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Organspende Für eine geschenkte Zeit

Das Schicksal hat es nicht immer gut gemeint mit Imke Huxoll. Schon früh verlor sie ihren Mann. Doch heute empfindet sie Dankbarkeit für zwölf Jahre mit ihrem Mann, die eine Transplantation ermöglichte.
09.01.2019, 12:06 Uhr
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Von Michael Thurm

Landkreis Osterholz. Das Schicksal hat es nicht immer gut gemeint mit Imke Huxoll. Schon früh hat die Mutter von drei Kindern ihren Mann verloren. Doch heute, elf Jahre nach dem Tod von Ehemann Jens, empfindet sie vor allem Dankbarkeit. Dankbarkeit für geschenkte zwölf Jahre mit ihrem Mann, zwölf gemeinsame Jahre, die eine Transplantation möglich gemacht hat.

Das Paar baute gerade ein Haus, ein neues Nest für sich und die drei Kinder, da erkrankte Jens Huxoll. Der kräftige, durchtrainierte Mittdreißiger benötigte ein neues Herz und eine neue Lunge. Dringend. „Es war eine schlimme Zeit“, erinnert sich Imke Huxoll. Doch Jens Huxoll hatte Glück. Er brauchte auf die neuen Organe nicht lange zu warten. 1995 erhielt der Familienvater ein Herz und eine Lunge.

Dennoch war der Start in dieses neue Leben nicht leicht für die Familie. Imke und Jens Huxoll suchten Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe. Doch in der näheren Umgebung gab es keine. So entschloss sich Jens Huxoll, selbst eine Gruppe zu gründen, die Gruppe „Bremen und Umzu“ des Bundesverbandes der Organtransplantierten.

Bis 2007 leitete Jens Huxoll diese Gruppe. Bis zu seinem Tod, den ein aggressiver Hautkrebs ausgelöst hatte. In diesen zwölf Jahren hatte Jens Huxoll nicht nur seine ganze Kraft in dieses Ehrenamt gesteckt. Jens Huxoll hatte auch intensiv gelebt. „Wir hatten zwölf schöne Jahre. Mein Mann hatte wieder Sport getrieben, konnte wieder arbeiten. Wir konnten auch mit den Kindern verreisen“, erzählt Imke Huxoll. „Stellen Sie sich vor, mein Sohn war gerade zwei Jahre alt, als mein Mann erkrankte. Ohne die Transplantation hätte er seinen Vater nie bewusst erlebt.“

So war der Weg von Imke Huxoll eigentlich vorbestimmt. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm zunächst Reinhard Windeler die Leitung der Regionalgruppe, seit 2009 führt die 57-Jährige „Bremen und Umzu“. „Wenn man jung ist und nicht betroffen, denkt man über Organspenden nicht nach“, sagt Imke Huxoll. Sie selbst sei erstmals mit dem Thema in Berührung gekommen, weil ein Vereinskollege ihres Mannes transplantiert war. „Erst wenn man direkt betroffen ist, beschäftigt man sich intensiv mit dem Thema.“

Die Intensität, mit der sich Imke Huxoll in den Dienst der Sache stellt, hat sich bis heute nicht abgeschwächt. „Das Thema Organspende liegt mir am Herzen“, betont die gelernte Schifffahrtskauffrau, die heute in einer Tierarztpraxis arbeitet. Dabei wäre allein die Leitung dieser Selbsthilfegruppe ein Fulltime-Job. Imke Huxoll ist das Bindeglied zwischen Angehörigen, Wartenden und Transplantierten.

Imke Huxoll klärt auf, berät, hört zu und tröstet. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie wichtig Unterstützung ist. Die 57-Jährige lobt ihr Team, ihre Mitstreiter. „Wir sind eine tolle Gruppe, ich bin ja nicht allein. Die Arbeit macht mir einfach Spaß.“ Die Kraft, diese Arbeit so intensiv zu betreiben, zieht sie aus den schönen Momenten. Wenn Menschen zu ihr kommen und sagen: „Frau Huxoll, Sie haben mich überzeugt. Ich möchte auch einen Organspendeausweis.“ Wenn ihr Menschen begegnen, die mit einem neuen Organ leben und ihr davon glückstrahlend erzählen.

Es gibt andere Erlebnisse, die Imke Huxoll tief berühren. So, als ein junges Paar zu ihr gekommen ist und erzählt hat, dass es den dreijährigen Sohn zur Organspende freigegeben hat. „Bei solchen Anlässen muss natürlich auch ich schlucken“, sagt Imke Huxoll. Doch im Laufe der Jahre hat sie gelernt, mit schlimmen Nachrichten umzugehen. „Dann schnappe ich mir meinen Hund und mache lange Spaziergänge. Das macht den Kopf frei.“ Manchmal ist aber nicht nur die zehnjährige Emma, ein Labradoodle, dabei, sondern auch die Kamera. Wenn Imke Huxoll auf Motivsuche in der Natur ist, dann vergisst sie für kurze Zeit sogar das Thema Organspende. Aber eben nur für kurze Zeit. Denn wenn sie eines gelernt hat, dann dies: Das Thema Organspende muss immer wieder in das Bewusstsein der Menschen gerückt werden. Aufklärung tut not. „In Deutschland ist der Tod immer noch ein Tabuthema. Es ist ja auch kein leichtes Thema, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen“, sagt sie. Tod und Organspende seien Themen, die auch junge Leute beschäftigen sollten.

Deshalb findet Imke Huxoll es gut, dass das Thema an niedersächsischen Schulen Pflichtthema ist. „Das sollte auf jedem Stundenplan stehen. Viele Menschen sind einfach falsch informiert.“ Schon deshalb täte Aufklärung not. Allein die Zahlen belegen, wie wichtig Organspende ist. Aktuell warten in Deutschland rund 10 000 Menschen auf ein neues Organ, davon rund 7000 auf eine neue Niere. „Das ist kein gutes Leben“, weiß Imke Huxoll. Die Zahl der Spenden ist aber seit 2012 kontinuierlich zurückgegangen und hat im Jahr 2017 mit 767 Organspendern einen Tiefstand erreicht.

Dennoch sagt Imke Huxoll: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Die Initiative von Gesundheitsminister Jens Spahn habe ihr Hoffnung gegeben. Der CDU-Politiker fordert „eine breite gesellschaftliche Debatte über eine Widerspruchslösung. Eine Lösung also, bei der die Zustimmung zur Organspende automatisch als gegeben gilt, solange man nicht Nein sagt.“ Doch dies allein erhöhe die Spendenbereitschaft nicht, glaubt sie. Noch wirke der Organspende-Skandal nach. „Wir brauchen viel mehr positive Berichterstattung“, fordert die Gruppenleiterin. Doch selbst, wenn sich wieder mehr Bundesbürger für eine Organspende entscheiden sollten, bliebe ein organisatorisches und vor allem finanzielles Problem. Und in diesem Punkt sieht Imke Huxoll die Politik in der Pflicht. Immerhin: Die Bundesregierung will mit einem Bündel an Maßnahmen die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöhen. „Das sind wir den 10 000 Menschen schuldig, die auf ein Spenderorgan warten.“

Imke Huxoll weiß: Eine schlimme Diagnose kann jeden treffen. Und dann sei eine Organspende das wunderbarste Geschenk. Für Imke Huxoll bleibt die Erinnerung an die schönen Jahre mit ihrem Mann unauslöschlich im Gedächtnis.

Wer Fragen zum Thema oder zur Arbeit der Gruppe hat, kann sich an Imke Huxoll wenden. Sie ist unter der Telefonnummer 0421/ 603 91 84 erreichbar.

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