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Anne-Katrin Bullwinkel über die Landfrauen und wie sich die Arbeit der Ortsvereine verändert hat „Ich will das Bild zurechtrücken“

Frau Bullwinkel, Landfrau – viele haben da das Bild von der Bäuerin im Kopf, die im Stall die Kühe melkt. Was hat diese Vorstellung heute mit der Lebenswirklichkeit der Mitglieder in den Landfrauenvereinen gemein?Anne-Katrin Bullwinkel: Nicht mehr viel. Nur noch knapp 20 Prozent unserer Mitglieder kommen aus der Landwirtschaft.
30.03.2017, 00:00 Uhr
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Von Gabriela Keller

Frau Bullwinkel, Landfrau – viele haben da das Bild von der Bäuerin im Kopf, die im Stall die Kühe melkt. Was hat diese Vorstellung heute mit der Lebenswirklichkeit der Mitglieder in den Landfrauenvereinen gemein?

Anne-Katrin Bullwinkel: Nicht mehr viel. Nur noch knapp 20 Prozent unserer Mitglieder kommen aus der Landwirtschaft. Ansonsten sind bei uns im ländlichen Raum ­lebende Frauen aus allen Berufssparten vertreten, von der Buchhalterin oder Bürokraft bis zur Finanzbeamtin.

Gibt es Mitglieder, die überhaupt keinen ­Bezug zur Landwirtschaft haben?

Ja, die gibt es. Oft sind es Frauen, die neu in eine Ortschaft ziehen. Sie versuchen, über den Landfrauenverein erste Kontakte zu knüpfen. Bei den Landfrauen finden sie eine Gemeinschaft, in der sie mit anderen etwas unternehmen können. Wir bieten ein breites Spektrum an Angeboten.

Vielen Vereinen laufen die Mitglieder davon. Wie sieht es bei den Landfrauen im Kreis Osterholz aus?

In Osterholz halten sich die Zahlen noch ganz gut. Wir haben zurzeit 1480 Mitglieder in elf Vereinen. Der Verein Ostersode hat sich aufgelöst. Als kleiner Verein hatte er immer schon zu kämpfen. In dem Gebiet gibt es mit Neu St. Jürgen und mit Hambergen, eine der größten Gruppen im Kreisverband, noch zwei weitere Landfrauen­vereine. Ein großer Verein kann natürlich mehr bieten. Deshalb ist es das Ziel des Kreisverbandes, dass die Vereine ihre Aktivitäten bündeln und gemeinsam etwas anbieten, was ein Verein allein nicht leisten kann.

Wie groß ist die Bereitschaft von Mitgliedern, sich ehrenamtlich in die Vorstandsarbeit einzubringen?

Das wird immer schwieriger. Viele unserer Mitglieder stehen im Berufsleben. Die haben weder die Möglichkeit, noch die Zeit, sich stärker zu engagieren.

Was tut der Kreisverband, was tun die Ortsvereine, um für Mitglieder attraktiv zu bleiben oder neue Mitglieder zu gewinnen?

In Rade bieten wir jedes Frühjahr einen Sportkurs für alle Interessierten an. Oder wir laden Gäste zu Veranstaltungen und Fahrten ein. Dadurch entstehen erste Kontakte, Gäste kommen mit Mitgliedern ins Gespräch und merken: Hinter den Landfrauen steckt ja noch viel mehr. In Neuenkirchen beteiligten wir uns im vergangenen Jahr am „Tag der Vereine“, das hat uns einige neue Mitglieder gebracht. Wir müssen stärker Öffentlichkeitsarbeit betreiben – auch um dem Klischee der Landfrau mit Gummistiefeln und Kopftuch entgegenzuwirken, das bei vielen noch im Kopf ist. Immer wieder stellen wir fest: Viele wissen gar nicht, dass die Landfrauenvereine auch Frauen aus anderen Berufen aufnehmen. Natürlich setzen wir uns dafür ein, dass die Landwirtschaft als prägendes Element des Landlebens erhalten bleibt, so sieht es unsere Satzung vor. Aber wir setzen uns auch dafür ein, dass Arztpraxen auf dem Land überleben und die dörfliche Infrastruktur gefördert wird.

Ist die Arbeit der Landfrauenvereine heute politischer als vor 30, 40 Jahren?

Der Weg geht in die Richtung. Der Niedersächsische Landfrauenverband (NLV) ist in der Hinsicht sehr aktiv. Auf Orts- oder Kreisebene können wir das nicht immer leisten, deshalb ist der NLV für uns sehr wichtig.

Welche Themen packt der NLV für seine Mitglieder an?

Der Ärzteschwund auf dem Land ist ein großes Thema. Das neue Drei-Jahres-Thema des NLV heißt „Integration mit Herz und Verstand“. Menschen am Rande der Gesellschaft oder Flüchtlinge versuchen wir einzubinden in Veranstaltungen, um Berührungsängste abzubauen. Der NLV unterstützt, indem er ein Konzept mit Themenvorschlägen als Leitfaden für die Kreis- und Ortsverbände anbietet.

Wie hat der Strukturwandel in der Landwirtschaft die Arbeit der Landfrauenvereine ­inhaltlich verändert?

Landwirtschaftliche Themen sind in den Hintergrund gerückt. Mit Themen wie Versicherungen, Arbeitsstrukturen oder Büroorganisation für bäuerliche Betriebe befasst sich jetzt eine eigens dafür gegründete Arbeitsgruppe „Aktive Bäuerinnen“ im Kreisverband. In den einzelnen Ortsvereinen ist das Interesse an diesen Themen eher gering.

Welche Inhalte bestimmen heute stärker die Arbeit?

Es sind eigentlich Themen, die immer schon zu unserem Programm gehörten: kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge über zwischenmenschliche Beziehungen, Gesundheitsthemen wie gesunde Ernährung. Aber auch die Anlage eines Gemüsegartens gehört dazu. Das ist ein Thema, das besonders unsere jüngeren Mitglieder derzeit sehr interessiert. Immer beliebt sind Fahrten.

Wo sehen Sie als Vorsitzende für die kommenden vier Jahre Aufgaben für den Kreisverband Osterholz?

Mir ist es wichtig, dass wir die Ortsvereine da unterstützen, wo sie alleine etwas nicht leisten können. Auch das Bild der ­Landfrauen möchten wir in ein richtiges Licht rücken.

Hat der Kreisverband Ideen, wie er das ­anpacken will?

Es reicht nicht, uns auf Veranstaltungen nur mit Kaffee und Kuchen einzubringen. Wir müssen mehr informieren über die Arbeit der Landfrauen und die Strukturen in den Vereinen. Vor dem Hintergrund, dass viele unserer Mitglieder berufstätig sind, müssen wir auch überlegen, ob die Strukturen in den nächsten Jahren so bleiben können oder wir neue Wege suchen müssen. Wir haben jetzt erst mal im Vorstand die Zahl der Beisitzerinnen aufgestockt. Mit Katrin ­Engelke von Oehsen von den Landfrauen Hambergen, Birgit Nowak aus Meyenburg und der zusätzlichen Vertreterin Ulrike Stührenberg von den Landfrauen Rade haben wir nun drei Beisitzerinnen. Uns ist es wichtig, dass aus jeder Region des Landkreises Frauen im Vorstand mitwirken, auch um frühzeitig über eventuelle Probleme vor Ort informiert zu seien.

Welches Thema steht im Mittelpunkt des 60. Kreislandfrauentages?

Der Journalist und Publizist Winfried Kösters wird über den demografischen Wandel auf dem Lande sprechen, der uns auch als Verband beschäftigt.

Haben die Landfrauenvereine Nachwuchsprobleme?

Ja. Wir haben einen ziemlich hohen Altersdurchschnitt von 68 Jahren. Frauen mit ­Familie und Beruf haben in jungen Jahren oft keine Zeit. Die meisten kommen erst nach der Erziehungsphase zu den Landfrauen.

Wie versuchen Sie, jüngere Mitglieder zu ­gewinnen?

Wir bieten Themen an, von denen wir ­hoffen, dass sie für jüngere Frauen interessant sind, wie Pilates-Kurse oder gesunde Ernährung. Mit einem Thema wie Kindererziehung sprechen wir Mütter wie Großmütter an.

Welches Ziel haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Mein Ziel ist, dass wir im Kreisverband eine gute Gemeinschaft bilden, in der die jüngeren und die älteren Mitglieder gleichermaßen eingebunden sind. Und es gilt, das Bild der Landfrauen zurechtzurücken. Wenn uns das gelingt, hätten wir schon einiges erreicht.

Das Interview führte Gabriela Keller.

Zur Person

Anne-Katrin Bullwinkel (58), Vorsitzende des Landfrauenvereins Rade, steht seit Januar 2017 an der Spitze des Kreisverbandes ­Osterholz. Im Interview spricht sie darüber, wie sich Arbeit und Struktur der Landfrauenvereine verändert haben. Die Landfrauen aus dem Kreis Osterholz kommen am heutigen Donnerstag in Osterholz-Scharmbeck zu ihrem 60. Kreislandfrauentag zusammen.
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