Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Rentner Hermann Kage muss wegen seiner Fotovoltaik-Einkünfte mehr als 2000 Euro nachzahlen Solarstrom im Fokus der Krankenkasse

Worpswede. Mit Einnahmen aus einer Fotovoltaik-Anlage die eigene Altersversorgung aufstocken? Gute Idee, findet Hermann Kage und installiert im Jahr 2002 seine erste Anlage auf dem Hausdach. Doch was er nicht weiß: Ab Rentenbeginn sind höhere Krankenkassenbeiträge fällig.
12.01.2017, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Irene Niehaus

Worpswede. Mit Einnahmen aus einer Fotovoltaik-Anlage die eigene Altersversorgung aufstocken? Gute Idee, findet Hermann Kage und installiert im Jahr 2002 seine erste Anlage auf dem Hausdach. Doch was er nicht weiß: Ab Rentenbeginn sind höhere Krankenkassenbeiträge fällig. Da das selbst seiner Krankenkasse in seinem Fall erst viele Jahre später auffällt, soll der heute 69-jährige Worpsweder nun eine saftige Summe nachzahlen.

Um die Jahrtausendwende. Hermann Kage ist Anfang 50 und überlegt, womit er später seine Rente aufbessern kann. Er sieht überall Werbung für Solarstrom und fühlt sich angesprochen von den Anreizen für die umweltschonende, staatlich geförderte Energiegewinnung, die obendrein angeblich nichts koste. Ganz nach dem Motto: „Die Sonne schickt keine Rechnung.“ So schafft sich der gelernte Krankenpfleger einige Jahre vor Beginn der Rente eine Fotovoltaikanlage (PV-Anlage) an und finanziert die 52 000 Euro über Kredit. Zinsen und Tilgungen werden aus den Einnahmen, etwa 400 Euro monatlich, bestritten, so dass die Anlage lange Zeit keine Gewinne abwirft. 2006 geht Kage in Rente und kauft 2012 ohne Kredit eine zweite, mittlerweile viel günstigere 9,6-Kilowatt-Anlage, die aufs Scheunendach kommt. Der private Stromproduzent freut sich, die Einkünfte aus den Solar-Anlagen stocken seine Altersversorgung auf.

Was er nicht bedenkt sind die Auswirkungen auf die Beiträge zur Krankenversicherung. Bis zu seinem Renteneintritt ist Kage bei seiner Frau Anneliese, die damals einen ambulanten Pflegedienst betreibt, angestellt. Bis dahin zieht seine gesetzliche Krankenkasse nur sein Einkommen aus der Beschäftigung für die Bemessung seines Krankenversicherungsbeitrages heran. Einkommen aus der Solar-Anlage bleiben in dieser Phase bei der Krankenkasse unberücksichtigt. Anders sieht es ab Eintritt in die Rente aus. Bei Rentnern wird beim Beitrag neben der Rente auch anderes Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Dabei gilt allein die steuerliche Betrachtung. Einkünfte aus Fotovoltaik-Anlagen sind steuerliche Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb. Den hat Kage gleich zu Beginn angemeldet und die Höhe der Strom-Vergütungen immer über die gemeinsame Steuererklärung beim Finanzamt angegeben. Er zahlt Umsatzsteuer und nach den ersten Gewinnen seit dem Jahr 2012 auch Einkommenssteuer.

Dass die Solar-Einkünfte nach dem Renteneintritt auch zur Beitragsbemessung in der Krankenversicherung herangezogen werden, habe er nicht gewusst, sagt er. In seinem Fall passiert allerdings jahrelang gar nichts, obgleich die gemeinsamen Steuererklärungen mit dem Hinweis auf das Gewerbe Fotovoltaik auch an die Krankenkasse gehen. Drei Tage vorm jüngsten Weihnachtsfest dann ruft seine Krankenkasse an und räumt ein, jedes Jahr aufs Neue übersehen zu haben, dass er abhängig von seinen Fotovoltaik-Einkünften einen höheren Beitrag hätte zahlen müssen. Die Sachbearbeiterin entschuldigt sich für den Fehler, doch es hilft nichts. Ein paar Tage später trudelt eine dreiseitige Aufstellung mit den neuberechneten Beiträgen ein. 2169 Euro soll Hermann Kage nachzahlen. Er fällt aus allen Wolken. Der 69-Jährige recherchiert im Internet und erfährt zu seiner großen Überraschung, alles ist rechtens. „Da schützt Unwissenheit vor Strafe nicht.“ Er muss nachzahlen, die Verjährungsfrist läuft erst nach fünf Jahren ab. Kage legt Widerspruch ein, doch die Schiedsstelle der Krankenkasse macht ihm wenig Hoffnung. Für seine Einkünfte aus den PV-Anlagen muss Kage künftig zusätzlich 45 Euro an seine Krankenkasse überweisen. Dieses Geld fehlt ihm jetzt im Alter. Hermann Kage und seine Frau denken darüber nach, wie sie das missliebige Ergebnis umgehen können. Sollen sie die Anlage auf ein Familienmitglied übertragen, vielleicht auf einen Enkel? „Wir werden uns was einfallen lassen“, sagt Kage. Er bedauert den Kauf der Anlagen nicht. Doch hätte er, wie er sagt, die gleiche Summe, also rund 75 000 Euro, statt in eine umweltschonende Fotovoltaik in eine Wohnung investiert, wären seine Mieteinnahmen nicht krankenkassenbeitragspflichtig. „Aber weil ich Strom verkaufe, handel ich mit einer Ware und betreibe somit ein Gewerbe.“

„Weil ich Strom verkaufe, handel‘ ich mit einer Ware.“ Hermann Kage
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)