Landkreis Osterholz. Ob es die langen Wartezeiten bei der Badsanierung sind oder ein eingeschränkter Busfahrplan - an vielen Ecken macht sich auch vor Ort der Fachkräftemangel bemerkbar. Bundesweit fehlt qualifiziertes Personal, und das liegt vor allem am demografischen Wandel. Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Dieser Trend zeigt sich auch im Landkreis Osterholz.
"Im Grunde zieht sich der Fachkräftemangel durch alle Gewerbe", sagt Pressesprecherin Sandra Jutsch von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade (HWK), die auch für den Landkreis Osterholz zuständig ist. Besonders betroffen seien dabei die Bereiche Elektro, Fleischerhandwerk oder Sanitär-Heizung-Klima.
Auch in vielen Berufen, die unter dem Dach der Industrie- und Handelskammer Stade (IHK) vereinigt sind, fehlt qualifiziertes Personal: "Gerade Berufe, die in den Handwerksbereich gehen, sind besonders betroffen – zum Beispiel Berufskraftfahrer oder Anlagenmechatroniker", sagt Henrik Gerken, bei der IHK Stade für die Statistik zuständig.
Anforderungen wachsen
Die meisten Ausbildungen könnten mit einem Hauptschulabschluss begonnen werden, dennoch wachsen die Ansprüche an die Berufe, da die Aufgabenfelder zunehmend komplexer würden, wie Jörg Nowag von der Bremer Agentur für Arbeit mitteilt: "Der Schornsteinfeger steht nicht mehr mit dem Besen auf dem Dach, der misst nun Werte mit dem Laptop, ebenso wie der Kfz-Mechaniker, der jetzt EDV-Kenntnisse braucht."
Diese Entwicklung kann Sandra Jutsch nur unterstreichen. Sie weist darauf hin, dass manche Berufszweige die zunehmende Technisierung auffangen müssten, was aber dazu führe, dass später Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zusammenpassen würden. Manchmal seien es die Rahmenbedingungen, die abschreckten, andere wiederum erfüllten nicht die Ansprüche und Voraussetzungen.
Dies sei nicht nur eine Herausforderung für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Unternehmen – für knapp 50 Prozent der IHK-Betriebe im ganzen Elbe-Weser-Raum stellt der Fachkräftemangel das Risiko dar, das am höchsten eingestuft wird.
Der Schulabschluss spiele hingegen keine große Rolle, wie die Handwerkskammer-Sprecherin sagt. In den unterschiedlichen Branchen sind ihr zufolge Haupt- und Realschüler stark vertreten. Viel wichtiger als der Abschluss sei aber, dass die Bewerber zum Betrieb passen, weshalb sie jungen Menschen ein Praktikum empfiehlt. Dadurch würden sich sowohl authentische Einblicke in das Berufsfeld als auch in das jeweilige Unternehmen ergeben.
Kein regionales Problem
Laut einer Veröffentlichung des Instituts der deutschen Wirtschaft im August sind besonders soziale Berufe wie Kinderbetreuung oder Kranken- und Altenpflege vom Fachkräftemangel betroffen. Hinzu kommen handwerklich-technische Berufe wie Fachkraft für Kfz, für Bauelektrik, für Sanitär-Heizung-Klima oder Berufskraftfahrer.
Jörg Nowag zufolge werden zwar auch Studienberufe wie Informatiker, Ingenieur oder Mediziner gesucht, die absolute Zahl dieser Plätze sei aber deutlich geringer als die der unbesetzten Ausbildungsberufe. Einer der beliebtesten Ausbildungsberufe sei weiterhin der der Kfz-Fachkraft, und dennoch würde in dem Bereich Fachkräftemangel herrschen – es kämen nun mal nicht so viele Menschen nach, wie benötigt werden.
Dabei sind es deutschlandweit fast dieselben Berufe, die unter die Kategorie Fachkräftemangel fallen. Natürlich gäbe es Berufe wie Hufschmied, Edelstahlschleifer oder Porzellanmaler, die regionalisiert wurden und an bestimmten Orten ausgeübt werden – "das Problem sind aber die Querschnittsberufe", sagt Jörg Nowag von der Agentur für Arbeit. Ursächlich für den Mangel sei die demografische Entwicklung in Deutschland, sodass er warnt: "In den nächsten zehn Jahren erleben wir erhebliche Renteneintrittzahlen." Diese seien nicht ohne Weiteres aufzufangen.
In kleinen Schritten
Henrik Gerken von der Industrie- und Handelskammer sagt: "Im Bereich der Berufsorientierung sind wir aktiv. Mit Ausbildungsbotschaftern, aber auch Live-Gesprächen auf Instagram möchten wir Unternehmen und Berufe vorstellen." Ausbildungsbotschafter sind Auszubildende, die Schülerinnen und Schülern ihren Beruf, ihr Unternehmen und ihre Erfahrungen näher bringen.
"Wir haben bei uns extra Abteilungen mit Ausbildungsberatern, die Auszubildenden oder Interessierten die für sie passenden Betriebe anbieten", sagt Sandra Jutsch von der HWK. Obwohl es in einigen Branchen Anreize wie Einstellungsprämien gebe und sich die tariflichen Bedingungen verbessert hätten, sei es nicht immer das Geld. Unternehmen könnten über die Arbeitszeitgestaltung und die Familienfreundlichkeit positiv auf sich aufmerksam machen.
Jörg Nowag rät Ausbildungssuchenden zudem, sich nicht auf den eigenen Wohnort zu beschränken, da die spezifische Angebotslage vor Ort keinen Aufschluss über die generelle Situation in dem Beruf zulasse. Wenn es gar nicht möglich ist, während der Ausbildung beispielsweise bei den Eltern zu wohnen, gebe es die Möglichkeit der Wohnunterstützung. Das aktuelle Passungsproblem - also dass Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben und Suchende keine Ausbildung finden - sei nicht zu verhindern, da die Parteien individuell nicht zusammenpassten. Eine gewisse Arbeitslosigkeit werde es immer geben, die spiegelt sich auch in den Ausbildungsplätzen wider.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz schlägt vor, mehr Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte einzubeziehen, in denen das größte Potenzial läge. Dem schließt sich Jörg Nowag an: "Ohne Zuwanderung ist der Fachkräftemangel nicht zu lösen."