Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Interview mit Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß Frei von Ballast

Im Interview spricht Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß unter anderem über ihr aktuelles Album. Dass „Leichtes Gepäck“ eine schwere Geburt gewesen ist, bestätigt Kloß: "Der Druck steigt", so die 31-Jährige.
24.12.2015, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Lars Fischer

Im Interview spricht Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß unter anderem über ihr aktuelles Album. Dass „Leichtes Gepäck“ eine schwere Geburt gewesen ist, bestätigt Kloß: "Der Druck steigt", so die 31-Jährige.

Ihr aktuelles Album „Leichtes Gepäck“ soll dem Vernehmen nach eher eine schwere Geburt gewesen sein. Stimmt das?

Stefanie Kloß: Ja, das kann man so sagen. Dass man als Band zehn Jahre unterwegs ist, dazu noch ungewöhnlich erfolgreich, ist ja alles andere als selbstverständlich. Wir sind da eher so reingeschlittert: Junge Band aus kleiner Stadt macht ihre erste Platte und hat gleich großen Erfolg damit. Das war schon sehr überraschend, und dann macht man einfach so weiter, bringt das zweite, dritte und vierte Album heraus. Das ist wie ein D-Zug: Mit jedem Erfolg hatten wir ja auch tolle Erlebnisse und schöne Zeiten, aber irgendwann merkt man, dass sich da auch eine ganze Menge angehäuft hat, das einem mehr und mehr die Leichtigkeit nimmt. Der Druck von außen steigt, und wir haben auch mit jedem Album mehr von uns erwartet.

Wann ist Ihnen das klar geworden?

Schon beim Album davor, „Himmel auf“, haben wir das gemerkt. Wir konnten uns einfach nicht mehr so kreativ verwirklichen, dass es uns glücklich gemacht hätte. Das war der Punkt, an dem uns klar wurde: Da muss sich wieder etwas ändern.

Wie justiert man so ein Bandgefüge dann wieder neu?

Das mussten wir in der Tat auch erstmal selbst rausfinden. Der erste Punkt ist, für sich einzusehen, dass etwas nicht mehr stimmt. Das zu äußern ist schwierig, fast wie in einer langen Beziehung. Es schleichen sich Gewohnheiten ein, und man will sich eigentlich gar nicht eingestehen, dass etwas nicht mehr im Gleichgewicht ist. Aber als das erstmal raus war, haben wir schnell gesehen, dass es jedem von uns vieren so ging. Keiner hatte mehr so viel Spaß wie früher. Die einzige Einsicht, die wir zu dieser Zeit hatten, war: So machen wir auf gar keinen Fall noch eine Platte! Die Frage war dann: Lassen wir das komplett und hören auf oder setzen wir uns hin, investieren die Zeit, um genau zu gucken, was uns denn so beschwert hat, und trennen uns davon – auch wenn das teilweise sehr schwer fällt.

Zum Glück haben Sie sich für Letzteres entschieden.

Ja, wir haben zusammen reflektiert, wie jeder von uns diese zehn Jahre für sich erlebt hat. Man sieht sich ja nach einiger Zeit selber immer nur in der Gruppe. Wir mussten jedem einzelnen von uns wieder mehr Zeit und Raum geben. Das hatten wir einfach zu lange verpasst. So haben wir Stück für Stück herausgefunden, wo wir eigentlich hin wollen und haben das gemeinsam wieder neu definiert. Das war ein sehr gesunder Schritt, und jetzt fühlt sich vieles auch wieder viel leichter an.

Das beschreibt der Titelsong des Albums ziemlich klar, wenn es heißt: „Du nimmst all den Ballast und schmeißt ihn weg, denn es reist sich besser mit leichtem Gepäck.“

Das ist wie ein roter Faden auf dieser Platte: sich auf das Wesentliche konzentrieren. Keine Energie daran zu verlieren, unwichtige Sachen mit sich rumzuschleppen. Dafür muss man sich aber erstmal darüber klar werden, was nun entscheidend ist und was nicht.

Hat sich damit auch der Arbeitsprozess an dem Album verändert?

Wir haben gesagt: Wir schreiben nicht einfach los und machen Musik, sondern lass’ uns erstmal hinsetzen und unterhalten. Ich will mal wissen, was ist den anderen wichtig in ihren Leben, was bewegt sie, was macht sie traurig? Wenn man ständig zusammen unterwegs ist, versäumt man leicht, tiefgründiger zu werden. Man verlernt, richtig hinzuhören und genau hinzugucken. Das war ein sehr schöner Prozess, und danach war die Wand in unserem Studio voller Zettel, wo Themen von allen draufstanden. Eine Gemeinsamkeit war, dass jedem von uns die Band wichtig war. Wir Vier – darauf wollten wir uns wieder konzentrieren und fixieren. Alles andere drumherum ist nicht so entscheidend. Wir sind die Basis.

Kann man sagen, dass diese CD dadurch auch die bisher persönlichste Silbermond-Platte geworden ist?

Wenn man sich mal ältere Interviews wieder anguckt, dann haben wir das bestimmt früher auch schon mal behauptet. Man will das ja immer in dem Moment, in dem man etwas veröffentlicht, glauben. Diesmal ist es anders, weil die Herangehensweise anders war. Wir haben sonst nie den Text vor der Musik gehabt. Auf jeden Fall guckt diese Platte auch dorthin, wo es wehtut: Sich selber einzugestehen, dass man unterwegs auch mal den Mut verloren hat. Es ist auch die Bilanz der vergangenen zehn Silbermond-Jahre.

Spielt die Rückbesinnung darauf, wo man eigentlich herkommt – wie in dem Song „B 96“ – eine große Rolle dabei?

Das Thema Zuhause ist natürlich wichtig in einer Band, allein schon dadurch, dass man eben so viel unterwegs ist und selten daheim. Familie bekommt da noch mal einen anderen Stellenwert. Ich lebe heute in Berlin, aber ich bin in einem kleinen Dorf bei Bautzen, eben direkt an der B 96, aufgewachsen. Meine Familie lebt da noch immer. Ich habe sehr früh meinen Vater verloren, und meine Kindheit war irgendwie recht kantig. Da musste man früher erwachsen werden als man wollte. Aber heute ist es gut zu sehen, dass an Stellen, wo früher traurige Sachen passierten, wieder neues Glück wächst. Dass meine Schwester dort ihre Familie gründet – das hat mich bewegt, und davon habe ich den Jungs erzählt. Und es ist schön zu wissen, dass es bei ihnen gut aufgehoben ist. Ich musste mich dafür weit öffnen, aber ich habe die Sicherheit, nicht verletzt zu werden.

Zurück zu den Wurzeln geht es ja auch, wenn eine Band wie Silbermond wieder in so kleinen Clubs auftritt, wie beim Konzert am 26. Februar in der Worpsweder Music Hall, das schon nach wenigen Minuten ausverkauft war. Am 3. Juni gibt es noch eine Show im Bremer Pier 2. Was erwarten Sie von Auftritten in kleineren Läden?

So etwas haben wir immer mal wieder gemacht, manchmal unter anderem Namen als Geheimkonzert oder so wie jetzt, um uns nach längerer Pause wieder ein bisschen warmzuspielen. Da ist so ein kleiner Club wie in Worpswede einfach optimal. Letztendlich geht es für uns darum, herauszufinden, was die neuen Songs an sich machen, wenn wir sie die ersten Male live spielen. Da brauche ich keine große Leinwand und keinen Schnickschnack mit Konfetti hier und Konfetti da, obwohl ich total auf Konfetti stehe. Aber es geht erstmal um die Songs, und das geht eben nur in kleinen Clubs: Es gibt die Band und die Lieder und das Publikum natürlich. Mehr nicht.

Sie sind Jurorin bei „The Voice Of Germany“. Hat dieses Engagement Einfluss auf die Wahrnehmung der Band?

Ich glaube, diejenigen, die uns seit vielen Jahren kennen, wissen, dass wir eine Band sind. Aber wir achten immer darauf, dass wir auch als Band wahrgenommen werden, und eben nicht der Eindruck entsteht, dass ich alles alleine machen würde. Durch „The Voice Of Germany“ haben schon noch mal neue Leute Silbermond für sich entdeckt. Geändert hat sich die Wahrnehmung dadurch nicht, aber es ist ein neuer Zugang entstanden.

Nehmen Sie umgekehrt aus der Sendung etwas mit, das sich wiederum bei Silbermond niederschlägt?

Auf jeden Fall. Mit was für einer Selbstverständlichkeit da manchmal ganz junge Leute auf die Bühne gehen – ohne Angst, sicher mit ein bisschen Naivität, aber ohne die ganzen Gedanken, die wir uns immer so machen – das beeindruckt mich schon mächtig. Und es erinnert mich daran, wie wir mit 19 waren. Das hilft mir, mir immer wieder selbst klarzumachen: Egal, wie groß man als Band ist, es geht nur um die Musik.

---

Das Gespräch führte Lars Fischer.

Zur Person: Stefanie Kloß, geboren am 31. Oktober 1984, gründete 2002 in ihrer Heimatstadt Bautzen mit Schlagzeuger Andreas Nowak und den beiden Brüdern Johannes (Bass) und Thomas Stolle (Gitarre) die Band Silbermond. Ihr Debütalbum „Verschwende deine Zeit“ erschien zwei Jahre später und erreichte ebenso wie die Nachfolger „Laut gedacht“ (2006) und „Nichts passiert“ (2009) Platin-Status. Nach dem Album „Himmel auf“ (2012) erschien in diesem Jahr die fünfte CD „Leichtes Gepäck“, die zum größten Teil in Nashville aufgenommen wurde. Insgesamt hat die Band über fünf Millionen Platten verkauft. Sängerin Stefanie Kloß ist zudem Jurorin bei „The Voice Of Germany“.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)