Lilienthal. Wer den Weg zur Freilichtbühne im Lilienthaler Ortsteil Frankenburg hinauf geht, wird freundlich daran erinnert, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist: Tickets nur im Vorverkauf oder online. Maskenpflicht bis zum Sitz. Eineinhalb Meter Abstand. Erst auf dem vierten Schild dann das erlösende „Willkommen“. Tatsächlich hatte die Freilichtbühne die Theater-Saison 2020 wegen Corona schon abgeschrieben. Die Lockerungen haben das Lilienthaler Ensemble dann doch ermutigt, zumindest ein Ersatzstück auf die Bühne zu bringen. Die Proben für „Die Winterrose“ sind in vollem Gange.
Normalerweise herrscht um diese Zeit reges Treiben auf der Höge, wie der grüne Hügel, auf dem das Zuhause des Amateurtheaters ist, genannt wird. Doch normal ist im Corona-Jahr nichts. So sind denn auch nur eine Handvoll Theaterleute hinter den Kulissen anzutreffen. Elke Ohlrogge, Niklas Lefeld und Oliver Kohlmann sind die drei Schauspieler, die sich gerade für das Drei-Personen-Stück verkleiden. Unterstützt werden sie an diesem Abend von Marik Lefeld als Techniker und Nadine Fink als Souffleuse. Auf dem Tisch auf dem großen Platz zwischen Fundus und Maske stapeln sich Kostüme und Requisiten.
Kammerspiel mit Humor
„Als die ersten Lockerungen kamen, zog es uns ins Theater“, sagt Elke Ohlrogge, die nicht zum ersten Mal Regie führt, aber schon lange nicht mehr auf der Bühne zu sehen war. „Wir haben überlegt, ob wir ein Ersatzprogramm auf die Beine stellen können.“ Es gibt jetzt immerhin einige Kinoabende und Konzerte auf der Freilichtbühne – und eben auch eine eigene Produktion: Es sollte eine kleine Besetzung sein, und es sollte draußen spielen. Es wurde „Die Winterrose“ – eine romantische Komödie von Christa, Agilo und Michael Dangl in der Bearbeitung von Rene Heinersdorff. Das Corona-Ersatzprogramm ist eine zarte Knospe nach monatelanger Pause.
Anfang Juli haben die Proben begonnen. Seither lernen die drei Schauspieler ihren Text. Im Geiste rezitiert Elke Ohlrogge ihre Passagen sogar beim Föhnen in ihrem Friseursalon. Gleich nach der Arbeit geht es auf die Höge. Oliver Kohlmann lernt unterwegs, und Niklas Lefeld nutzt auch schon mal die Aufnahmefunktion seines Smartphones. Bis Anfang September müssen die 13 Szenen sitzen. Schwierig ist das vor allem deshalb, weil die drei den Text für die Hauptproduktion in der kommenden Saison nicht vergessen wollen. „Peter Pan“ und „Amadeus“ werden erst 2021 Premiere feiern können.
Jedes Jahr inszeniert die Freilichtbühne normalerweise ein Familien- und ein Abendstück. Es ist das erste Mal, dass der große Apparat zum Stillstand gekommen ist. Der Lockdown hat die Theaterleute ins Herz getroffen. Sie leben für ihre Rollen. „In der Saison sehe ich mehr von der Bühne als von der Familie“, sagt Elke Ohlrogge – und das geht den anderen wohl genauso. „Hauptsache irgendwie spielen“, sagen die Darsteller, die sich über die Region hinaus einen Namen gemacht haben.
Nun wird es also ein Kammerspiel, eher ein Corona-Spiel, denn selbst auf der Bühne achten die Schauspieler auf den Abstand. Links und rechts blühen Rosensträucher. Zwischen zwei Laternen steht eine Parkbank, die Dreh- und Angelpunkt ist. In der Hauptrolle ist Elke Ohlrogge als Witwe Elisabeth zu sehen, die sich jeden Mittwoch unter dem Pseudonym Winterrose mit Männern verabredet, die sie über Zeitungsannoncen kontaktiert.
Sympathien für die Witwe
Von der Parkbank aus beobachtet sie die hoffnungsvollen Kandidaten, die zum Treffpunkt im gegenüberliegenden Kaffeehaus erscheinen. Leider fühlt sich der eigenbrötlerische Rentner Anton (Oliver Kohlmann), der sich just diese Bank zur Zeitungslektüre ausgesucht hat, durch Elisabeth gestört. Zu den beiden sehr unterschiedlichen Temperamenten gesellt sich ein Gärtner (Niklas Lefeld), der mit seinen trockenen Kommentaren besonders gut ankommen dürfte.
Die Freilichtbühne verspricht „ein bezauberndes Kammerspiel“. Tatsächlich nimmt das Ensemble seine Zuschauer mit in eine kleine Welt, in der Träume noch geträumt werden dürfen. Hier haben selbst die Enten im Teich klangvolle Namen. Schon in der ersten Szene des Stücks lässt sich erahnen, dass es humorvoll, aber mit Tiefgang weitergehen wird. Besonders Kohlmann beeindruckt mit seinem Timbre.
Niklas Lefeld indes gibt sich locker als Gärtner. Er steht mit beiden Beinen auf dem Boden und hegt eine gewisse Sympathie für die Witwe. Im dunklen Trenchcoat mit der hellen Handtasche zeigt Elke Ohlrogge die inneren Widersprüche ihrer Figur auf. Es ist ein Spiel mit Nähe und Distanz, das irgendwie auch das Corona-Dilemma widerspiegelt. Festen Schrittes geht Elisabeth in Stiefeln auf die Bank zu, zückt das Fernrohr und schaut hinüber zum imaginären Café, den Blick fest auf die noch leeren Zuschauerreihen gerichtet. Ihre sensible Seite bleibt derweil unter dem breiten lilafarbenen Schal verborgen.
Normalerweise spielen die Akteure über die Bühne hinaus ins Publikum hinein. „Das alles ist wegen Corona nicht möglich“, bedauert die Regisseurin. So wird die Freilichtbühne unfreiwillig zur Guckkastenbühne. Die Gäste dürfen zwar in der Pause mit Maske aufstehen, während der knapp eineinhalbstündigen Aufführung aber gilt eine strenge Sitzordnung. Jeder der 500 Plätze hat jetzt eine Nummer. Platz nehmen aber dürfen aufgrund der Auflagen nur etwa halb so viele Personen. Selbst wenn alle in Zehner-Gruppen kämen, wären maximal 330 Zuschauer möglich.
Aufführungen im September
Die Freilichtbühne zeigt am 5., 9., 11., 12., 16., 18. und 19. September die romantische Komödie „Die Winterrose“, jeweils um 20 Uhr auf der Freilichtbühne, Höge 2 in Lilienthal. Wegen der persönlichen Registrierung der Käufer aufgrund der geltenden Corona-Anordnungen sind die Tickets ausschließlich über die Webseite der Bühne erhältlich. Die korrekte Adresse für den Online-Vorverkauf lautet https://fblilienthal.de. Die Karten kosten dort elf Euro für Erwachsene, ermäßigt fünf Euro. Die Tickets sind personalisiert und damit nicht übertragbar. Auf dem Gelände der Freilichtbühne gelten Corona-Auflagen wie etwa die Maskenpflicht, außer auf dem Sitzplatz. Der Abstand von 1,5 Metern ist einzuhalten.