Die Fahrgastzahlen der Regio-S-Bahn Linie 2 haben allmählich fast wieder vier Fünftel des Vor-Corona-Niveaus erreicht. Wie Nordwestbahn-Sprecherin Stephanie Nölke auf Anfrage mitteilte, entspreche dies auch den Zahlen der Linien RS 1 und RS 3. Mit Beginn der Pandemie habe es Anfang März zunächst einen 50-prozentigen Einbruch gegeben, der Ende März dann sogar 70 bis 75 Prozent betragen habe. Seither gehe es mit jeder Lockerung weiter aufwärts, auch seit Ferienbeginn. „Wir sind da ganz zuversichtlich“, sagte Nölke.
Inzwischen würden Fahrgäste darum gebeten, Freizeitfahrten nicht während der Berufsverkehrszeiten zu machen, so die Sprecherin. „Zum Shoppen kann ich auch um 10 Uhr fahren, dann ist es für alle leichter, Abstand zu halten.“ Auch würden die Passagiere per Ansage im Zug darum gebeten, möglichst durchweg zunächst die Fensterplätze zu belegen. Und wer sein Ticket online per Handy oder App kaufe, müsse auch keinen Fahrschein hin und her reichen, falls das denn ein Problem sein sollte.
Große Sorge vor Ansteckungsrisiken müsse man sich jedenfalls nicht machen: „Beim Bahnfahren ist es so sicher wie an anderen Orten auch, sofern sich die Menschen an die Hygieneregeln halten.“ Über Plakate im Wagen sowie durch Hinweise im Internet und auf den Social-Media-Kanälen erhoffe sich die Nordwestbahn eine Sensibilisierung. „Querulanten gibt es immer, aber zum Glück verhält sich der große Großteil vernünftig.“ Auch funktioniere augenscheinlich die soziale Kontrolle, falls jemand keine Maske trage. Niedersachsen plant inzwischen auch, 150 Euro Bußgeld für Maskenverweigerer in Bus und Bahn einzuführen.
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), in deren Auftrag die RS 2 fährt, hatte erst kürzlich per Presse-Info an die Maskenpflicht erinnert. Demnach seien die Verkehrsbetriebe durchaus nicht dazu verpflichtet, Fahrgäste ohne Mund-Nasen-Bedeckung mitzunehmen. Es sei aber nicht Aufgabe des Zugpersonals, renitente Kunden zum Aussteigen zu bewegen; vielmehr könne es auch verhältnismäßig sein, die Polizei zu rufen, um einen sicheren Betriebsablauf sowie den Gesundheitsschutz an Bord zu garantieren.
Für wie groß das Personal die Gefährdung halte, hänge dabei auch davon ab, wie voll es im Zug sei. „Wenn das Personal eine Gefahr erkennt, muss es handeln“, sagte LNVG-Geschäftsführerin Susanne Haack und verwies dabei auch auf das Beispiel alkoholisierter Fahrgäste. Stephanie Nölke versicherte dazu auf Nachfrage, die Regio-S-Bahn-Linie 2 sei „nicht negativ auffällig“.
Mit dem Ende der Schulferien dürfte es dann auch wieder voller in den Zügen werden. Die Nordwestbahn werde die Auslastung beobachten und dann entscheiden, ob Schüler und Berufspendler zum Einsteigen bewegt werden müssen oder eher zum Einhalten der Corona-Regeln. Eine Kampagne, wie sie parallel bereits der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) gestartet hat, sei im Moment nicht in Planung. Wie im WESER-KURIER berichtet, wollen Bund, Länder, kommunale Spitzenverbände sowie 600 Bus- und Bahnbetriebe mit der bundesweiten Gemeinschaftskampagne #BesserWeiter das Vertrauen der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr zurückgewinnen.
Auch der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) wurde gefragt, ob er bei der Kampagne einsteigen will. Das bestätigte Gerrit Reichert, Pressesprecher des VBN, auf Nachfrage. „Wir haben aber schon eine eigene Kampagne mit ganz ähnlichen Inhalten“, erklärte Reichert. Unter dem Motto #ichbinvbn soll es ebenfalls darum gehen, die Nutzerzahlen wieder zu erhöhen und Vertrauen zu schaffen (wir berichteten). Nach dem Lockdown verzeichnete der VBN einen Rückgang von stellenweise bis zu 90 Prozent. Aktuell liegt man laut VBN-Sprecher wieder bei 50 bis 60 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Zweigleisig fahren will der Verband bei der Imagepflege nicht. Deshalb werde die Aktion des VDV in der hiesigen Region kaum auftauchen, erläuterte Gerrit Reichert.
Züge durch Pandemie pünktlicher
Für September plant der VDV eine Plakat-Offensive, denn es gebe augenscheinlich diffuse Ängste bei potenziellen Nutzern von Bus und Bahn, hatte VDV-Präsident Ingo Wortmann erklärt. Dabei sei „bisher kein besonderes Infektionsrisiko in öffentlichen Verkehrsmitteln nachgewiesen“ worden, und die Verkehrsunternehmen hätten ihre Schutz- und Hygienemaßnahmen auch bereits deutlich verstärkt. Werben können die Regionalbahnen zudem damit, dass sie seit Corona – zumindest vorübergehend - pünktlicher geworden sind. Grund sei offenkundig das gesunkene Fern- und Güterzug-Aufkommen, erklärte Carmen Schwabl von der LNVG.
Unterdessen haben Bund und Land angekündigt, weggefallene Ticket-Einnahmen über einen ÖPNV-Rettungsschirm zu kompensieren. Niedersachsens Verkehrsbetriebe rechnen mit mindestens 210 Millionen Euro aus Berlin und mit 190 Millionen Euro aus Hannover. Zahlen zu den Einnahmeausfällen bei der Regio-S-Bahn nannte Stephanie Nölke auf Nachfrage nicht. Der Verkehrsvertrag zwischen der Nordwestbahn und der LNVG beziehungsweise dem Land Bremen regelt die Ausgleichszahlungen: Mit sinkenden Fahrgeld-Einnahmen steigt der Zuschussbedarf – und umgekehrt. „Es war ja auch politisch gewollt, dass wir weitgehend uneingeschränkt weiter nach Fahrplan fahren“, so Nölke. Nordrhein-Westfalen habe das im Lockdown zeitweilig etwas anders gehandhabt. Üblicherweise findet beim ÖPNV auf der Schiene am Ende einer Konzession ein Soll-Ist-Abgleich statt, das wäre Ende 2022.
Die Nordwestbahn hat gerade erst das Verfahren für den Weiterbetrieb der Regio-S-Bahn bis Ende 2036 gewonnen. Sie plant ab Ende 2022 auf der Linie RS 2 den ganztägigen Stundentakt von montags bis sonnabends durch zusätzliche Verstärkerzüge in den Hauptverkehrszeiten zu einem 30-Minuten-Takt zu verdichten.
Ob unterdessen die Deutsche Bahn auch über Dezember 2023 hinaus ihren Regionalexpress von Bremen nach Bremerhaven fahren lässt, soll im Herbst dieses Jahres mit dem Vergabeverfahren zum sogenannten Expresskreuz Bremen/Niedersachsen entschieden werden.