Von der Wiese unter den alten Eichen am Ortseingang von Platjenwerbe ist wenig geblieben. Die Bäume beschatten noch die Fläche. Aber das Grün des Bodens ist verschwunden. Weggebaggert – für das Regenrückhaltebecken, dessen Bau nach langer Planung jetzt umgesetzt wird. Einige Platjenwerber haben die Baggerarbeiten beobachtet und sorgen sich nun um die Bäume. Verwaltung und Planer versichern, dass dazu kein Anlass bestehe.
Die Gründe für den Bau
Die sind in den zunehmenden Starkregenereignissen mit Überflutungen zu suchen. Die als Jahrhundert-Ereignisse bezeichneten Niederschläge kämen inzwischen zwei bis drei Mal pro Jahr vor, sagt Hansewasser-Mitarbeiter Karsten Messer. Das alte Regenrückhaltebecken in Platjenwerbe werde mit den Massen nicht mehr fertig. Beim Ortstermin berichtet Ritterhudes Bürgermeister Jürgen Kuck, dass ihn selbst die Skeptiker, die das neue Becken stets für überflüssig hielten, inzwischen danach fragten, wann es endlich fertig sei. Karsten Messers aktuelle Antwort: "Ende November."

Ortstermin mit den Verantwortlichen (von links): Heiko Lampe (Vorstand AÖR), Ritterhudes Bürgermeister Jürgen Kuck, Karsten Messer (Hansewasser) und Udo Ahlbach (Vorstand AÖR) vergleichen die Umsetzung mit dem genehmigten Bauantrag.
Die Baukosten
Das gut 4000 Quadratmeter große Grundstück zwischen Dorfstraße und Schulstraße war ursprünglich mal Bauland und wurde vor Jahren für etwa 500.000 Euro von der Gemeinde erworben. "Inzwischen wäre das Grundstück noch teurer", sagt Udo Ahlbach. Für die Maßnahme inklusive Kaufpreis seien nun 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Heiko Lampe und Udo Ahlbach bilden den Vorstand der Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR), die von der Gemeinde Ritterhude zwecks Übernahme der Schmutz- und Abwasserbeseitigung gebildet wurde. Die AÖR ihrerseits hat das Bremer Unternehmen Hansewasser, zu dem Karsten Messer gehört, mit der Unterhaltung der Anlagen beauftragt.
Die Sorgen der Bürger
Die Platjenwerber hat alarmiert, dass der Umriss des ausgehobenen Regenrückhaltebeckens nicht identisch mit den Vorgaben des Bebauungsplans ist. Bei der Verabschiedung des Plans war es Politik, Verwaltung und Bürgern wichtig gewesen, dass nicht im Bereich der Kronentraufe gebuddelt wird. Die Wurzeln der mutmaßlich 1870/71 gepflanzten Bäume sollten nicht verletzt werden. Entsprechend ist in der Satzung des B-Plans festgehalten, dass die Eichen zu erhalten sind. Nun ragen die Äste der Eichen über die Baugrube. Die im B-Plan festgesetzte Grenze wurde offensichtlich nicht eingehalten. Dies bestätigen AÖR, Hansewasser und die Gemeinde auf Nachfrage. Bauamtsleiter Michael Keßler weist darauf hin, dass der Bebauungsplan nur den Rahmen für ein Bauvorhaben setze. Davon könne abgewichen werden, "wenn ersichtlich ist, dass das Bauvorhaben sonst nicht umsetzbar und die Abweichung vertretbar ist".

Das fertige Becken besitzt ein Fassungsvolumen von 2500 Kubikmetern.
Was das Gutachten sagt
Für die Bäume bestehe deswegen keine Gefahr, betonen AÖR und Gemeinde unisono. Das habe ein Gutachten ergeben, das für den Bauantrag in Auftrag gegeben worden ist. "Ohne das Gutachten hätte der Landkreis dem Bauantrag nicht zugestimmt", betont Sven Pröpping vom beratenden Ingenieur-Büro Kleberg und Partner. Das Gutachten ergab, dass eine Abweichung vom Bebauungsplan keine Gefahr für die Bäume darstelle, sofern der Baukörper einen Abstand von 3,5 bis vier Metern zu den Bäumen einhalte. "Kleinere Wurzelverluste können nicht ganz ausgeschlossen werden", räumt der Gutachter ein. Diese Verluste entstünden nur geringfügig im Feinwurzelwerk und würden von den Bäumen in ein bis zwei Vegetationsperioden wieder ausgeglichen. "Haltewurzeln werden nicht betroffen". Die bei den Suchschachtungen freigelegten Wurzeln seien Versorgungswurzeln gewesen, die allesamt "dem Fein- und Schwachwurzelbereich zuzuordnen" seien. Durchmesser: ein bis drei beziehungsweise drei bis fünf Zentimeter. Um die Verletzungen so gering wie möglich zu halten, sei der Bagger vorsichtig eingesetzt worden, berichtet Sven Pröpping weiter: "Sobald Wurzeln auftauchten, wurde mit Handschachtung weitergemacht." Die Bauarbeiter mussten sich dann mit dem Spaten durch den Lehmboden arbeiten, um die Wurzeln sauber zu durchtrennen.
Die Funktion des Beckens
Das Regenwasser fließt sowohl von der Dorf- als auch von der Schulstraße ins Becken. Ein mitten durchs Becken verlaufender drei Meter breiter und etwa 30 Zentimeter tiefer Graben leitet das Wasser zu zwei Schächten vis-à-vis der Ecke Dorf-/Schulstraße ab. Im Normalfall wird das Wasser am Ende dieses Grabens zunächst durch ein 300er-Rohr in den kleineren, mit einem Sandfang ausgestatteten Schacht geleitet. Von dort fließt es in den zweiten Schacht, von dem es gedrosselt ins Kanalnetz gen Bremen geleitet wird. Bei Starkregen fließt das Wasser nicht nur durch das 300er-Rohr. Durch ein zweites 400er-Rohr werden die Regenmassen dann direkt in den zweiten Schacht geführt und per Notüberlauf nach Bremen abgeleitet.

Über diese Schächte wird das Regenwasser vom Sand befreit und gedrosselt ins Kanalnetz Richtung Bremen abgeführt.
Die Gründe der Planänderung
Am Volumen liege es nicht. Das betrage nach wie vor 2500 Kubikmeter, erklärt Bauamtsleiter Michael Keßler auf Nachfrage: "Der Grund für die Abweichung ist, dass das Becken nicht tief genug gebaut werden konnte." Anfangs war geplant, dass es eine Tiefe von 1,75 Metern haben soll. Aber: "Die in der Örtlichkeit angetroffenen Ableitungsrohre Richtung Lesum hatten nicht die angenommene Tiefe." Das Regenwasser wäre bei 1,75 Metern Tiefe nie ganz abgelaufen und hätte wegen der Lehmschicht auch nicht versickern können. Beim nächsten Regen hätte das Becken dann weniger Wasser fassen können. Im nun auf einer größeren Fläche ausgehobenen Baukörper werde das Wasser 1,2 Meter tief stehen. Das darüber liegende Bankett betrage weitere 20 bis 30 Zentimeter, teilt Karsten Messer mit.
Offene Gestaltungsfragen
Aufgrund der dicken Lehmschicht muss das Becken nicht mit einer Folie ausgelegt werden. Stattdessen soll es naturnah gestaltet werden. Allerdings scheint es über die Frage, wie dies genau zu geschehen hat, noch Gesprächsbedarf zwischen Gemeindeverwaltung und AÖR sowie Hansewasser zu geben. Beim Ortstermin hieß es, das Becken werde an drei Seiten von einer Hecke gesäumt und nicht an vieren, wie es der Bebauungsplan vorsieht. Und während vor Ort davon gesprochen wurde, dass die Natur das Begrünen übernehme, fordert der B-Plan die Neuanlage einer arten- und kräuterreichen Wiese. Er werde darüber mit Hansewasser und AÖR das Gespräch suchen, teilt Bauamtsleiter Keßler auf Anfrage der Redaktion mit.