Schwungvoll startete die Premiere von „Klassik neu erlebbar“ im Hamme-Forum mit der Ouvertüre zur Operette Orpheus in der Unterwelt. Die Gäste wippten mit den Füßen und klatschten im Rhythmus, bis das dreizehnköpfige Orchester sein Werk vollendet hatte. Applaus schallte durch den Saal. Der musikalische Leiter Hans-Jürgen Osmers erhob sich von seinem Klavier und kündigte einen mediterranen Abend an. Er weckte Vorstellungen von gutem Essen sowie von Sonnenuntergängen am Mittelmeer und von leidenschaftlichen Liebesgeschichten. Dass das genussvolle Dolce Vita in italienischen und französischen Opern oft in blutige und dramatische Ereignisse ausartet, fügte er schmunzelnd hinzu.
Elitär und starr seien die Aufführungen in ihrer Entstehungszeit im und gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht gewesen, beschrieb Osmers. Im Gegenteil. Die Zuschauer hätten damals ausgiebig geweint und gelacht, sogar in den Saal gerufen und die Darsteller angefeuert.

Die Stücke wurden zum Teil neu arrangiert, um sie für Laien leichter zugänglich zu machen.
Rund 170 Gäste besuchten die Premiere am Sonnabend. Unter ihnen waren auch Vertreter der Sponsoren von der Rolf-und-Hannelore-Kähler-Stiftung, der Sparkasse Rotenburg Osterholz und der Osterholzer Stadtwerke. „Wir hätten gern doppelt so viele Gäste gehabt“, meinte Regine Schäfer, Geschäftsführerin des Hamme-Forums. Insgesamt sei sie aber zufrieden. Eine weitere Vorstellung am Sonntagabend war etwas stärker besucht.
Pizza und Wein
„Klassik neu erlebbar“ ist ein Projekt unter der Federführung von Hans-Jürgen Osmers. Es soll Musikinteressierten den Zugang zur Klassik erleichtern. Humorvoll leitete er durch die Abende und erzählte zu Werken wie „La donna è mobile“ aus Rigoletto kleine Anekdoten. Die meisten Hörer bringen die Arie mit knusprig-dünnem Pizzaboden und Wein trinkenden, sich tief in die Augen blickenden Pärchen in Verbindung. Der Fernsehwerbung sei Dank. Dass sich in der Oper ein Herzog über die in seinen Augen flatterhafte Damen lustig macht, war den meisten Besuchern scheinbar nicht bewusst – auf Osmers Erläuterung hin schwappte beschämtes Lachen durch den Saal. Außergewöhnlich war die Umsetzung durch Tokunbo Akinro. Die Sängerin interpretierte das Stück von Guiseppe Verdi in melancholischer Stimmung mit einer starken Popfärbung.
Kurz darauf betrat Sonja Firker die Bühne und sang, ebenfalls ohne schweren, opernhaften Pathos, die Habanera aus Carmen. Dies sei die am häufigsten aufgeführte Oper der Welt, erläuterte Osmers dem Publikum. Die Protagonistin sei zerrissen zwischen dem Wunsch nach Liebe sowie dem Bedürfnis nach Freiheit. Letztlich entscheidet sie sich für Letzteres – was ihr eifersüchtiger und aggressiver Verehrer nicht zulässt. Mit tödlichen Folgen.
Auch in Darbietungen von Werken wie „Nessun dorma“ aus der Oper Turandot oder „Caruso“ von Lucio Dalla spielte das Orchester mit der Sehnsucht und dem Schmerz der Liebe.
Zwischen die musikalischen Elemente streute Hans-Jürgen Osmers Informationen über die Komponisten. So zum Beispiel über Jacques Offenbach, den Komponisten von Orpheus in der Unterwelt, welcher eigentlich Jakob Eberst hieß. „In Paris kam der Name Jacques wahrscheinlich einfach besser an“, meinte Osmers. Offenbach sei die Geburtsstadt des Komponisten.
Nicht alle Tonkünstler lebten ihre Fantasien lediglich in ihren Werken aus, fügte Osmers hinzu, bevor das Orchester "O mio babbino caro" aus der Oper "Gianni Schicci" anspielte. So lieferte Giacomo Puccini der Boulevard-Presse um 1900 mit seinen Affären und seinem ausschweifenden Verhalten viel Stoff für Geschichten. Die Liebeleien nutzte er unter anderem als Inspiration für seine Opern, wusste Osmers.
„Es ist wirklich erfrischend“, resümierte die Besucherin Katja Kaiser in der Pause. Sie und ihr Partner Peter Currie waren auf Einladung des Geigers und Ensemblemitglieds Réka Lelek gekommen. Currie, der in Bremen lebt, nimmt bei Lelek Geigenunterricht. „Die klassische Musik hat so viele Facetten“, schwärmte Kaiser. Der Ritterhuder Achim Rößler hatte seine Frau und seine Töchter Jule und Finja zu dem Konzert eingeladen. „Es ist schon traurig, aber auch spannend“, sagte die zehnjährige Finja Rößler.
Bewusst hatte das Hamme-Forum auch bei den Schulen geworben. „Es wäre schön, wenn wir eine jüngere Zielgruppe für diese Musik begeistern könnten“, sagte Regine Schäfer.