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Osterholz-Scharmbeck Angriff durch Hunde - Jagdpächter muss Reh erschießen

In der Brut- und Setzzeit gilt Leinenzwang für Hunde in der Natur. Trotzdem halten sich nicht alle daran. In einem Fall hatte die Uneinsichtigkeit nun tödliche Folgen. Augenzeugen sind erschrocken.
18.05.2022, 06:00 Uhr
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Angriff durch Hunde - Jagdpächter muss Reh erschießen
Von Christian Valek

Der Verstoß gegen die Anleinpflicht könnte für eine Kreisstädterin noch Folgen haben. Ihre zwei Hunde haben unweit von Melchers Hütte ein Reh aufgestöbert, angegriffen und bei anschließender Hetzjagd schwer verletzt. Der zuständige Revierpächter musste das Tier am Ende per Fangschuss töten. Der Vorfall ereignete sich in der Brut- und Setzzeit im Naturschutzgebiet Hammeniederung. Gegen die Frau wurde Anzeige erstattet: Es geht unter anderem um den Vorwurf der Wilderei.

Hunde schrecken Reh auf

Am frühen Sonntagnachmittag hatten zwei frei laufende Hunde im Naturschutzgebiet unweit von Melchers Hütte ein junges Reh aufgeschreckt. Bei der Flucht vor den Australian-Shepherd-Hunden sprang die Ricke  gegen einen Bretterzaun, ehe sie benommen in einem Graben landete. Auch dort ließen die zwei Hunde nicht von ihrem Opfer ab. Laut Augenzeugen wurde das wehrlose Wildtier an den Hinterläufen und im Rückenbereich verletzt und von den Hunden immer wieder attackiert. Erst das beherzte Einschreiten zweier Ausflügler bereitet dem wilden Treiben ein Ende. Die Hundehalterin nahm vom Vorfall keine Notiz: Sie war vorausgeradelt.

Spaziergänger hören Quieken

Die Spaziergänger waren auf die Situation aufmerksam geworden, als sie das flüchtende Reh laut quieken hörten. Die ganze Situation habe auf sie verstörend gewirkt, sagt der Worpsweder, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Auch nach Tagen beschäftige ihn das Erlebte. Fassungslos mache ihn nicht der Angriff der Hunde, sondern die gleichgültige Reaktion der herbeigerufenen Hundebesitzerin. Erst auf energische Zurufe der Spaziergänger habe sie reagierte und sei umgedreht.

Auch auf Nachfrage der Augenzeugen konnte die Frau kein Fehlverhalten bei den Hunden erkennen. Anstatt sich die Hunde zur Brust zu nehmen oder sich um das im Wasser liegende, verletzte Reh zu kümmern, beschuldigte sie laut Augenzeuge die zwei Ausflügler. Im folgenden Wortgefecht hagelt es Beschimpfungen. Auch das Eintreffen der längst alarmierten Polizei wollte sie nicht abwarten. Sie leinte ihre Hütehunde an und radelte davon, als sei nichts geschehen.

Unterkühltes Tier

Der von der Polizei verständigte Jagdpächter Timo Kahrs holte das unterkühlte Reh letztlich aus dem Graben. Er versuchte knapp eine Stunde lang, die schwer verletzte Jungreh zu stabilisieren – ohne Erfolg. „Es sackte immer wieder weg.“ Mit einem Fangschuss erlöste er die Ricke von ihren Qualen. „Es ging nicht anders.“ Jetzt geht es an die Suche nach den Schuldigen.

Für die Augenzeugen aus Worpswede und für Jäger Timo Kahrs sind nicht die Hunde, sondern die Hundebesitzerin verantwortlich. Die Frau habe die Australian Shepherds in der Brut- und Setzzeit im Naturschutzgebiet frei laufen lassen. Erst dadurch sei es zur Hetzjagd mit Todesfolge gekommen. „Die Halterin trägt die Verantwortung.“

Rechnung an Hundehalterin

Auch deshalb stellt er die Beseitigung des Kadavers der Frau in Rechnung. Kahrs hat gegen die Hundebesitzerin, die mittlerweile namentlich bekannt ist, Anzeige wegen Wilderei bei der Osterholzer Polizei erstattet. Das Worpsweder Ehepaar will die Osterholz-Scharmbeckerin ebenfalls anzeigen. Vor allem ärgere sie die Uneinsichtigkeit und Gleichgültigkeit der Hundehalterin, erläutern die Augenzeugen.

Timo Kahrs ist die Frau mittlerweile bekannt. Er hatte sie schon mehrfach im Revier angetroffen und sie darauf hingewiesen, ihre Hunde in der Brut- und Setzzeit an der Leine zu führen, so der Jagdpächter gegenüber der Redaktion. Auch seien ihre Hunde von Wildtierkameras beim Stöbern im Revier aufgenommen worden, wie Kahrs festgestellt hat. „Wir konnten die Tiere bislang aber nicht zuordnen.“ Sogar am Montagabend, einen Tag nach dem Vorfall, trafen und ein Jagdkollege die besagte Osterholz-Scharmbeckerin mit unangeleinten Hunden in seinem Revier an. Die Polizei wurde hinzugerufen. Die Beamten belehrten die Dame über die Rechtslage.

Verstoß gegen Anleinpflicht

Für den Osterholzer Polizeisprecher Henryk Niebuhr kommt es auf die Feinheiten in der Angelegenheit an. Ob der Vorwurf der Wilderei gegeben sei, müsse geklärt werden. In jedem Fall handele es um eine Ordnungswidrigkeit, sofern ein Verstoß gegen die Anleinpflicht vorliege. Der weitere Verlauf der Angelegenheit sei in der Schwebe.

Zur Sache

Landkreis ist eingeschaltet

Die Osterholzer Kreisverwaltung möchte zunächst das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen abwarten. Zu klären ist, ob der Vorfall als "Jagdwilderei" bewertet und strafrechtlich verfolgt wird, erläutert Kreissprecher Sven Sonström. Sofern der Vorgang nicht strafrechtlich verfolgt werde, sei zu prüfen, ob aufgrund "eines Verstoßes gegen die Leinenpflicht eine nachrangige Ahndung im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens in Betracht kommt". In diesem Verfahren müsse sowohl die Bestimmungen des Naturschutzgebiets Hammeniederung als auch Gesetze über den Wald und die Landschaftsordnung gewürdigt werden. "Beide Vorschriften sehen aktuell im betroffenen Bereich einen Leinenzwang vor." Der Landkreis werde sich dazu bei Bedarf mit der als Feld- und Forstordnungsbehörde zuständigen Stadt Osterholz-Scharmbeck abstimmen. "Das unangeleinte Laufenlassen von Hunden während der Brut-, Setz- und Aufzuchtzeit stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro geahndet werden kann", teilt Sonström weiter mit.

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