Landkreis Osterholz. Es war heiß an diesem Junitag. Sehr heiß. Daran kann sich Marko Rebien noch gut erinnern. Und daran, dass sein damaliger Trainer Torsten Schanz die Mannschaft bereits eineinhalb Stunden vor dem Spiel zusammenscharte. Marko Rebien lief seinerzeit für den SV Blau-Weiß Bornreihe auf, der in der Fußball-Niedersachsenliga Ost den SC Goslar 08 empfing. Es ging um viel. Die „Moorteufel“ benötigten an diesem letzten Spieltag der Saison 1999/2000 unbedingt einen Sieg, um die Klasse zu halten. Die Gäste aus Goslar wiederum brauchten einen Sieg, um die Meisterschaft zu holen. Beiden Mannschaften hätte ein Unentschieden nicht genügt. So war die Konstellation.
Dieses berühmte Knistern lag schon weit vor dem Anpfiff in der Luft. Was nicht nur daran lag, dass Coach Schanz sein Team früher als sonst zum Platz bei Postels bestellte. Dieses Spiel zog reges Interesse nach sich. 800 Zuschauer waren vor Ort. „Der letzte richtige Ansturm auf Bornreihe“, meint der 52-Jährige mit dem Abstand von 20 Jahren. Der durchaus größere Geräuschpegel von außen war in der Kabine deutlich zu vernehmen, als Torsten Schanz seine Mannen noch einmal einschwor. „Er hat uns an das Hinspiel erinnert. Das haben wir 0:6 verloren, obwohl es zur Halbzeit noch 0:0 gestanden hatte. Damit hat er uns angestachelt“, erklärt Rebien.

Die Überschrift des Vorberichts zum finalen Spieltag in der Niedersachsenliga Ost sollte sich für Marko Rebien bewahrheiten. Für den damaligen Libero war es das Spiel der Spiele.
Die Bedeutung der Partie konnten die Bornreiher aber ebenso wenig von sich abstreifen wie die Goslarer. Beide Mannschaften wirkten doch arg angespannt in der Anfangsphase. „Wir waren zuerst ganz klar darauf bedacht, kein Gegentor zu kassieren. Wäre das passiert, hätten wir kaum noch eine Chance gehabt“, meint Marko Rebien noch heute. Aber da auch die Goslarer deutlich unter dem Eindruck dieses „Endspiels“ standen, entwickelte sich ein Kick auf eher mäßigem Niveau. Mit Beginn der zweiten Halbzeit mussten die „Moorteufel“ ihre Defensivfesseln jedoch lösen, sie brauchten ja unbedingt ein Tor. Was leichter gesagt war als getan. „Ich meine, dass wir insgesamt nur zwei Chancen hatten“, erklärt Marko Rebien. Ob dieser eine Freistoß aus halblinker Position, der zum 1:0 führte und das Tor zum Klassenerhalt weit aufstieß, dazu gehörte, bleibt sein Geheimnis. Der gegnerische Torwart hätte die Hereingabe von Heiko Tietjen wohl locker abgefangen, wenn er nicht durch diverse hereinlaufende Spieler irritiert worden wäre. Also flog der Ball an Freund und Feind vorbei und landete im langen Toreck. Torsten Welk, Bornreihes Sturmtank, behauptete später, den Ball mit dem Kopf noch ganz leicht berührt zu haben, was in Mannschaftskreisen bis heute bezweifelt wird, weil die Haarpracht von Welk schon damals nicht die üppigste gewesen sein soll.
Marko Rebien lacht bei dem Gedanken daran – und ist sofort wieder zurück im Spiel. Denn noch war es ja nicht gewonnen, noch mussten die „Moorteufel“ über eine halbe Stunde überstehen, während den Gästen mit zunehmender Spieldauer merklich der Kamm schwoll. „Ich weiß noch: In den letzten zehn Minuten war Goslar so heiß. Denen war bewusst, dass sie wahrscheinlich nicht mehr gewinnen und die Meisterschaft verpassen würden, aber zumindest uns den Klassenerhalt vermiesen, das wollten sie unbedingt. Das haben wir richtig gemerkt“, weiß Marko Rebien. Und es schien tatsächlich so, als sollte ihnen das gelingen. In der 85. Minute erzielte der SC Goslar 08 den Ausgleich.

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„Uns rutschte für einen Moment das Herz in die Hose“, erinnert sich der heute 52-Jährige. Doch dann die Entwarnung. Abseits! Das Tor wurde wieder zurückgenommen. Die Gäste gaben nicht auf, forcierten die Offensive, während sich die Blau-Weißen mit Mann und Maus dagegenstemmten. Sie überstanden auch eine nicht enden wollenden Nachspielzeit von fünf Minuten, als der Schiedsrichter die Partie endlich abpfiff. Bornreihe war gerettet. „Danach gab es natürlich kein Halten mehr“, so Rebien.
Es war aber nicht nur dieser zugespitzte und am Ende erfolgreiche Kampf um den Klassenerhalt, der dieses Spiel für Marko Rebien unvergessen macht. Es war der zugleich letzte Auftritt für den damals 32-Jährigen im Bornreiher Dress vor seiner Rückkehr zu seinem Heimatverein MTV Bokel, und einer, für den er sogar auf seinen Urlaub verzichtete. Das gehört zu der Geschichte dieses 1:0-Sieges einfach dazu. Denn aufgrund seiner Verdienste als Versicherungskaufmann hätte Marko Rebien mit seiner Frau Marisa eine ausgelobte Reise nach Lissabon antreten sollen. Dummerweise kollidierte der unverhoffte Trip nach Portugal mit dem finalen Saisonspiel gegen Goslar, und Marko Rebien musste sich entscheiden: Urlaub oder Fußball?
Er entschied sich für den Fußball. „Eigentlich sagt man so etwas nicht ab, und ich musste viel Überzeugungsarbeit bei meinem Chef leisten. Aber ich konnte meine Mannschaft einfach nicht im Stich lassen“, erklärt Rebien. Wenn er an seine damaligen Teamkollegen denkt – ob Torsten Welk, Heiko Tietjen, Frank Meyer, dem heutigen Trainer, Carsten Ehrichs oder Marcel Baake, der „nur 45 Meter vom Platz entfernt wohnte“–, dann platzt aus Marko Rebien vor allem eine Umschreibung heraus: „Alles Bornreiher Jungs.“ Das muss ein so verschworener Haufen sein, dachte sich wohl Rebiens Chef, und schaute sich – die Absage seines Angestellten in Erinnerung – das Bornreiher Saisonfinale höchst selbst an. „Obwohl er sich für Fußball null interessierte“, wie Rebien erzählt.

Fußball BWB-Goslar Spiel um den Abstieg Sieger Bornreihe
Aber eines musste sein Chef damals zugeben: „Sie haben sich offensichtlich richtig entschieden“, erinnert sich der damalige Libero an die Worte seines Vorgesetzten, der ihm zur Gratulation einen Portwein und einen Portugal-Reiseführer überreichte. Für den Fall, dass er doch noch einmal dorthin reisen sollte. Dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, wurde Marko Rebien noch am selben Tag ein weiteres Mal bewusst. Da wandte sich am Abend beim Schützenfest eine ältere Dame zu ihm und meinte: „Bist du nicht derjenige, der für das Spiel extra zu Hause geblieben ist?“ Marko Rebien bejahte die Frage und bekam sofort einen Kuss auf die Wange. Auch das gehört zu dieser Geschichte des 1:0-Sieges vor 20 Jahren.
Marko Rebien (52)
begann 1977 mit dem Fußballspielen beim MTV Bokel, bei dem er bis zur A-Jugend blieb. Unter Hinni Breden lief er für drei Jahre für den VSK Osterholz-Scharmbeck auf, ehe er zum SV Blau-Weiß Bornreihe wechselte. Ein Schien- und Wadenbeinbruch im Mai 1989 sorgte dafür, dass er in der Winterpause zurück zum MTV Bokel ging. Von 1990 bis 1993 war Rebien als Spielertrainer im Einsatz und feierte mit dem MTV Bokel in dieser Zeit zwei Aufstiege. Nach seinem zweiten Schien- und Wadenbeinbruch im April 1992 heuerte er 1993 wieder beim SV Blau-Weiß Bornreihe an. Das Wechselspiel zwischen Bokel und Bornreihe ging danach weiter. Von 1995 bis 1997 trat er für Bokel an, von 1997 bis 2000 wieder für Bornreihe. Von 2000 bis 20007 lief Rebien erneut als Spielertrainer in Bokel auf, den er in der 1. Kreisklasse übernommen und als Fünfter der Bezirksliga abgegeben hatte. Ein Trümmerbruch der Kniescheibe bedeutete 2006 das Ende der aktiven Laufbahn. In der Saison 2008/2009 übernahm der heute selbstständige Versicherungskaufmann das Traineramt in Bornreihe. Nach dem Klassenerhalt in der Oberliga im ersten Jahr folgte im November 2010 der Rücktritt. Von 2010 bis 2014 und noch einmal 2017-2018 war er erneut Trainer beim MTV Bokel, bei dem er aktuell Teammanager ist.
Der bejubelte Aufstieg oder ein tränenreicher Abstieg. Ein unvergessener Sieg, oder die bittere Niederlage in letzter Sekunde. In unserer neuen Serie „Spiel meines Lebens“ erinnern sich Sportlerinnen und Sportler an den größten Moment ihrer Laufbahn – ganz egal, ob positiv oder negativ.
Weitere Informationen
Sonnabend, 3. Juni 2000
Fußball-Niedersachsenliga Ost
SV Blau-Weiß Bornreihe - SC Goslar 08 1:0 (0:0)
SV Blau-Weiß Bornreihe: Kühtmann; Kanning, Ehrichs, Rebien, Baake, Meyer (85. Lütjen), Hinck, Böschen, Tietjen (70. Wellbrock), Welks (75. Taube), Konoppa
Tor: 1:0 Heiko Tietjen (57.)
Schiedsrichter: Claus Remus (SV Hanstedt)
Zuschauer: 800