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine" erstellt. Der Kirchenkreis hat auf seinen Spendenkonten bei Sparkasse und Volksbank einen besonderen Verwendungszweck eingerichtet. Er trägt das buchhalterische Kürzel "6401-34851 Flüchtlingsmittel Ukraine". Info im Internet unter www.diakonisches-werk-ohz.de, Rubrik Aktuelles.

Zur Sache

Wöchentlich 30 bis 40 neue Flüchtlinge

Mehr als 100 Tage nach dem russischen Überfall kommen beständig neue Flüchtlinge im Landkreis Osterholz an. Wie Kreis-Kämmerer Florian Hinzelmann im Finanzausschuss mitteilte, träfen zurzeit 30 bis 40 Menschen pro Woche ein, Ende Februar/Anfang März seien es 180 bis 200 gewesen. Lebten am 23. Februar, am Vorabend des russischen Angriffs auf die Ukraine, 365 Flüchtlinge aus verschiedensten Ländern im Kreisgebiet, so seien es nun 1300, davon weit mehr als 800 aus der Ukraine.

Positiv aus Verwaltungssicht sei der Rechtskreiswechsel dieser Menschen, die bis Ende Mai Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen und die nun Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragen können. Diese Mittel, so Hinzelmann, könne der Landkreis monatlich mit dem Bund abrechnen, während die Behörde im Asylrecht Quartalspauschalen vom Land erhalte, die sich nach den Flüchtlingszahlen des jeweiligen Vorjahrs bemessen. "Wir werden daher nun vielleicht nicht so schnell eine außerplanmäßige Ausgabe tätigen müssen", blickte der Kämmerer voraus.

Praktisch alles steht und fällt mir der Frage, wie sich der Krieg in der Ukraine nun weiter entwickele, erklärte Hinzelmann. Für die kommunalen Sammelunterkünfte solle es eine Kostenerstattung in noch unbekannter Höhe geben, aber: "100 Prozent werden es wohl nicht sein."

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