Für den Worpsweder Kulturtourismus war dieses Buch ein Glücksfall: Klaus Modicks Roman „Konzert ohne Dichter“ hat 2015 unzählige Leser für den Ort interessiert und sie zu einem Besuch auf dem Barkenhoff und in den anderen Worpsweder Museen animiert.
Der Roman über die frühen Jahre der Künstlerkolonie erhielt nach seinem Erscheinen im Frühjahr 2015 glänzende Kritiken, platzierte sich wochenlang auf den vorderen Rängen der Spiegel-Bestseller-Liste und verkaufte sich wie „geschnitten Brot“. Nun gießt der Hamburger Germanist Bernd Stenzig Wasser in den Wein: Der ausgewiesene Kenner des Rilke-Werkes und der Worpsweder Kunstgeschichte übt in einem neuen Buch scharfe Kritik an dem Modick-Roman. Der in Oldenburg wohnhafte Autor habe seine zentralen Romanfiguren Rainer Maria Rilke und Heinrich Vogeler grob falsch gezeichnet, historische Abläufe nicht korrekt dargestellt und sich zudem noch in verfälschender Weise in Texten seiner Protagonisten bedient. Stenzig hat seine ungewöhnlich scharfe Kritik in dem Buch „Rilke und Vogeler – Irreführungen in Klaus Modicks ’Konzert ohne Dichter‘“ zusammengefasst, das jetzt im Berliner Verlag Karl-Robert Schütze erschienen ist.
Rilke als Schnorrer dargestellt
Als Klaus Modick seinen jüngsten Roman im Februar vor großem Publikum in der Worpsweder Großen Kunstschau unter dem bekannten Vogeler-Bild „Sommerabend“ vorstellte, verwies er wie auch im Buch selbst auf den fiktionalen Charakter seines Romans. Sein Ausgangspunkt sei die Frage gewesen, warum auf dem berühmten Vogeler-Gemälde mit der Barkenhoff-Familie vor dem Wohnhaus des Jugendstil-Künstlers ausgerechnet Rainer Maria Rilke fehlte. Daraus entwickelte der Schriftsteller einen höchst unterhaltsamen Roman, in dessen Mittelpunkt die Freundschaft Rilkes mit Vogeler steht. Der junge Dichter kommt dabei nicht besonders gut weg, er wird von Modick als ziemliches Ekelpaket und Schnorrer dargestellt. Und auch die Charakterisierungen der jungen Worpsweder Künstlerschaft gereichen diesen Gründern der Künstlerkolonie nicht in jedem Fall zum Vorteil.
Bernd Stenzig, der an der Universität Hamburg lehrte und unter anderem zahlreiche Bücher zur Worpsweder Kunstgeschichte und speziell zu Heinrich Vogeler veröffentlichte, hat in seinem neuen Buch zum Buch die fiktionale Darstellung Modicks korrigiert. Er stellt dar, wie sich Rilke und Vogeler kennenlernen und gegenseitig schätzen, wie Rilke im Spätsommer 1900 nach Worpswede auf den Barkenhoff kommt und beschließt, sich in dem Ort niederzulassen. Mit dem hämischen Zerrbild, das Modick zeichne, habe diese Wirklichkeit wenig zu tun, ärgert sich Stenzig, der die Roman-Darstellung schlicht als Tratsch-Geschichte charakterisiert.
Nun gesteht der Hamburger Wissenschaftler dem Autor eines historischen Romans natürlich das Recht zu, Geschichte frei zu interpretieren. Die Gefahr sei allerdings, dass Leser diese Darstellung für bare Münze nähmen.
Als noch problematischer empfindet Bernd Stenzig den von ihm geführten Nachweis, dass Klaus Modick ganze Erzählabschnitte aus Heinrich Vogelers Autobiografie „Werden“ leicht abgewandelt übernommen hat. Dabei und bei Texten Rilkes erwecke er fälschlicherweise den Eindruck einer getreuen Wiedergabe historischer Dokumente. Zum Beleg sind in Stenzigs Neuerscheinung diverse Schilderungen Rilkes zur Worpsweder Landschaft einzelnen Romanfragmenten Modicks gegenübergestellt. Als Leser muss man dabei den Eindruck gewinnen, dass sich Modick bei Rilke nicht nur Anregungen holte, sondern ganze Passagen nur leicht verändert übernahm. So kommt der Kritiker des Romans zu folgendem Schluss: „Dass Modick Rilke niedermacht und sich hinterrücks bei ihm bedient – darin liegt die tiefe Unredlichkeit seines Romans.“
Bernd Stenzigs Buch ist im Verlag Karl-Robert Schütze, Berlin, erschienen, hat 56 Seiten und kostet acht Euro im Buchhandel und in den Worpsweder Museen.