Landkreis Osterholz. Die Dienstpläne für April hat Wolfgang Voßgröne zwar geschrieben, aber nicht an seine Kollegen vom Grasberger Bürgerbus verteilt. Auch der Mai ist geplant, ob Voßgröne diese Liste verschickt und dann tatsächlich wieder ehrenamtliche Fahrer hinter dem Lenkrad des Bürgerbusses sitzen werden, ist derzeit ungewiss. „Der Bürgerbus ist seit 16. März komplett eingestellt und wir wissen nicht, für wie lange“, sagt der zweite Vorsitzende des Vereins. Grasberg ist kein Einzelfall. „Die Bürgerbusse stehen alle“, so Voßgröne. Taxis, Überlandbusse und Straßenbahnen fahren hingegen weiterhin, aber auch dort macht sich die Coronavirus-Krise bemerkbar. Homeoffice, geschlossene Geschäfte, Kontaktsperren – all das sorgt dafür, dass zurzeit weniger Menschen unterwegs sind.
Der Lilienthaler Pendler Fabian Warnken fährt noch immer mit der Straßenbahnlinie 4 zur Arbeit nach Bremen. Sie sei leerer geworden, erzählt er, und auf den Pendlerparkplätzen am Falkenberger Kreisel und in Borgfeld gebe es wieder freie Plätze. Die Fahrgastzahlen haben sich tatsächlich verändert, so der Pressesprecher der BSAG, Jens-Christian Meyer. Tagsüber verzeichne die Straßenbahn AG weniger Fahrgäste als üblich und zunächst hatte das Unternehmen mit einem Sonderfahrplan darauf reagiert. Aber mit diesem habe sich gezeigt: „Im gesamten Netz war ein deutlich höheres Fahrgastaufkommen in der Hauptverkehrszeit zu verzeichnen, als wir es vermutet hatten.“ Genaue Zahlen lägen indes noch nicht vor. Wobei derzeit im gesamten BSAG-Netz gelte: „Die Wirtschaftlichkeit ist in ihrer Priorität deutlich nach hinten gegangen.“ Menschen zu bewegen und sie so gut, wie es gehe, beschützt zu befördern, sei jetzt die Hauptaufgabe. Meyer sagt: „Abgerechnet wird später.“
In den vergangenen Tagen hat die BSAG ihre Fahrgäste an verschiedenen Verkehrsknotenpunkten gezählt, so Meyer, und die Fahrerinnen und Fahrer meldeten, wie die Fahrzeuge tatsächlich besetzt seien. Aufgrund dessen habe die BSAG nunmehr zügig einen neuen Pandemie-Fahrplan eingeführt. Dieser gilt seit dem 25. März – „spürbar verbessert und vereinfacht“. Für Lilienthal bedeutet dies, dass die Straßenbahn zwischen 5 und 24 Uhr alle 20 Minuten fährt, außer sonnabends und sonntags, dann fahre die Bahn erst ab 9.30 Uhr im 20-Minuten-Takt, so Meyer.
Mit „sehr viel mehr Energie in der Spitze und weniger Energie in der Tagesfahrzeit“ will die BSAG mit dem neuen Fahrplan die Voraussetzungen für die derzeitigen Hygiene- und Abstandsvorgaben schaffen. Aber Meyer betont: „Die Umsetzung liegt in der Eigenverantwortung der Einzelnen.“ In den Straßenbahnen wurde im Zuge der Coronakrise „die Reinigung erheblich hochgefahren“, so Meyer. Verstärkt geputzt werde „alles, was händisch berührt werden kann“, also Griffe, Haltestangen, Armauflagen und die Oberflächen der Touchscreens. Doch das halte nicht ewig, und da sei der Fahrgast gefragt, mitzuarbeiten und die Hygienemaßnahmen einzuhalten. Fahrerreserven sind ein weiterer Baustein, um die Menschen auch in einer Krise möglichst langfristig befördern zu können.

Sehr viel Freizeit haben derzeit Wolfgang Voßgröne und seine ehrenamtlichen Kollegen vom Bürgerbus Grasberg. Alle Bürgerbusse im Lande habe ihre Fahrten eingestellt.
Weniger Fahrgäste in Bus und Bahn
Einen spürbaren Fahrgastrückgang bestätigt auch Eckhard Spliethoff als Sprecher des Verkehrsverbunds Bremen-Niedersachsen, der auf rund 600 Linien für Mobilität in Bremen, Bremerhaven, Delmenhorst und Oldenburg sowie den Landkreise Ammerland, Diepholz, Oldenburg, Osterholz, Verden, Wesermarsch und in den Landkreisen Cuxhaven und Rotenburg sorgt. Und auch die stellvertretende EVB-Sprecherin Lena Hancken bestätigt auf Nachfrage: In den Bussen der EVB (Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser) sitzen in den Hauptlinien weniger Fahrgäste. Zahlenmäßig lasse sich der Rückgang „aktuell nicht mit Sicherheit bewerten“, in den Bussen der Linien 630 und 670 seien es „weniger, aber nicht merklich“ weniger Fahrgäste, nur die Zahl der beförderten Schüler sei auf Null gegangen.
Mit dem Ferienfahrplan erfülle die EVB als Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs seit 19. März ihre Verpflichtung, zumindest die Grundverbindungen zu halten und darüber hinaus die Fahrgäste zur Arbeit, zur Notbetreuung oder zum Arzt zu bringen.
In Sachen Sicherheit heißt es seitens der EVB: Die Fahrzeuge würden außen wie innen wenigstens wöchentlich gereinigt. Mangels Desinfektionsmittel und weil dies zudem die Materialien angreife, kämen handelsübliche Reinigungsmittel zum Einsatz. Um die Fahrerinnen und Fahrer zu schützen, ist der „Einstieg vorn“ ausgesetzt und in allen Bussen sind Absperrungen hinter der ersten Sitzreihe angebracht, die den direkten Kontakt zu den Fahrgästen verhindern sollen. Der Ticketverkauf finde ausschließlich über den Vorverkauf statt, die gewohnten Bestimmungen zur Fahrt mit einem gültigen Fahrausweis gelten indes weiter. „Das Fahrpersonal hat zudem Desinfektionstücher an Bord“, so Hancken. Und aktuell werde in Apotheken für das Unternehmen hergestelltes Desinfektionsmittel ausgeliefert.
„Desinfektionsmittel hätten wir gerne rein gelegt, wir haben aber keines bekommen“, sagt Jutta Kirsch von der Carsharing-Firma Cambio Stadt-Auto Bremen. „Wir empfehlen, neuralgische Stellen wie Schlüssel, Lenkrad und Schalthebel selbst zu desinfizieren.“ Doch auch bei den geteilten Autos ist in Bremen und an der Station an der Moorhauser Landstraße in Lilienthal sowie in Borgfeld seit der vergangenen Woche die Nachfrage „deutlich eingebrochen“. Abgesagte Dienstreisen, stornierte Urlaubsfahrten und weggefallene Freizeitziele wirken sich auch auf die Nachfrage aus, in Zahlen will Kirsch dies aber nicht beziffern.
Kurzarbeit in der Taxibranche
Auch die Taxi-Unternehmen kommen in Zeiten des Coronavirus an ihre Grenzen. Der Wegfall des Individualverkehrs setzt den Firmen heftig zu. Der Worpsweder Fahrdienst beispielsweise basiert auf drei Säulen, so Inhaber Mathias Heinemann. Zwei davon seien jetzt weggebrochen: Schülerfahrten und Taxifahrten wie zum Flughafen, nach Feiern oder im touristischen Bereich. Lediglich unaufschiebbare Krankenfahrten sind noch geblieben für Menschen, die zu Behandlungen wie Dialyse, Bestrahlung oder Chemotherapie müssen.
Zwischen 17 und 18 Uhr ist das Tagesgeschäft in Heinemanns Firma vorbei. Waren vor der Krise sechs Fahrzeuge und bis zu 17 Mitarbeiter pro Woche beim Worpsweder Fahrdienst im Einsatz, hat Heinemann nun bereits die auf 450-Euro-Basis beschäftigten Aushilfen komplett nach Hause geschickt. Momentan seien zwar die sieben festangestellten Mitarbeiter alle beschäftigt, aber das werde immer schwieriger. Heinemann sagt: „Ich gehe davon aus, dass ich ab 1. April Kurzarbeit anmelden muss und mit halber Mannschaft weitermache.“
Ähnlich sieht es bei Thorsten Schaffert in Grasberg aus. „Die Nachfrage ist sehr stark gesunken, das Geschäft ist enorm eingebrochen und der Bus-Reiseverkehr in Gänze“, erzählt der Taxi- und Reiseunternehmer. 14 Busse stehen abgemeldet auf dem Betriebshof, Nummer 15 ist bestellt und zur Auslieferung bereit. Der Lieferant sei so kulant und habe noch keine Rechnung geschickt. Für April sei der Reiseverkehr komplett storniert und jetzt beginne das Stornieren für Mai, bis zu den Sommerferien entfallen außerdem sämtliche schulischen Veranstaltungen wie Klassenfahrten. Schaffert sagt: „Was die Tourismusbranche anlangt, sieht es noch schlechter aus als beim Taxi.“
Schaffert beschäftigt rund 80 Mitarbeiter, ein Großteil sei in Kurzarbeit. Statt wie bisher ältere Menschen zum Café zu fahren oder zum Arzt, wolle er sich nun auf ein Sammelangebot für Einkäufe fokussieren und diese zu einem Festpreis zu den Kunden bringen. Beim Schutz von Fahrgästen und Fahrer will Schaffert „auf der sicheren Seite“ fahren. Er warte auf eine Lieferung Plexiglasscheiben, die Fahrer und Fahrgastbereich trennen sollen.
Weitere Infektionsfälle gemeldet
Am Mittwoch wurden dem Gesundheitsamt des Landkreises Osterholz drei weitere Infektionsfälle gemeldet. Die Personen wohnen in der Gemeinde Ritterhude, der Stadt Osterholz-Scharmbeck und der Samtgemeinde Hambergen. Sie befinden sich in häuslicher Quarantäne. Die Anzahl der bestätigten Fälle beläuft sich damit auf 32, teilt die Kreisverwaltung mit. Im Landkreis Rotenburg gibt es nach offiziellen Angaben zwei neue Corona-Fälle, bisher wurden insgesamt 38 Fälle gezählt, drei dieser Personen sind mittlerweile wieder genesen.