Frau Kunath, die Cashbags bringen nicht nur die Musik von Johnny Cash zurück auf die Bühne, auch die gesamte Performance ist abgestimmt auf den „Man in Black“, besser gesagt auf dessen legendäre Auftritte im kalifornischen San-Quentin-Gefängnis. Und sie bekommen hervorragende Kritiken für die Art und Weise, in der Sie ihre Stimme June Carter, Cashs „Lady“, leihen. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen? Haben Sie sich beworben oder war es Zufall?
Valeska Kunath: Das war tatsächlich eher Zufall. Vor einigen Jahren hatte ich die Band live bei einem Weinfest im Dresdner Umland gesehen, allerdings ohne ihre June Carter. Zu dieser Zeit war ich noch Teil einer anderen Combo, aber wir hatten „Jackson“ ebenfalls im Programm. Ich fragte Robert Tyson während einer kurzen Pause einfach, ob ich nicht diesen Song mit ihm singen dürfte. Und tatsächlich, irgendwann bat mich die Band auf die Bühne, und ich sang mit Robert „Jackson“. So entstand der Kontakt, und ein paar Wochen später durfte ich erneut mit den Cashbags auftreten. Anfangs wurde ich als Anita Carter ins Programm aufgenommen. Nach ein paar Jahren erfolgte dann aber der Wechsel zur Hauptrolle June Carter. Und diese Rolle übernehme ich nun seit ungefähr fünf Jahren.
Wie haben Sie sich in die Lage versetzt, den Part von Johnny Cashs Ehefrau so zu spielen, dass die Zuhörer es irgendwann fast vergessen, dass sie nicht die echte June Carter vor sich haben?Wir legen in unserer Show sehr viel Wert auf Authentizität, auf YouTube gibt es viele Videos von Live-Auftritten Johnny Cashs und June Carters. Teilweise verbringe ich ein paar Stunden am Nachmittag vorm Rechner und schaue mir ihre Bewegungen, Gesten und die Interaktion mit Johnny Cash an. Ihre Art zu tanzen ist einzigartig, damit habe ich immer noch Probleme, aber ich gebe mein Bestes.
Was ist das für ein Gefühl, die „Identität“ einer so großartigen Musikerin und schillernden Persönlichkeit anzunehmen, und sei es auch nur für ein paar Stunden? Wie viele Prozente Valeska Kunath stecken noch in der Cashbags-Sängerin, wenn die Show läuft?Das ist eine schwierige Frage. Mein Ziel ist es natürlich, zu 100 Prozent in die Rolle der June Carter zu schlüpfen, das ist aber meiner Meinung nach nicht möglich, ich bin einfach nicht sie. Ich habe sehr großen Respekt vor dieser Rolle, die so facettenreich ist und kann nur mein Bestes geben, um ihr auch nur annähernd gerecht zu werden.
Welcher Cash-Titel ist Ihnen der liebste? Jackson?Es gibt viele Titel von Johnny Cash, die ich mag, auf einen kann man sich eigentlich nicht beschränken. Aber gut: „Man in Black“. In diesem Song erkennt man am deutlichsten die Intention von Johnny Cash, den Leuten, die keine Stimme haben, eine zu geben und gehört zu werden und den Versuch, die Welt ein bisschen besser zu machen.
„Ring of Fire“, der Song mit den mexikanischen Mariachi-Trompeten, ist wohl der am einfachsten mit Johnny Cash zu identifizierende. Es soll June Carter gewesen sein, die die ursprüngliche Version dieses Welthits zusammen mit Merle Kilgore geschrieben hat. Er handelt von Cashs Alkohol- und Tablettenabhängigkeit und der verbotenen Liebe zwischen zwei Menschen, die zu diesem Zeitpunkt noch mit anderen Partnern verheiratet, aber wohl schon füreinander entflammt waren. Erst sechs Jahre später erhielt diese Liebe ihre standesamtliche Legitimierung. Eine bewegende Geschichte. Wissen Sie mehr darüber?June hat diesen Song ursprünglich für ihre Schwester Anita geschrieben, da diese ihr erstes Solo-Album veröffentlichte und ihr noch ein Song fehlte. Einigen Quellen zufolge las June den aus einem Gedichtband ihres Onkels stammenden Satz „Love is like a burning ring of fire“. Johnnys Exfrau schrieb allerdings in ihrem Buch „I Walked The Line“, dass nicht June diesen Song geschrieben habe, sondern Johnny, als er betrunken und auf Drogen war. Da steht natürlich Aussage gegen Aussage, und nur die Beteiligten wissen, wie es tatsächlich war. Mir persönlich gefällt allerdings die Variante, dass June ihre Liebe zu Johnny Cash beschrieben hat und in welcher Zwickmühle sie sich gefühlsmäßig befand. Anitas Version von „Ring Of Fire“, die 1963 auf „Folk Songs Old and New“ veröffentlicht wurde, war kein Hit für sie. Johnny Cash träumte angeblich von Mariachi-Trompeten, als er Anitas Version hörte und spielte ihn einige Monate später im Studio nach seinem Empfinden ein. Was daraus wurde, wissen wir alle: „Ring of Fire“ wurde einer der größten Hits für Johnny Cash!
June Carter Cash war ja auch Schauspielerin. 1957 war sie in der US-Westernserie „Rauchende Colts“ zu sehen, was ja gut zu einer Countrysängerin passt. Der 2005 gedrehte Film „Walk The Line“ ist der Lebensgeschichte June Carters gewidmet. Reese Witherspoon hat für ihre Hauptrolle einen Oscar und einen Golden Globe Award in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ erhalten. Wie fanden Sie den Film?Der Film ist großartig! Ich kann mir keine andere Schauspielerin vorstellen, die die Rolle der June so gut hätte spielen können. Beeindruckend ist auch, dass beide Hauptdarsteller alle Titel selbst eingesungen haben. Durch diesen Film wurde die Musik von Johnny Cash und June Carter der jüngeren Generation näher gebracht. Das einzige, was mir ein bisschen seltsam vorkam: Es wurde sich so viel Mühe gegeben, die Rollen perfekt zu besetzen – wieso wurde aber die Rolle von Elvis so schlecht besetzt?
Die Cashbags nehmen ihr Publikum ja auch mit auf eine Zeitreise in die 60er-/70er-Jahre. Können Sie dem Lebensstil dieser Generation etwas abgewinnen?Vor ein paar Wochen habe ich mir die Dokumentation über „The Beatles“ angeschaut, da wurde einem auch ein großer Einblick in die 60er-Jahre gewährt. Das Jahrzehnt steht für gewaltige gesellschaftliche Umbrüche – nicht nur auf sexuellem, politischem oder kulturellem Gebiet. Man lehnte sich gegen das Establishment auf. Ich bin dankbar für diese Entwicklung, aber auch, dass ich nicht zu dieser Zeit geboren wurde.
Bleibt Ihnen überhaupt Zeit für Solo-Auftritte? Wenn nicht, haben Sie Ambitionen, auf der Bühne wieder häufiger zu Valeska Kunath zu werden?Natürlich habe ich noch Zeit für Solo-Auftritte. Vor 18 Monaten habe ich die Rhythm-And-Blues-Band The Blue-Belles gegründet, die aus sieben Damen besteht. Neben der Musik von Johnny Cash ist Rhythm and Blues die Musik, die mich am meisten beschäftigt. Gerade sind wir dabei, Songs für ein neues Album zu schreiben, vier sind schon fast fertig, ich freue mich schon auf die Zeit, wenn wir ins Studio gehen.
Die Fragen stellte Michael Schön.Valeska Kunath (37)
stammt aus dem oberfränkischen Coburg, lebt aber wie die anderen Cashbags in Dresden. Während eines Weinfestes in der Umgebung der sächsischen Landeshauptstadt wurde die Profisängerin, die bis dahin schon mit mehreren deutschen Bands aufgetreten war, als June Carter-Cash, Johnnys „Lady“, entdeckt. Sie spielt wie Cashs Gesangs- und Lebenspartnerin auch Autoharp, eine vorwiegend in der US-Countrymusik eingesetzte Kastenzither.
Konzert in der Stadthalle
Nach mehreren produktiven Jahren mit Konzerten vor mehr als 60 000 Menschen freuen sich die Cashbags am Sonnabend, 9. November, ab 20 Uhr zum zweiten Mal in der Stadthalle auftreten zu können. Die Band um US-Sänger Robert Tyson gilt als Europas erfolgreichstes Johnny-Cash-Revival. Sie ahmt mit authentischer Stimme, Westerngitarre, Telecaster, Kontrabass und Schlagzeug geradezu detailversessen alle Showelemente des „Man in Black“ nach, basierend auf den Originalkonzerten mit musikalischen Gästen wie June Carter, Carl Perkins und The Carter Family. Songs aus Johnny Cashs „American Recordings“ werden mit Gitarre und Piano in einem speziellen Akustikteil zelebriert. Im Programm: alle Cash-Klassiker von „Ring Of Fire“, „I Walk The Line“ bis hin zu „Folsom Prison Blues“. Der „Boom-Chicka-Boom-Sound“ wirkt nach wie vor mitreißend.