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Klagewelle gegen Gasanbieter EWE bietet Gaskunden Rückzahlung an

Worpswede·Grasberg·Tarmstedt. Der Bundesgerichtshof hat die Preisanpassungsklauseln der EWE AG seit April 2007 für unwirksam erklärt. Nun bietet der Energieversorger den Kunden Rückzahlungen an, die mehrere hundert Euro ausmachen können. Das Angebot
10.12.2011, 05:00 Uhr
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Von Michael Wilke

Worpswede·Grasberg·Tarmstedt. Die EWE AG will nach Klagen tausender Kunden gegen die Gaspreiserhöhungen ab 2004 einen Schlussstrich unter jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen ziehen. Im Juli 2010 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Preisanpassungsklauseln des Konzerns seit dem 1. April 2007 für unwirksam erklärt. Nun bietet der Energieversorger den Kunden Rückzahlungen an, die mehrere hundert Euro ausmachen können. Das Angebot ist befristet - bis zum 31. Dezember. Viele Bürger wissen noch nichts davon. In Worpswede und anderswo verbreitet sich die Nachricht durch Mund-Propaganda.

"Du musst selber aktiv werden, um dein Geld zurückzubekommen", sagt eine Worpswederin, die namentlich nicht genannt werden will. Sie hat es von ihren Schwiegereltern gehört, und die haben es von einer Reinigungskraft erfahren. So verbreitet sich die Kunde durch Hören-Sagen. In Cloppenburg hörte eine Seniorin auf dem Wochenmarkt von der Rückerstattung. Sie bat ihre Tochter, ins Internet zu gucken. Die tat es und fand die Informationen auf Anhieb. Wer bei Google oder einer anderen Suchmaschine im weltweiten Computernetz das Kürzel EWE eingibt, stößt gleich auf das Stichwort "Rückzahlungsangebot". Dort liest der Erdgas-Kunde: "Um Ihr individuelles Rückzahlungsangebot erstellen und zuschicken zu können, benötigen wir Ihre Unterstützung." Die Kundschaft wird gebeten, "das unten stehende Kontaktformular" auszufüllen und elektronisch abzuschicken.

Alternativ könnten Bürger ihre Kundennummer und Adresse auch in EWE-Service-Punkten und Kunden-Centern hinterlassen, erklärt der fünftgrößte deutsche Energieversorger, der mehr als 600000 Haushalte mit Gas beliefert. Erst auf Anforderung schickt die EWE AG ihren Kunden eine Berechnung des Rückzahlungsbetrages und eine "Vergleichsvereinbarung" zu. Darin verpflichtet sich der Oldenburger Energieversorger, den berechneten Betrag "zur Abgeltung aller Rückforderungsansprüche" zu überweisen. Im Gegenzug verzichtet der Kunde mit seiner Unterschrift auf alle weiteren Ansprüche.

Die EWE AG hat ihren Gaskunden schon einmal Geld zurückgezahlt. Wenige Monate nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs im Juli 2010 schaltete der Konzern den früheren Bremer Bürgermeister Henning Scherf als Vermittler ein. Die meisten EWE-Kunden gingen im Herbst 2010 auf Scherfs Kompromissvorschlag ein, doch der Rechtsstreit ging weiter. Die EWE hatte es mit mehreren tausend Klagen auf volle Rückzahlung der strittigen Beträge zu tun.

Darauf hat das Unternehmen reagiert. Christian Blömer, Pressesprecher der Energie AG unter dem Dach des Konzerns, lässt die Kritik an der Informationspolitik nicht gelten. "Wir haben unsere Kunden aktiv informiert", sagt er. Zwar habe es kein "personalisiertes Anschreiben" an alle Betroffenen gegeben. Doch habe das Unternehmen die Kunden schon Ende Mai/Anfang Juni umfassend informiert - per Infobrief. Den Newsletter verschickt der Energieversorger alle drei Monate an die über 600000 Haushalte. "Darin haben wir explizit darauf hingewiesen, dass wir den Kunden ein umfangreiches Rückzahlungsangebot machen, und das Verfahren erläutert", betont der EWE-Sprecher. Außerdem würden die Kunden im Internet detailliert und umfassend aufgeklärt. Drittens habe EWE das Rückzahlungsangebot über die Medien publik gemacht; Zeitungen und Rundfunk hätten ausführlich darüber berichtet.

350000 Kunden nutzen Angebot

Warum hat der Energieversorger sein Angebot nicht per Brief an alle Kunden geschickt? "Damit erreichen Sie auch nie 100 Prozent", sagt Blömer. "Wir sind der Meinung, dass wir umfassend informiert haben, und das in völliger Transparenz", betont der EWE-Sprecher. Das Angebot sei schon "massenhaft von Kunden genutzt worden". Bisher haben das nach Blömers Worten zirka 350000 Gaskunden geschafft. Wer noch nichts getan hat, muss sich sputen. Knapp drei Wochen bleiben bis zum 31. Dezember, wenn man die Feiertage berücksichtigt. Neben Worpswede, Grasberg und Tarmstedt beliefert der Oldenburger Energieversorger auch Hambergen und Schwanewede mit Gas.

Die Lilienthaler betrifft das EWE-Angebot ebenso wenig wie die Ritterhuder und Osterholz-Scharmbecker. Sie beziehen das Erdgas für die Heizung von den Osterholzer Stadtwerken. "Wir verfolgen das aus der Ferne mit", sagt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Möller. "Das betrifft nur die EWE, die zu den großen Regionalversorgern gehört. Wir haben mit dieser Sache keine Probleme." Zwar ist die Bremer SWB, ein Tochterunternehmen der EWE, mit etwa 25 Prozent an den Osterholzer Stadtwerken beteiligt. "Aber alle Versorger, SWB, EWE und Stadtwerke, haben eigene Verträge und andere Regeln", erklärt der Pressesprecher der Osterholzer Stadtwerke.

Wie der Oldenburger Gaslieferant sieht sich auch der Bremer Energieversorger mit einer Prozesswelle konfrontiert. Nach dem BGH-Urteil haben Verbraucherschutzorganisationen die SWB aufgefordert, dem Beispiel der EWE zu folgen. Das lehnt das aus den Bremer Stadtwerken hervorgegangene Unternehmen bisher kategorisch ab.

Auch in Lilienthal und Ritterhude gab es Proteste gegen die massiven Gaspreiserhöhungen ab 2004. In Lilienthal bildete sich eine Bürgerinitiative, die gegen Strom- und Gaspreiserhöhungen vor Gericht zog und die Bürger aufforderte, den Energieversorger zu wechseln, um die damals noch selbstständigen Gemeindewerke Lilienthal/Ritterhude unter Druck zu setzen. Am Ende erzielten die Gemeindewerke und die Gaspreisrebellen nach intensiven Gesprächen einen Kompromiss. Der kommunale Versorger bot einen um 0,23 Cent pro Kilowattstunde niedrigeren Tarif an, kombiniert mit einem einmaligen Bonus von 59,50 Euro. Außerdem senkte er 2007 mehrmals die Tarife. Die Gaspreisrebellen zogen ihre Klage vor dem Oberlandesgericht Celle zurück.

"Hier auf dem Land ist es üblich, dass man sich zusammensetzt und gemeinsam eine einvernehmliche Lösung sucht", kommentiert Möller. Durch die Fusion mit den Stadtwerken seien die Tarife in Lilienthal und Ritterhude noch günstiger geworden.

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