Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Radwegserie "Abgefahren" Einzigartige Natur und Ruhe im Teufelsmoor

In der Region Teufelsmoor gibt es weite Landschaften, seltene Pflanzen und Tiere – und viel Geschichte. Bei einer Radtour erfährt man einiges über den Torfabbau und über eine einzigartige Kulturlandschaft.
22.06.2024, 09:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Einzigartige Natur und Ruhe im Teufelsmoor
Von Antje Stürmann

"Weite und Moor" – wer sich nicht auskennt, der legt die Messlatte bei diesem Titel unten an. Doch weit gefehlt. Der Teufel erwartet einen, es gibt Pflanzen und Tiere, die man sonst selten findet. Wie Menschen auf die Idee kommen, einer von Natur aus moorigen Landschaft das Wasser zu entziehen, um danach in schwerster Arbeit Soden aus abgestorbenen Pflanzen abzustechen, ist am Ende kein Rätsel mehr.

Teufel als Maskottchen

Zugegeben, es ist nicht der Teufel persönlich, der einen zu Beginn dieser Radtour auf dem Parkplatz Fleitenkiel erwartet. Der lächelnde Luzifer ist aus Holz für die Ortschaft Teufelsmoor eine Art Maskottchen. Er steht am Startpunkt der fast 50 Kilometer langen Runde, die ungeübten Radfahrern einiges abverlangt, sie aber auch reich belohnt.

Zunächst will ich wissen: Wo bin ich hier? "Teufelsmoor ist 1335 erstmals urkundlich erwähnt worden und eines der ältesten Dörfer in der Region Teufelsmoor", sagt Gästeführerin Agnes Lenz. Die 66-Jährige führt durch eine kleine, aber sehr empfehlenswerte Ausstellung im Museum "Kleines Haus im Moor". Die Region, ist dort zu lesen, besteht aus regenwassergespeistem Hochmoor, grundwassergenährtem Niedermoor und dem Überschwemmungsgebiet der Hamme. Agnes Lenz vom Verein "Dorf Teufelsmoor" erklärt Touristen außerdem, was es mit dem Torfabbau auf sich hat.

"Auf den 20 Ursprungshöfen des Ortes war es Jahrhunderte üblich, mit Torf zu heizen und ihn als Stalleinstreu zu nutzen." Drei bis vier Kubikmeter brauchte ein Hof im Jahr. Zum Vergleich: Hochmoor wächst pro Jahr einen Millimeter. Wie mühselig das Abstechen der Soden war, zeigt der Verein Dorf Teufelsmoor in einer Freiluftausstellung "Bäuerlicher Torfabstich" hinter dem Kleinen Haus im Moor, das der Stadt Osterholz-Scharmbeck gehört.

Seltene Pflanzen entdecken

Betankt mit Wissen geht es auf die Strecke und damit in die Natur. Die Einheimischen bezeichnen das Teufelsmoor als "alte Kulturlandschaft aus Nieder- und Hochmoor mit ländlicher Tradition und viel Ruhe". An den Wegrändern blühen gelbe Hahnenfußgewächse, Sumpf-Ziest und pinkfarbene Lichtnelken. In der Region Teufelsmoor stehen viele Flächen unter Naturschutz. Moor bekommen Radtouristen deshalb nur zu Gesicht, wenn sie absteigen und ihre Route verlassen. Es gibt eine Vielzahl seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Uferschnepfe, Wachtelkönig, Kreuzotter; Sumpfdotterblume, Lungenenzian und Sonnentau – wer Glück hat, entdeckt eine dieser Raritäten.

Über lange Strecken sind nur Wiesen, Kühe und Himmel zu sehen. Es ist wie Meditieren in Bildern. Isabelle Wöhrle aus Bülstedt, die wir später im Gasthaus treffen, wird es so zusammenfassen: "Weite, Wasser, Himmel; besonders schöne Stimmungsbilder und die Wolken. Eine wahnsinnig schöne Stille – es lohnt sich sehr, hier unterwegs zu sein." Sie empfiehlt: "Unbedingt eine Torfkahntour machen."

Abstecher zur Schleuse

Unterwegs gibt es viele Möglichkeiten für Abstecher, von der Heidelbeerfarm über den Flugplatz Hüttenbusch bis zum Geschichtspfad. Einen Stopp legen wir an der kleinen, historischen Hamme-Schleuse Viehspecken ein, die Bootsfahrer noch per Hand bedienen. Menschliche Behausungen sind erst wieder nach einigen Kilometern in einer Laubenkolonie zu entdecken. Neugierige empfängt dort ein Stillleben aus Gartencloqs, einem halbvollen Glas Bier und einem Schild "Naherholungsgebiet".

Lesen Sie auch

Es ist vor allem die Geschichte des Torfabbaus, die uns begleitet. Überall sind Relikte zu finden. Eine verrostete Torf-Lok hier, eine Sodenpresse da. Bei Gastwirtin Erika Dierks vom Landgasthaus in Vollersode ist es ein Korb mit alten Torfsoden. Sie hat ein Auge drauf, die braunen Stücke sind bei Souvenirjägern beliebt, sagt sie. "Bei schönem Wetter haben wir hier viele Radtouristen", erzählt die Wirtin. Viele tourten "um die Dörfer", andere fahren vom Teufelsmoor bis an die Nordsee. Nebenan auf der Hamme steuert in diesem Moment ein Torfkahn vorbei. Skipper Hartmut Schmidtke, der für den Verein Findorffs Erben vom Kollbecksmoor fährt, bespaßt die Männer und Frauen von der "Bornreiher Laienspeel". Pro Saison lassen sich von seinem Verein bis zu 2000 Menschen per Torfkahn in die Vergangenheit entführen.

Eine kleine Sensation gibt es in Giehlersmoor zu bestaunen: eine sogenannte Klappstauvorrichtung. Die Dorfgemeinschaft hat sie nach alten Plänen nachgebaut. Selbst schwer beladene Torfkähne (im Jahr 1870 fuhren rund 15.000) konnten über diese Dielenvorrichtung mit seitlichen Klapptüren mühelos und ohne menschliches Eingreifen Höhenunterschiede in den Kanälen überwinden. Mehr als 1000 Klappstauvorrichtungen gab es im Teufelsmoor einst, weltweit gelten sie als einzigartig.

Zur Belohnung Erdbeertorte

Ein Muss ist nach drei Stunden reiner Fahrzeit die Erdbeertorte im Wirtshaus "Zur Kreuzkuhle", die historische Zollstelle am Oste-Hamme-Kanal. In der Gaststube hängen alte Fotografien, sie zeigen unter anderem den Vater von Seniorwirt Heino Lütjens, einen Torfkahnschiffer. Sein Urgroßvater habe für das Hafenamt in Bremervörde den Zollgroschen kassiert, erzählt der 73-Jährige. Heino Lütjen war einer der ersten touristischen Torfkahnschiffer im Teufelsmoor. Tochter Christin, die fünfte Generation, hat in der Gastwirtschaft gerade das Ruder übernommen.

Am Ziel lesen wir auf einer der Infotafeln: 1950 war Schluss mit dem großflächigen Torfabbau. Die Kohle ersetzte den Torf, die Eisenbahn und der Wegebau brachte die gewerbliche Torfschifffahrt zum Erliegen. Um das Moor und die Hammeniederung als Lebensräume zu erhalten, investieren der Bund, das Land und die Landkreise seit Jahrzehnten zig Millionen Euro in deren Schutz.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)