Ritterhude. Der Graureiher watet in Ufernähe durchs dunkle Moorwasser. Störungen muss er nicht befürchten, die Hamme ist für den Schiffsverkehr an der Ritterhuder Schleuse voll gesperrt. Grund: Auf einem an einem Spezialfahrzeug montierten Laufsteg unterhalb der Dammbrücke überprüfen Spezialisten deren Standfestigkeit. Zentimeter um Zentimeter suchen sich nach schadhaften Stellen im Spannbeton, die auf eine gefährliche Altersschwäche des Bauwerks hinweisen könnten. Urteil der Experten nach zweitägiger Inspektion: Zusätzliche Schäden seien nicht eingetreten.
Das Adjektiv „zusätzlich“ ist relevant. Schließlich war die Dammbrücke vor zwei Jahren für Fahrzeuge und landwirtschaftliche Maschinen mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen gesperrt worden; zuvor lag die zulässige Belastung bei elf Tonnen pro Fahrzeug. Bundesweite Überprüfungen hatten ergeben, dass die stählernen Skelette von sogenannten Spannbetonkonstruktionen, die seit Ende der 1960er-Jahre errichtet wurden, zu Rissen neigen. Die 1974 fertiggestellte Dammbrücke zählt zu diesen gefährdeten Exemplaren. Allerdings wies sie Anfang 2016 keine so gravierenden Mängel auf, um sie sofort und vollständig für den motorisierten Verkehr zu sperren. Dennoch, so damals der zuständige Landkreis-Dezernent Richard Eckermann, sei es für einen möglichst langfristigen Erhalt der Dammbrücke zwingend geboten, ihre Belastung zu reduzieren.
Prüfung nach der Ernte
Die Straßenschilder an den Brückenauffahrten mit dem Hinweis auf die zulässige Höchstbelastung von 3,5 Tonnen haben nun ein weiteres Jahr Gültigkeit. Das ergab die jüngste Inspektion durch die vom Landkreis beauftragte Bremer Ingenieurgruppe pb+ unter Leitung von Martin Mathea. Auch der Chef der Kreisstraßenmeisterei, Alexander Hermann, nahm das Betonwerk unter die Lupe, das seit geraumer Zeit Spannungskorrosionen aufweist.
Der Begriff Korrosion kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie zersetzen oder zerfressen. Bezogen auf die Ritterhuder Hamme-Überführung heißt das: Die Einlagen aus hochfestem Spannstahl, die den Beton „zusammendrücken“, sind zwar angenagt, aber noch bedingt leistungsfähig. Allerdings muss die Stabilität der Brücke nach Mitteilung des Landkreises in einem Jahr erneut inspiziert werden. Normalerweise werden Brückenbauten in Deutschland alle sechs Jahre einer Hauptprüfung und drei Jahre danach einer einfachen Prüfung unterzogen. Dass ein „mobiles Unterflurbesichtigungsgerät“ also in zwölf Monaten erneut anrücken soll, unterstreicht: Die Ritterhuder Dammbrücke wird vom Landkreis als Sorgenkind eingestuft. Sie weise seit einiger Zeit einzelne Spannungsrisskorrosionen auf, die eine regelmäßige Überprüfung notwendig mache, um weitere Schäden frühzeitig zu erkennen, heißt es in einer Erklärung.
Mittelfristig geht denn auch nach Meinung des Landkreises kein Weg an einem Brückenneubau vorbei. Er sei eines Tages zwingend erforderlich, teilte Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann mit. Über den Zeitpunkt könne allerdings noch keine Aussage getroffen werden. So lange sich keine Rissbildung im Spannbeton zeige, dürfe sie weiterhin „gewichtsbeschränkt“ (3,5 Tonnen) genutzt werden. Die Kosten für einen Brückenneubau im Zuge der Kreisstraße 44 (Dammstraße) liegen nach ihren Worten im einstelligen Millionenbereich. Geld, das die Kasse des Landkreises belastet. Und für die Inspektion muss er bis zu einem Neubau jedes Jahr rund 10 000 Euro aufwenden.
Die „Gesundheitschecks“ sollen übrigens immer nach dem Einbringen der Ernte stattfinden. Für die Landwirte gibt es in dieser Zeit eine Ausnahmegenehmigung, damit sie die Dammbrücke mit ihren schweren Fahrzeugen überqueren können und keine großen Umwege in Kauf nehmen müssen. Die Sorge, dass sich der Verkehr aufgrund der Brückensperrung für über 3,5 Tonnen schwere Fahrzeuge in der Riesstraße stauen werde, hat sich nach den Worten von Alexander Hermann übrigens nicht bestätigt. Probleme habe es seinerzeit wegen des Baustellenverkehrs im Zuge der Realisierung der neuen Ritterhuder Ortsmitte gegeben, so Hermann.