Aschwarden. Der neue Kleiboden ist schon aufgeschüttet. Als schwarzer Hang zieht sich der Weserdeich von der Landesgrenze in Bremen bis zum Nedderwarder Weg in Neuenkirchen. 500 Meter Deichlinie werden für zu erwartende höhere Sturmfluten aufgestockt. „Wir erhöhen den Deich hier auf acht Meter“, erklärt Hans-Otto Hancken. Der Oberdeichgräfe vom Deichverband Osterstader Marsch inspiziert an diesem Morgen mit Vertretern der Landkreise Osterholz und Cuxhaven, von Gemeinden, Behörden, Feuerwehr und Bundeswehr den Schutzdamm.
Bei der Herbstdeichschau machen sie sich ein Bild, wie es vorangeht mit den Hochwasserschutz-Maßnahmen auf der 29,5 Kilometer langen Deichstrecke, die der Deichverband zwischen der Landesgrenze Bremen und der Luneplate in Bremerhaven betreut. Während eine Gruppe den Nordabschnitt im Landkreis Cuxhaven abläuft, marschiert der Oberdeichgräfe mit anderen über den rund acht Kilometer langen Südabschnitt im Kreis Osterholz.
500 Meter nordwärts
„Von Wurthfleth bis Steller Bruch ist der Damm schon fertig“, erklärt Hans-Otto Hancken. 2,5 Kilometer sind noch zu erhöhen. Von der Landesgrenze geht es jetzt Stück für Stück voran. In diesem Jahr wächst der Deich auf einem halben Kilometer bis zum Nedderwarder Weg in die Höhe. Rund 50 000 Kubikmeter Kleiboden werden dafür auf den Damm geschüttet. „Bis 1. November wollen wir mit den Erdarbeiten fertig sein“, sagt Hans-Otto Hancken. Im Frühjahr 2020 werde der Damm begrünt. Dann sollen auch die Wege angelegt werden: ein neuer Treibselräumweg außendeichs und ein Deichverteidigungsweg binnendeichs, beide je 3,50 Meter breit.
„Der Treibselräumweg wird versetzt vom Deich angelegt“, erläutert Hans-Otto Hancken. Der Grund: Auf einer bereits aufgeschütteten Berme zwischen Deichfuß und Räumweg will der Verband Kleiboden aus der Pütte Liener Kuhsand bei Neuenkirchen zwischenlagern, wo er sich für die Deicherhöhung im Südabschnitt in den vergangenen Jahren schon bedient hat. Eine Vorsorgemaßnahme. „Wir gehen davon aus, dass die jetzige Deicherhöhung nicht die letzte sein wird, wir den Deich in den nächsten 15 bis 20 Jahren noch etwas aufstocken müssen.“
Beim aktuellen Ausbau werden auch die Überfahrten am Nedderwarder Weg und am Klint der neuen Deichhöhe von acht Metern angepasst. Dabei wird die Zufahrt vom Deichverteidigungsweg neu gestaltet. Fahrzeuge sollen nicht mehr um die Kurve fahren müssen, um über den Deich zu kommen. „Von beiden Seiten des Deichverteidigungsweges wird künftig eine Rampe direkt auf den Deichkamm führen“, erläutert Thomas Ströer.
Für den aktuellen Deich- und Wegeausbau zwischen der Landesgrenze und dem Nedderwarder Weg investiert der Verband nach eigenen Angaben rund eine Million Euro. Das Geld kommt aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz. 70 Prozent finanziert der Bund, 30 Prozent das Land Niedersachsen. 2020/21 will der Verband den Deichausbau auf den restlichen zwei Kilometern vom Neddewarder Weg bis Steller Bruch anpacken, so sieht es die Planung vor.
Das Bodenmaterial liegt schon vor Ort. Insgesamt 650 000 Kubikmeter Kleiboden sind für die Baumaßnahmen im Südabschnitt aus der Püttstelle Liener Kuhsand an den Deich gefahren worden; sie gehört der Wasser- und Schifffahrtsbehörde und ist als Ausgleichsbiotop für die geplante Außenweservertiefung vorgesehen. „Für den Südabschnitt werden wir weitere rund 100 000 Kubikmeter Kleiboden brauchen. Wir sind im Gespräch mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung“, sagt Thomas Ströer. Der Verband plant auch mit einer Alternative, möchte eine eigene Fläche außendeichs in Neuenkirchen als Püttstelle nutzen. „Wir bereiten parallel eine Planung für das Genehmigungsverfahren vor.“
Der Deichverband Osterstader Marsch will seinen Schutzdamm nicht nur sicher machen gegen höhere Fluten, sondern auch gegen den Wolf. Ein Pilotprojekt ist angelaufen: Entlang der rund 30 Kilometer langen Deichlinie werden wolfsichere Schafzäune angelegt. „Zehn Kilometer im Nord- und Südabschnitt sind bereits fertig, weitere 20 Zaunkilometer werden ab dem Frühjahr ertüchtigt“, sagt Hans-Otto Hancken.
Der Wolf macht den Deichschützern Sorgen. Zwei Deichschäfereien gehören zum Verbandsgebiet: in Wersabe und in Dreptersiel bei Sandstedt. „Vor drei Jahren hatten wir die ersten Wolfsrisse.“ Der Verband setzt auf die Deichbewirtschaftung durch Schafhaltung, will seine Schäfer im Kampf gegen den Wolf unterstützen. Als erster Deichverband in Niedersachsen hat er in Zusammenarbeit mit dem Land ein Projekt auf den Weg gebracht. Höhere, unter Strom stehende Zäune sollen den Wolf abschrecken. Die Zäune entlang des Weserdeichs werden dafür auf 1,40 Meter erhöht und oben mit einer stromführenden Litze elektrifiziert. Auf eine Litze am Sockel werde verzichtet. „Unsere Zäune stehen direkt am Bordstein, da kann sich kein Wolf von unten durchbuddeln“, meint Thomas Ströer. Zusätzlich würden auch außendeichs mobile Elektrozäune aufgestellt. Das Land Niedersachsen finanziert das Projekt zu 100 Prozent mit 375 000 Euro. Nach fünf Jahren sollen die Ergebnisse ausgewertet werden.