Auf dem Grill zischen die Bratwürste, wenige Meter daneben werden in großen Plastikschalen gleich mehrere Salate angeboten. Es ist ein heißer Sonntag und der Seeberger Sportplatz in der Gemeinde Lilienthal hat sich rausgeputzt. Allerdings nicht für ein Fußballspiel: Denn neben den Fußballern des SV Seebergen nutzt auch eine weitere Mannschaft die Sportanlage mit ländlichem Charme: die Football-Frauen von Lilienthal Venom. Für diesen heißen Sonntag im August hat sich der Tabellenführer angekündigt. Aus Braunschweig kommen die Lady Lions in den Landkreis Osterholz.
Auf den zweiten Blick wird dann auch schnell klar, dass hier heute kein runder Ball rollt, sondern das ovale Football-Ei durch die Luft segelt. Die Farben, die auf dem Sportplatz dominieren sind nicht Blau und Weiß, sondern Violett und Schwarz, die Vereinsfarben der Venom. Und auch der Aufwand, der hier betrieben wird, ist um einiges höher als bei einem gewöhnlichen Fußballspiel: Um den Platz sind mehrere Pavillons aufgebaut: Unter einem werden Süßigkeiten verkauft, ein anderer schützt das Medien-Team der Venom vor der brennenden Sonne, während es das Spiel direkt ins Internet streamt.

Am Stand von Melanie Rohrmann-Ullner gibt es alles, was das Fan-Herz höher schlagen lässt.
Der größte Pavillon und gleichzeitig auch der, der am meisten Zuschauer anzieht, ist allerdings der von Melanie Rohrmann-Ullner. Hier wird alles angeboten, was das Venom-Fan-Herz höherschlagen lässt, von T-Shirts, Mützen und Tassen über Mouse-Pads, Thermoskannen und Schlüsselanhänger. Bereits seit einem Jahr kümmert sich Rohrmann-Ullner um das Merchandising für die Lilienthalerinnen, ist bei fast jedem Heimspiel anwesend. "Das Interesse an Football war bei mir auch vorher schon da, ich kümmere mich auch um das Merchandise für die Delmenhorst Bulldogs, mit denen die Venom eine Freundschaft pflegen. Der Kontakt kam dann über Anna zustande", erklärt Rohrmann-Ullner, während sie an der mitgebrachten Beflockungsmaschine ein graues T-Shirt mit dem Logo der Lilienthal Venom verziert.
Wenn von Anna die Rede ist, dann geht es bei den Lilienthal Venom meistens um Anna Höpner: Spielerin, Vorstandsmitglied und als Mitbegründerin eine Venom der ersten Stunde. Mitbegründerin deshalb, weil die Lila-Schwarzen in Sachen Frauenfootball in Deutschland eine echte Vorreiterrolle einnehmen: Der AFC Lilienthal Venom, wie der Verein offiziell heißt, ist der erste reine Frauenfootball-Verein im Bundesgebiet. Anna Höpner spielt in der Defensive-Line, ist an diesem Sonntag allerdings zum Zugucken verdammt. Und das wird sich auch in den kommenden Monaten vermutlich nicht ändern. In der Vorwoche hat sie sich im Auswärtsspiel bei den Kiel Baltic Hurricanes einen Kreuzbandriss zugezogen. Davon abgehalten, das Spiel noch zu Ende zu spielen, hat sie das allerdings nicht.

Lilienthals Quarterback Annalena Kiehne sorgte mit ihren Würfen bereits früh für die Führung der Venom gegen die Braunschweug Lady Lions.
Das Lächeln hat sie trotz der schweren Verletzung nicht verloren, schließlich hat sie am Sonntag zunächst auch allen Grund zu lachen. Unter den Anfeuerungsrufen der Lilienthaler Fans, die sich selbst "Ultra Violett" nennen, gehen die Venom schon früh in der Partie mit zwei Touchdowns in Führung. "Bisher haben wir sie wirklich gut im Griff", freut sich Höpner. Gemeinsam steht sie mit ihren Eltern Diana und Stefan am Spielfeldrand, bewaffnet mit einer großen Trommel und lauten Tröten. Annas Eltern zählen ebenfalls zu den Ultra-Violetten und wurden wie so viele andere Eltern über die Tochter mit dem Football-Virus infiziert.
Dabei geblieben sind sie wegen des starken Zusammenhalts innerhalb des Vereins, wie Mutter Diana betont. "Alle packen mit an, alle helfen mit. Dieser Teamgeist ist wirklich toll." Vater Stefan ergänzt: "Die Entwicklung, die die Mannschaft in den letzten Jahren hingelegt hat, ist bemerkenswert. Vor drei Jahren sah das alles noch ganz anders aus." Dem Tabellenführer aus Braunschweig bieten die auf Rang zwei in der Tabelle liegenden Venom heute einen starken Kampf und gehen mit einer 14:6-Führung in die Halbzeit. Auch Olaf Schmidt, Vater von Spielerin Josephine Schmidt, kam über seine Tochter zum Football. "Dabei habe ich mit Sport eigentlich gar nicht so viel am Hut", lacht Schmidt. "In einem Fußballstadion war ich das letzte Mal vor über 40 Jahren. Aber was hier in Lilienthal auf die Beine gestellt wurde, sucht wirklich seinesgleichen."
Das weiß auch Anna Höpner: "Unsere Heimspiele sind schon immer relativ gut besucht. Das höchste, was wir mal hatten, waren knapp 400 Zuschauer. Bei anderen Vereinen ist dagegen relativ wenig los, das können wir bei unseren Auswärtsspielen immer gut beobachten", berichtet Höpner stolz.

Die Rebels Bremen unterstützten die Lilienthal Venom von der Seitenlinie und sorgen in der Halbzeitpause für ein abwechslungsreiches Programm.
In der Halbzeitpause gibt es ein Showprogramm der Rebels Bremen, einer Cheerleading-Tanzgruppe aus der Hansestadt, parallel dazu gibt Anna Höpner bei Stadion-Sprecher Darrian Naujoks ein Interview. Darrian ist die Stimme der Lilienthaler Heimspiele und unterhält die Zuschauer mit flapsigen Sprüchen, aber auch mit seiner Expertise zum Football-Sport. "Es gibt hier natürlich viele Zuschauer, die nicht so tief in der Materie drin stecken. Für diese Leute versuche ich, das, was auf dem Feld passiert, zu erklären und dabei auch mal einen lustigen Spruch einzubauen."
Naujoks ist bei allen Heimspielen der Venom dabei, sofern es sein persönlicher Spielplan zulässt. Denn Naujoks spielt selber aktiv bei den Oldenburg Knights in der 2. German Football League. Auch hier kam der Kontakt erneut über Anna Höpner zustande. Naujoks trainierte Höpner nämlich noch in ihrer Zeit bei der Frauenmannschaft der Ritterhude Badgers. Von den Dachsen lösten sich Höpner und einige Mitstreiterinnen dann vor drei Jahren, um in Lilienthal ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Und dieses Projekt steht nun nach drei Jahren auf Rang zwei der zweiten Football-Bundesliga Nord.

Während der Halbzeitpause gab Anna Höpner ein Interview bei Stadionsprecher Darrian Naujoks.
Trotz aller Anfeuerungsrufe reicht es am Ende nicht: Mit 14:20 müssen sich die Lilienthalerinnen den Lady Lions aus Braunschweig geschlagen geben. Grund für Trübsal ist das allerdings nicht, denn bisher habe man laut Höpner gegen die Braunschweigerinnen noch nie so gut ausgesehen. Und auch an der Seitenlinie ist die Stimmung ausgelassen, denn was sich bei den Lilienthalerinnen in den vergangenen drei Jahren entwickelt hat, macht Lust auf mehr. Noch ein weiteres Mal haben Fans, Unterstützer und Interessierte diese Saison die Möglichkeit, sich ein Heimspiel der Lilienthal Venom anzuschauen. Am 25. August kommen zum letzten Heimspiel der regulären Saison vor den Play-offs die Kiel Baltic Hurricanes nach Seebergen.