Nach zwölf Überschussjahren in Folge schreibt das Osterholzer Kreiskrankenhaus 2024 erstmalig wieder rote Zahlen. Und 2025 wird nicht besser, im Gegenteil. Das besagen die Wirtschaftspläne fürs laufende und fürs kommende Jahr. Dass die kreiseigene Klinik nicht schon 2023 in die Miesen gerutscht war, lag an staatlichen Energiepreis-Hilfen und verzögert eingetroffenen Tariferhöhungen. Wilfried Pallasch von der Bürgerfraktion sagt, dabei handele es sich um Einmaleffekte, die sich schon 2024 nicht wiederholt hätten. Der Vorsitzende des Krankenhausausschusses weiß: Auf das veranschlagte Defizit von 783.000 Euro, das letztlich noch etwas kleiner ausfallen könnte als erwartet, folgt 2025 erneut ein Minus: Es wird von der Klinikleitung auf fast 1,1 Millionen Euro taxiert; die Gesamtaufwendungen klettern auf mehr als 46,56 Millionen Euro.
Baulich und personell sei das kreiseigene Spital sehr gut aufgestellt, findet Pallasch. Seit Jahrzehnten steht es finanziell auf eigenen Beinen, ohne einen Betriebskostenzuschuss aus der Landkreis-Kasse zu benötigen. Dabei bleibt es auf einstweilen auch – was angesichts der Situation in der Branche durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. In vielen anderen Krankenhäusern ist die Lage, unabhängig vom Träger, inzwischen existenzbedrohend geworden. Bei der Ursachenforschung zeigen Pallasch sowie der Osterholzer Landrat Bernd Lütjen und der Linken-Abgeordnete Herbert Behrens eine seltene Einigkeit: Aus ihrer Sicht stehlen sich Bund und Land aus der Verantwortung.
Land erhöht Investitionsumlage
Während in Berlin die Gesundheitspolitik und die Krankenversicherung geregelt werden – und damit eine auskömmliche Finanzierung des Betriebs –, ist Hannover für die Krankenhaus-Planung und -Investitionen zuständig. Doch weil der Investitionsstau nicht nur in Niedersachsen mittlerweile immens ist, hält das Land bei den Kreisen und kreisfreien Städten gleichzeitig auch die Hand auf. Die Umlage, von der das Kreiskrankenhaus beim Bau von Intensiv- und Pflegestation zuletzt auch profitieren konnte, ist aus der Landkreis-Perspektive kein gutes Geschäft. Zwar wurde die Klinik mit 10,5 Millionen Euro für die beiden überfälligen Modernisierungsprojekte bedacht. Doch über die Krankenhausumlage gibt der Landkreis Osterholz alljährlich auch siebenstellige Beträge an das Land ab, wie Landrat Lütjen betont.
Das Ausmaß überraschte zuletzt selbst ausgewiesene Finanzfachleute wie Kreis-Kämmerer Florian Hinzelmann. Unmittelbar vor dem Kreistagsbeschluss zum Landkreis-Haushalt 2025 musste Hinzelmann den Ausgabeposten für die Umlage von jährlich 1,87 Millionen Euro um 30 Prozent nach oben schrauben. Aufgrund eines Sonderprogramms, das per Runderlass des Ministers bis 2048 laufen soll, muss der Landkreis damit fortan 2,44 Millionen Euro pro Jahr für die Krankenhausumlage nach Hannover überweisen. Das Geld stammt aus dem Kreis-Etat, nicht aus dem der Klinik. Das Krankenhaus selbst finanziert hingegen die lange geplante Standortverlegung der Wache für Notarzt und Notarztfahrzeug auf die Nordseite des Klinikgeländes. Ein Investitionskredit von bis zu 2,3 Millionen Euro steht für den Neubau im Wirtschaftsplan des Kreiskrankenhauses bereit. Er soll 2025 fertig werden.
Ungewisse Zukunft
Die Kritik des Linken-Abgeordneten Behrens richtet sich unterdessen gegen die Krankenhausreform, die im November denkbar knapp den Bundesrat passiert hatte und vom Land Niedersachsen nicht verhindert worden sei – entgegen der Ankündigung, die Landesgesundheitsminister Andreas Philippi wenige Monate zuvor bei seinem Besuch in Osterholz gemacht hatte. Behrens moniert, im Gesetz fehlten eine Folgenabschätzung und die Abkehr von der Frage "Was kann ich abrechnen?" hin zu der Frage "Was braucht der Patient?" Statt den Krankenhäusern Planungsunsicherheiten zu nehmen, werden diese mit der Reform weiter vergrößert, denn neue Erlös-Grundlagen gelten erst ab 2027. Die Insolvenzrisiken haben Behrens zufolge damit vorerst weiter Bestand, auch wenn sie nicht das Osterholzer Krankenhaus betreffen.

Krankenhausleiterin Doris Sonström.
In einer aktuellen Kreistagsdrucksache lässt die Osterholzer Klinikchefin Doris Sonström die Abgeordneten wissen, die Wirtschaftsplanung 2025 sei "durch erhebliche Unsicherheiten geprägt". Klar sei aber, dass nicht alle Kostensteigerungen refinanziert würden. Diese betreffen sowohl Tariferhöhungen fürs Personal als auch die IT- und Wäscherei-Dienstleistungen. Eingepreist hat Sonström plus vier Prozent für die Beschäftigten und plus drei Prozent Material- und Sachkosten, wobei sich das nicht auf den Strom- und Gas-Einkauf bezieht. Die Energiepreise sinken laut Kalkulation zwar leicht, bleiben aber auf hohem Niveau.
Hohe Tarifabschlüsse erwartet
Die Forderungen der Ärzte, deren Gewerkschaft Marburger Bund ab 15. Januar 2025 nun zum Streik aufruft, belaufen sich nach Schätzungen der Krankenhaus-Leitung allerdings auf "in Summe rund 20 Prozent". Fürs Pflegepersonal geht die Gewerkschaft Verdi mit einer umfangreichen Forderungspalette in die erste Verhandlungsrunde am 24. Januar. Allein das Tarif-Plus, welches für die meisten Beschäftigten immerhin über das Pflegebudget abgedeckt wird, soll linear acht Prozent betragen.
Kritisch bleibt es derweil auf der Einnahmenseite, wobei der Budgetverhandlungen mit den Kassen für 2025 erst noch geführt werden müssen. Eine außerplanmäßige Erhöhung des Landesbasisfallwerts ist bei alledem nicht in Sicht, wohl aber ein anhaltender Trend weg von stationären hin zu ambulanten Behandlungen. Das wird die Erlöse für die Klinik eher sinken als steigen lassen.