Komoot weiß auch nicht alles. Das wissen wiederum die, die diesen Routenplaner für Radreisen und Wandertouren ein wenig kennen. In diesem Fall, also bei der Teufelsmoor-Radtour „Worpswede und Fischerhude“ ist es so, dass Komoot einen zunächst in Richtung Lilienthal lotsen will. Das Bauchgefühl und vor allem die Tatsache, dass wir etwa 60 Kilometer vor uns haben und erst gegen 14 Uhr in Worpswede starten, lässt uns zu der Entscheidung kommen: Lass uns mal lieber anders herum fahren, sonst verpassen wir womöglich in Schlußdorf das Torfkahnmuseum mit angeschlossenem Fietscafe, denn beides schließt um 17 Uhr.
Ein wahrhaft weiser Entschluss, denn beides stellt sich als absolutes Highlight der Tour heraus. Schon der Weg dorthin ist großartig. Vom großen Parkplatz an der Bergstraße aus steuern wir die Straße Im Schluh an und erreichen den Ernst-Licht-Weg, der uns ein dichtes Blätterdach bietet, unter dem es sich herrlich radeln lässt. Die vielen Schlaglöcher lassen sich leicht umkurven, dafür gibt es rechts und links viele schöne Häuschen zu sehen. Schnell merken wir: Wenn wir uns an die neuen Wegweiser mit der stilisierten gelben Farbpalette (logisch, der Weg verbindet ja zwei Malerdörfer) halten, kann eigentlich nichts schief gehen.
Neun Störche umkreisen Trecker
Und sollte unterwegs tatsächlich mal eine Unsicherheit aufkommen, wo es denn nun langgeht, hilft dann doch ein Blick aufs Handy und die Komoot-App. In der Bergedorfer Straße hatten wir einen solchen kurzen Moment, der aber wirklich nur ganz kurz war, denn dort treffen wir einen Mann mit Hund, der uns freundlich den Weg weist und nebenbei noch erzählt, dass er schon mal über die Alpen und 1958 bis nach Göteborg geradelt ist. Und dann sehen wir Unglaubliches: Neun Störche umkreisen einen Trecker, der eine Wiese mäht, oder stolzieren hinter dem grünen Ackerschlepper her. „Die fliegen ganz dicht an der Kabine vorbei“, erzählt uns der Grasberger Landwirt Jürgen Schnakenberg, der diese Wiese gepachtet hat. Und am Vormittag, da habe er auf einer anderen Fläche in der Nähe sogar zehn Störche auf einem Haufen gezählt. „Keine Ahnung, wie die so zusammenkommen, wie die das mit der Kommunikation machen“, rätselt der Landwirt.
Wir lösen uns schweren Herzens von der Storchenschar und rollen in Richtung Fietscafé. Eine kleine Kaffee-und-Kuchen-Pause kommt jetzt gerade recht. Das Café, das haben wir im Vorfeld auf der Webseite gelesen, sei „der schönste Arbeitsplatz der Welt“, so behauptet es die Betreiberin Ute Hussak-Thomsen. Mit Superlativen soll man ja vorsichtig sein, also werfen wir erst einmal einen neugierigen Blick ins Innere. Das heißt, wir versuchen es, denn vor der reich bestückten Kuchentheke staut es sich bis nach draußen. Was wir dennoch wahrnehmen: Da arbeiten eine Frau und ein Mann Bestellungen im Akkord ab, und beide bleiben die Ruhe selbst. Auch die Menschen in der Warteschlange bleiben gelassen, sie bestaunen unterdessen die etwa 20 süßen Kreationen, jede unter einer eigenen Glashaube geschützt. Oder sie unterhalten sich, denn offensichtlich treffen sich hier Bekannte. „Oder Menschen, die sich bisher nicht kennen, kommen ins Gespräch. Das habe ich schon so oft beobachtet“, wird Ute Hussak-Thomsen später sagen. Kurzum: Das Fietscafé entpuppt sich tatsächlich als Paradies auf Erden, das man auf dieser Tour keinesfalls verpassen sollte.
Nach einer Appeltaart und einem Stück Stachelbeerbaisertorte, das wir auf dem Palettensofa vorm Haus genießen, schauen wir uns noch im benachbarten Torfschiffswerft-Museum um. Das wird seit 1977 vom Heimatverein in jenem Gebäude betrieben, in dem in früheren Zeiten tatsächlich Torfkähne gebaut und repariert wurden. Im Museum sieht man allerlei Arbeitsgeräte sowie Fotos, auf denen das beschwerliche Leben der Moorbauern dokumentiert ist. Für das Torfschiffswerft-Museum Schlußdorf kann man Führungen vereinbaren, auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Der Heimatverein ist unter Telefon 04792/1347 erreichbar, Auskunft gibt es auch im Fietscafé, Telefon 04792/9896563. Museum und Café haben die gleichen Öffnungszeiten: von Juni bis September freitags von 14 bis 17 Uhr, sonnabends und sonntags von 13 bis 17 Uhr.
Weiter geht‘s, denn noch liegen etwa 55 Kilometer vor uns. Aber wir sind guter Dinge, denn es ist ein herrlicher Sommersonntag mit Temperaturen von 22 bis 25 Grad, die Sonne scheint, der Himmel ist weit. Wir gleiten durch die Landschaft, überall singen die Vögel und, das fällt richtig auf: An vielen Stellen stehen Rinder auf den Weiden, meist laufen die Kälbchen mit. Der nach wie vor bestens ausgeschilderte Weg führt über schattige Radwege an wenig befahrenen Straßen oder über kerzengerade Moorstraßen, die zur Erschließung der Findorffsiedlungen gebaut wurden. In Eickedorf leihen wir uns auf einem Bauernhof Werkzeug aus, und nach einem kurzen Schnack mit der freundlichen jungen Frau geht es weiter in Richtung Fischerhude.
Gut, dass wir uns hier auskennen, denn sonst hätte uns Komoot doch glatt am Café Lindenlaub vorbeigelotst, wo wir uns zur Halbzeit ein Eis gönnen. In Fischerhude verschieben wir den bekanntlich lohnenswerten Bummel durchs Dorf aufs nächste Mal, denn wir haben ja noch einiges vor uns. Durch die Molkereistraße geht es über den Hexenberg und den Wümme-Nordarm nach Timmersloh und weiter über verschlungene, aber stets gut ausgeschilderte und gut befahrbare Pfade nach Lilienthal. Dort fahren wir ein Stück auf dem Jan-Reiners-Weg und dann an der alten Frankenburger Mühle vorbei nach Worpswede, wo wir kurz vorm Ziel noch mal den Barkenhoff ansteuern, um vor der Vogeler-Villa ein Erinnerungsfoto zu machen.

RadrouteWorpswede und Fischerhude