Landkreis Osterholz. Nach dem Koalitionsvertrag vom November 2017 strebt Niedersachsens Landesregierung bis 2022 „stufenweise die Einführung des kostenfreien Schülerverkehrs im Sekundarbereich II (Gymnasiale Oberstufe und Berufsbildende Schulen)“ an. Weil das Land diesem Ziel bisher nicht erkennbar näher gekommen ist, melden sich nun der Landeselternrat und der Landesschülerrat gemeinsam zu Wort. Sie erinnern in einem offenen Brief die Ministerien und die Abgeordneten an das politische Ziel vom Beginn der Wahlperiode.
Auch Detlev Hansing, der als früherer Kreis-Elternsprecher noch immer über gute Kontakte nach Hannover verfügt, ist beunruhigt. Er empfiehlt den Kreis- und Stadtelternräten, ebenfalls den Druck auf die Politiker zu erhöhen. „Die Beförderungskosten belasten insbesondere die einkommensschwachen Familien. Bildungsgerechtigkeit darf aber nicht von der Einkommenssituation der Eltern abhängen“, sagt Hansing. Der Landkreis Osterholz hatte bislang weder Mittel noch Möglichkeiten gesehen, aus eigener Kraft zu helfen. Zwar sollte das Thema im Zweckverband Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen angesprochen werden, doch noch seien die Vorgaben aus Hannover unklar, hieß es im vergangenen Jahr.
Hohe Kosten erwartet
Gestritten wird darüber, wie hoch die entstehenden Mehrkosten letztlich ungefähr wären und vor allem, wer sie dann zu tragen hätte. Ein landesweit buntes Geflecht aus Tarif- und Verkehrsverbünden, Zuständigkeiten und Vertragsbeziehungen behindert ein Vorankommen zusätzlich. Darauf wies im November 2020 der frühere Osterholzer Kreisdezernent Richard Eckermann hin, der inzwischen im Verkehrsministerium in Hannover mit der Sache befasst ist.
Im Verkehrsausschuss des Landtags informierte der Ministerialrat die Abgeordneten seinerzeit darüber, dass die Landkreise als Träger von Busverkehr und Schülerbeförderung wegen des sogenannten Konnexitätsprinzips hohe Ausgleichsforderungen erheben würden, wenn ihnen die Ticket-Einnahmen der Sek-II-Schüler einfach per Landesbeschluss wegfielen. Jede Ausgleichsberechnung wäre hochkomplex, zumal einige Kommunen bereits heute mehr für Rabatte tun als andere. Bei weiten Wegen müssten sich auch mehrere Verkehrsverbünde untereinander neu verständigen, für die Schiene gebe es andere Verantwortlichkeiten als für die Straße, und wie kann man den Bufdis helfen?
Zusatzproblem: Schon heute klagen die Landkreise, die Landeshilfen für bereits ermäßigte Schülertickets seien nicht auskömmlich. Doch ohne einen kommunalen Eigenanteil werde es aus Sicht des Verkehrsministeriums keine Verbesserungen für Oberstufenschüler geben können. Alles andere wäre eine Vollkasko-Mentalität der Landkreise, so der ehemalige Dezernent. Ein erster Schritt könnte, wenn die ÖPNV-Träger denn mitziehen, aus Landessicht in verbilligten regionalen Schüler- und Azubi-Tickets bestehen, die den Nutzer höchstens 30 Euro kosten – rund um die Uhr im gesamten regionalen Tarifgebiet nutzbar.
Eckermann rechnet für seinen Vorschlag mit Mehrausgaben in zweistelliger Millionenhöhe, die frühestens im Landeshaushalt 2022/23 einzuplanen wären. Zunächst soll nun mit dem Landkreistag über Finanzvolumina und Verteilschlüssel verhandelt werden. Ein Gutachten für einen größeren Wurf hingegen sei erst etwas für die nächste Wahlperiode. Während Eckermann und die Mitglieder von CDU und SPD in Hannover erklärten, Politik sei nun mal die Kunst des Machbaren, sprachen die Bündnisgrünen von „Chaos, Murks und Flickenteppich“. Ihre Fraktion hatte das Thema im Januar 2019 angestoßen, das seither wie eine heiße Kartoffel durch Verkehrs-, Kultus- und Haushaltsausschuss des Landtags wandert.