Von Angelika Meurer-Schaffenberg
Landkreis. Friedel Lütjen sitzt mit seinen Gästen im Freien am gedeckten Kaffeetisch bei Selbstgebackenem vor rotkariertem Tischtuch. Der 76-jährige Landwirt aus Verlüßmoor hat Gäste aus der Stadt zu Besuch. Er erzählt mit ruhiger und kraftvoller Stimme, was ihn und seine Vorfahren in fünf Generationen bei der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gehalten hat. Die Zuhörer sind Gäste aus Bremen, die durch die Aktionstage des Vereins SozialÖkologie inspiriert wurden, sich Ökolandbau aus der Nähe zu betrachten.
"All die Jahre hat mich die Idee beseelt, dass jeder Hof und jeder Ort mit den Menschen, die ihn beleben, seine eigene Ordnung hat", berichtet Friedel Lütjen, nachdem die Bremer sich zuvor freilaufende Hühner, ökologisch angebautes Gemüse und Teufelsmoorer Kühe aus der Nähe betrachtet hatten.
Mit interessiertem Blick, teils zustimmendem Nicken oder nachdenklichen Gesichtern lauschen die Gäste dem Lebensbericht des erfahrenen Landwirtes. "Jeder Hof hat andere Menschen mit all ihren Eigenarten, eine andere Fläche, unterschiedliche äußere Bedingungen. Diese gilt es in Einklang zu bringen, um gut zu wirtschaften", ist Friedel Lütjen überzeugt. Früher habe es bestimmte Hofsorten gegeben, die nur an einem Hof gezüchtet und vermehrt wurden. Heute werde das Saat- oder Zuchtgut teils aus Amerika importiert. Das passe nicht immer gut zusammen.
Friedel Lütjen berichtet von der Lehre Rudolf Steiners, die ihn 1955 dazu bewegt hat, sich mit größeren Zusammenhängen der elementaren Kräfte zu beschäftigen. "Am Anfang habe ich zwar die Bücher gelesen und wir haben einen Lesekreis gegründet, um die Grundlagen gemeinsam zu verstehen, aber kapiert habe ich das alles wirklich erst in der Praxis", gibt Lütjen unumwunden zu.
Die biologisch-dynamische Lehre gehe von der Existenz einer geistigen Welt aus, für die wir Menschen nur begrenzt Worte hätten und sie ergo auch schwer beschreiben könnten. "Es heißt, dass der Embryo und das frisch Geborene die Kraft der Wurzel braucht für die in dieser Phase wichtige ?Kopfentwicklung'. Dazu passt für mich gut, dass die Kälber anfangs zwar kein Heu, aber gemuste Möhren fraßen", erzählt Lütjen.
Eine Besucherin fragt nach den sogenannten Präparaten der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Friedel Lütjen nennt ein praktisches Beispiel: "Im Winter geben wir ein Horn-Mist Präparat in die Erde, damit die Erdkräfte wirken können, das Kieselpräparat im Sommer soll die Kraft der Sonne bestärken." Die Wirkung der Mittel sei teilweise sogar labortechnisch nachweisbar. Die Anwendung des letzteren Präparates erhöhe etwa den Zuckergehalt in Möhren.
"Die biologisch-dynamische Landwirtschaft erfordert in der Praxis viel kleine und große Pflegarbeiten, etwa, um von Hand die Präparate anzurühren, oder Insekten, Vögel und Wald zu integrieren. Da bleibt im Alltag viel auf der Strecke, weil die Arbeit nicht zu schaffen ist", erklärt der Verlüßmoorer. Um das Land zu bewirtschaften, seien Bauern auch auf den Einsatz anderer Menschen angewiesen, die mit zum Gelingen des ganzen Systems beitragen.