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Fußball Alter schützt vor Toren nicht: Helmut Pasierbeck trifft mit 80 Jahren

Die Geschichte vom Helmut Pasierbeck sucht ihresgleichen: Mit 80 Jahren spielt er im Ü40-Team des SV Beckedorf. Redakteur Dennis Schott begleitete ihn zu einem Spiel.
08.04.2022, 20:22 Uhr
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Alter schützt vor Toren nicht: Helmut Pasierbeck trifft mit 80 Jahren
Von Dennis Schott

Beckedorf. Die Tasche ist gepackt. Es kann losgehen. Heute ist das zweite Spiel der Saison. Der SV Grün-Weiß Beckedorf empfängt die SG Ohlenstedt/Garlstedt/Hambergen. Helmut Pasierbeck ist vorsichtig optimistisch. Die Auftaktniederlage aus der vorangegangenen Woche hat der Beckedorfer nicht vergessen. Sie führte sogar dazu, dass seine Mannschaft heute auf einen neuen Torwart zurückgreifen muss. Aber, und da ist er sich ziemlich sicher: Mit einer schnöden Nullnummer wird die Partie nicht enden. Das trifft in der Ü40-Kreisliga Osterholz eigentlich auf jedes Spiel zu. „Ein Tor fällt immer“, weiß Helmut Pasierbeck aus Erfahrung. So macht er sich auf den Weg. Die grün-weiße Trainingsjacke, auf deren Rücken "forever young" prangt, hat er schon an. Mit der Tasche in der Hand geht Helmut Pasierbeck zu seinem Auto.

Fünf Minuten später ist er auch schon am Vereinsgelände angekommen. Deutlich vor dem vereinbarten Zeitpunkt. Aber Helmut Pasierbeck ist nicht der einzige. Den anderen ist dabei nicht entgangen, dass er diesmal nicht allein gekommen ist. Sie wissen, dass ihr Teamkollege heute unter besonderer Beobachtung steht. Mit 80 Jahren in einer Ü40-Mannschaft Fußball zu spielen, ist schließlich außergewöhnlich. „Ich sage immer: Für das Alter kann ich nichts. Aber dafür, dass ich 50 Jahre ununterbrochen in Beckedorf Fußball spiele, dafür kann ich was“, erzählt Helmut Pasierbeck.

Der Talentierteste war er nie. Der in Bremen-Schönebeck lebende Pasierbeck ist Fußballer aus Spaß und Leidenschaft. In Gröpelingen aufgewachsen, spielte er zunächst in der Schüler- und Jugendmannschaft von TuRa Bremen. „Danach hatte ich andere Interessen“, erinnert er sich. Das runde Leder kehrte erst während seines Wehrdienstes in Wesertimke wieder in sein Leben zurück. Sein vorgesetzter Hauptmann war dem Fußball seinerzeit sehr zugetan. Es wurde kurzerhand eine Mannschaft auf die Beine gestellt, die im norddeutschen Raum sogar um die Batterie- und Bataillonsmeisterschaft spielte. „Danach startete unsere Campingzeit“, erzählt Pasierbeck. Mit seiner Frau belegte er einen Stellplatz an der Thülsfelder Talsperre, auch hier bildete sich schnell eine Fußballmannschaft, die regelmäßig gegen Mannschaften anderer Campingplätze antrat.

Als Helmut Pasierbeck eines Abends in der Gaststätte „Zum Treffpunkt“ einen Aushang „Mitspieler für eine Thekenmannschaft gesucht“ im Fenster bemerkte, schlug er schließlich sein drittes Kapitel als Freizeitkicker auf. „Doch die Anzahl der Spiele war uns nicht genug“, erinnert sich der 80-Jährige. Also schloss er sich mit einigen Teamkollegen dem SV Grün-Weiß Beckedorf an. Am 21. Februar 1972 war das, um genau zu sein. „In der 1. Herren kam ich nur sporadisch zum Einsatz, weil meine spielerischen Fähigkeiten nicht ausreichten“, erzählt Helmut Pasierbeck. Aber als permanenter Ergänzungsspieler war er sich zu schade, also blieb Helmut Pasierbeck bei den Reserve-Mannschaften. Bei Heimspielen kam es auch regelmäßig vor, dass er hintereinander in der 3. und der 2. Herren auflief.

Für die Ü40 spielt Helmut Pasierbeck seit einer gefühlten Ewigkeit. Und heute von Beginn an. Es dauert verhältnismäßig lang, bis sich die Mannschaft umgezogen hat und auf den Platz kommt. Einige Spieler des Gegners machen sich bereits warm, während Mitspieler Wahe Airapetian, zarte 38 Jahre alt, noch eben schnell den Strafraum nachkreidet und erst danach in sein grün-weißes Trikot schlüpft. Nach und nach betreten die Beckedorfer nun das Feld, und nach einem kurzen Aufwärmen trommelt Spielertrainer Marcus Nettelmann die Mannschaft noch einmal zusammen und gibt die letzten Anweisungen. Vorsichtig beginnen und sicher stehen – so will der SV Grün-Weiß Beckedorf zunächst agieren. Helmut Pasierbeck ist dabei als rechter Verteidiger vorgesehen.

Mit der taktischen Marschroute haben die Gastgeber allerhand zu tun. Die Anfangsphase geht klar an die Ohlenstedter, die nach zehn Minuten eine Großchance auslassen und die Grün-Weißen auch weiterhin stark in der Defensive beschäftigen. Echten Zugriff auf die Partie bekommt auch Helmut Pasierbeck nicht. Er hat nur wenige Ballkontakte und wird – wie vorher besprochen – nach einer Viertelstunde wieder ausgewechselt. Pasierbeck nimmt dabei nicht den langen Weg quer über das Spielfeld, sondern verlässt den Platz auf seiner Seite. Noch ein kurzer Plausch mit einem Zuschauer an der Seitenlinie, dann macht sich der 80-Jährige auf seinen Weg um den Platz herum zu den anderen Auswechselspielern. Dort angekommen, nimmt er noch nachträgliche Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag von einem weiteren Zuschauer entgegen und kommt nicht um die Feststellung umhin, dass der Gegner dem Tor näher ist als seine Mannschaft. Aber immerhin: Zum Ende der ersten Halbzeit wirken die Gastgeber gefestigter.

Zurück aus der Kabine ist sich Helmut Pasierbeck weiterhin ziemlich sicher, dass es nicht beim 0:0 bleiben wird. Wie gesagt: Ein Tor fällt in den Spielen der Ü40-Kreisliga eigentlich immer. Der weitere Spielverlauf gibt Anlass zur Hoffnung, dass besagter Treffer sogar für die Beckedorfer fällt. Sie gewinnen nun deutlich mehr Zweikämpfe und kommen überdies zu Chancen. Einmal haben die Beckedorfer den Torschrei schon auf den Lippen, als Norbert Schekelinski allein auf das Ohlenstedter Gehäuse zuläuft, aber am gegnerischen Schlussmann scheitert. Die besseren Aktionen haben jedoch weiterhin die Hausherren, die das Versäumte nur wenige Minuten später nachholen. Nach Vorlage von Marcus Nettelmann ist Norbert Schekelinski zur Stelle und grätscht das Leder zum 1:0 über die Linie. Als Marcus Nettelmann für die selbst etwas überraschten Beckedorfer auf 2:0 erhöht, ist die Marschroute für die finalen zehn Minuten klar. Den Vorsprung verteidigen – komme, was da wolle.

Inzwischen ist Helmut Pasierbeck wieder mit von der Partie. Diesmal ist er als Stürmer aufgeboten. Seine Aufgabe: den Gegner früh anlaufen und ihn am Spielaufbau hindern. Das gelingt im Verbund so gut, dass der SV Grün-Weiß Beckedorf selbst vereinzelte Nadelstiche setzt. Das kaum zu bändigende Sturmduo Nettelmann/Schekelinski stiftet dabei in der Schlussminute so viel Unruhe in der Ohlenstedter Abwehr, dass der Ball aus dem Gewühl heraus auf einmal frei liegt. Frei für Helmut Pasierbeck, den 80-Jährigen, der den Ball schließlich aus fünf Metern über die Linie bugsiert und danach in der Jubeltraube kaum mehr auszumachen ist.

Das 3:0 ist gleichzeitig die letzte Aktion des Spiels. Direkt danach pfeift Schiedsrichter Daniel Jung ab. Beschwingt bauen die Beckedorfer ab, sammeln die Eckfahnen ein und verstauen die Tore, noch immer ungläubig darüber, dass ihr betagter Mitspieler getroffen hat. Helmut Pasierbeck ist derweil schon in der Kabine, bekräftigt nach dem obligatorischen Feierabendbier aber fast beiläufig: „Wenn morgen wieder ein Spiel wäre, wäre ich auch dabei. Mir tut ja nichts weh.“

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