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Fotograf Frank aus Lilienthal Vom Nachlass zur großen Ausstellung

Im Bremer Focke-Museum ist bis Februar die Ausstellung "Julius Frank - eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika" zu sehen. Der Heimatverein Lilienthal war schon da und ist begeistert.
16.11.2022, 08:00 Uhr
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Vom Nachlass zur großen Ausstellung
Von Lutz Rode

Lilienthal. Wer die Glastür zur neuen Sonderausstellung im Focke-Museum öffnet, hat gleich das Gefühl, mitten im Atelier von Julius Frank zu stehen. Die stattliche Original-Kamera von 1900 und auch eine kleine Holzbank für Kinderaufnahmen sind dort aufgestellt, und dahinter zeigt der riesige Abzug eines Fotos von 1930, wie es im verglasten Dachzimmer des Ateliers an der Hauptstraße einst aussah. Während Kamera und Möbelstück schon 1985 ins Museum gelangt sind, stammt das Foto aus dem Nachlass der Familie. Es lag in der zwei Kubikmeter großen Holzkiste aus Amerika, die vor zwei Jahren das Bremer Museum erreichte, und mit ihm viele Original-Abzüge, Urkunden, Fotoalben oder auch das Turnerhemd des TV Lilienthal, das Julius Frank mitnahm, als er 1936 unter dem Druck der Naziherrschaft sein Geschäft weit unter Wert verkaufen musste und das Land verließ.

Wohlwissend, wie historisch bedeutend all die Dinge sind, hat Museumsmitarbeiterin Karin Walter den Nachlass sorgfältig ausgewertet. Mehr als 1000 Inventarnummern hat sie im Laufe der Zeit vergeben und die Dinge ein- und zugeordnet. Der Inhalt der Kiste bildet die Grundlage der Ausstellung, die unter dem Titel "Julius Frank - eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika" im Bremer Museum in Schwachhausen zu sehen ist. Kuratorin Karin Walter sieht darin auch den Versuch, der Familie ein Stück Gerechtigkeit zurückzugeben, die so viel Ungerechtigkeit und Leid erlebt hat. Dass sie dennoch zur Aussöhnung bereit war und dem Museum den Nachlass anvertraute, wird von den Beteiligten als große Geste angesehen. Der Bremer Senat hat die Geschwister Mike und Barbara Frank zu einem Besuch der Ausstellung eingeladen. Barbara Frank, die Tochter des Fotografen, wird aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen können, Sohn Mike dagegen will im kommenden Jahr aus Amerika anreisen.

Heimatverein ist begeistert

Für die Mitglieder des Heimatvereins Lilienthal ist die Ausstellung so etwas wie die Krönung ihrer Arbeit, die damit begann, dass Harald Kühn und Peter Richter im Nachlass des Lehrers und Schriftstellers Karl Lilienthal ein Tagebuch entdeckten, aus dem hervorging, welchen Repressalien die jüdische Familie Frank ab 1933 ausgesetzt war und wie Julius Frank schließlich keinen anderen Ausweg mehr sah, als sein Atelier und Fotogeschäft zu verkaufen und in die USA zu flüchten. In ihrem Buch "Als die Hoffnung starb" haben sie 2006 die Ergebnisse ihrer Spurensuche zusammengetragen und das Schicksal der Familie öffentlich gemacht. In Lilienthal hatte es nach dem Krieg das große Schweigen gegeben. Was den Franks widerfahren war und wie ihr neues Leben in Amerika aussah, wusste niemand im Ort oder hatte es verdrängt. Selbst als Julius Frank 1959 starb und in der WÜMME-ZEITUNG eine Todesanzeige geschaltet wurde, nahm das offenbar niemand zum Anlass, nachzuhaken.

Ein kleiner Teil des Nachlasses ist an den Heimatverein gegangen. Dass sich der größere Teil nun im Bremer Museum befindet, begrüßt Harald Kühn, denn die Geschichte so aufzuarbeiten und so zu präsentieren, wie es jetzt der Fall ist, hätte der ehrenamtlich tätige Verein nicht leisten können. Die Lilienthaler hatten sich nach der Entdeckung der Tagebücher vor allem darauf konzentriert, die Geschichte der Familie Frank über drei Generationen hinweg nachzuzeichnen. Die Fachleute im Focke-Museum haben herausgearbeitet, welche wichtige Rolle Julius Frank senior,  dessen Sohn Henry und auch Julius Frank junior in der Geschichte der Fotografie gespielt haben. Alle drei waren Meister ihres Fachs, und Henry und dessen Sohn Julius wurden für ihre künstlerischen Aufnahmen von der Landschaft und den Menschen im Teufelsmoor und Worpswede mehrfach ausgezeichnet. "Ihre Bilder waren vor dem 1. Weltkrieg bis 1931 ständig in Fotozeitschriften zu finden. Sie gehörten zu den führenden Berufsfotografen in Deutschland. Erschreckend ist, dass das alles verdrängt wurde", sagt Karin Walter.

Als 1989 das 100-jährige Bestehen der Künstlerkolonie Worpswede gefeiert wurde, fand der Name Frank in dem dazugehörigen Buch zwar Erwähnung, verbunden allerdings mit dem Hinweis, dass es zu ihrer Arbeit und ihrem Wirken kaum Material gebe. Mit der Auswertung des Nachlasses schließt das Focke-Museum nun diese Lücke - auch wenn ein Großteil der Negative aus dem Atelier Frank verschollen ist. "Im Vergleich zu dem, was 1989 bekannt war, ist das jetzt schon tausendmal mehr", sagt die Kuratorin der Frank-Ausstellung.

Ausstellung enthält drei große Kapitel

Über die Ergebnisse ihrer Recherchen hat Karin Walter ein Buch geschrieben. Die Ausstellung hat sie in drei große Abteilungen unterteilt: Eine konzentriert sich auf die Motive aus dem Teufelsmoor und Worpswede, das zweite Kapitel ist den Ausflügen gewidmet, die Julius Frank mit seiner nicht-jüdischen Freundin Hilde unternahm und das Paar bis nach Hessen und die Lüneburger Heide führten. Kapitel Nummer drei gilt der Zeit in Amerika, als Julius Frank beruflich wieder Fuß fasste und unter anderem für Julius Shulman, einen der berühmtesten Architekturfotografen Amerikas, arbeitete.

Karin Walter ist sich sicher, dass in einigen Lilienthaler Familien noch Alben mit Fotos  schlummern, die im Atelier von Julius Frank entstanden sind. Sie kann sich vorstellen, dass es vielleicht Aufnahmen von Kindern gibt, die einst auf der kleinen Bank sitzend fotografiert wurden. Wer ein solches Motiv hat, kann sich bei ihr melden. Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 26. Februar.

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