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Kunstmaler aus Osterholz Michael-Thomas Henze: Seine Magie ist die Fantasie

Die Arbeiten von Michael-Thomas Henze sind an vielen Stellen in Osterholz-Scharmbeck zu bewundern. Warum aber hat der Kunstmaler einst einen fliegenden Teppich konstruiert?
10.01.2025, 18:31 Uhr
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Von Michael Schön

Michael-Thomas Henze sitzt vor drei nebeneinander stehenden 27-Zoll-Bildschirmen, die wie die Teile eines Triptychons angeordnet sind und zusammen ein paradiesisches Panorama entfalten. „Die Möwe da habe ich selbst fotografiert. Und zwar in Cuxhaven-Duhnen“, erwähnt er nebenbei und lächelt schelmisch. Dann löscht er Felsen und Treibholz von den Monitoren, um an deren Stelle Palmen und Fischerboote auftauchen zu lassen. Die Tropeninsel mit Traumstrand hat er sich selbst zusammengebastelt, teilweise mit Fotos aus dem Internet, aber auch aus der Sammlung eigener Aufnahmen. Die Südsee-Szenerie wird bald einen Bremer Dachgarten zieren. Und zwar auf einer Gesamtbreite von stolzen 15 Metern.

Michael-Thomas Henze arbeitet im Dachgeschoss seines Hauses im Nordwesten Osterholz-Scharmbecks. Der 74-jährige Kunstmaler hat dort ein Atelier eingerichtet. Bei einem Stadtrundgang kann man Henzes Schöpfungen nachspüren. Er hat die Fassade des Scharmbecker Central-Theaters verziert, und die Wandbilder in der Osterholzer Bahnhofsunterführung sind ebenfalls sein Werk.

Das Triptychon der Bildschirme beansprucht viel Platz auf dem Arbeitstisch in der Mansarde. Dort wiederum hat Henze das Goldene Buch der Stadt Osterholz-Scharmbeck aufgeschlagen. Der letzte Eintrag ist der 100-Jahr-Feier der Scharmbeckstoteler Feuerwehr gewidmet. Das niedliche Spritzenwägelchen zum Thema der Seite hat Henze zu Papier gebracht. Aktuell bereitet der Osterholzer Künstler die Seite für die Besucher aus der Partnerstadt Grimmen vor, die Mitte Januar im Scharmbecker Rathaus erwartet werden. Henze schrieb, zeichnete und malte schon für das Goldene Buch der Stadt, als dort noch die inzwischen verstorbene Brigitte Escherhausen Bürgermeisterin war.

Porträts, gezeichnet oder gemalt

Bei den Cartoons spielt Henze meisterhaft mit dem Aha-Effekt, den eine erst auf den zweiten zündende Pointe erzielt. Er hat auch zahlreiche Ehrengäste der Stadt gezeichnet, darunter Margot Käßmann, als die frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland im Rathaus einen Vortrag für den Loccumer Kreis hielt. Dafür genügte ihm ein Foto als Vorlage.

Henze öffnet eine Bilddatei und vergrößert das darin enthaltene Dokument. Es handelt sich um ein weiteres Frauen-Porträt. Es sollte ein Geburtstagsgeschenk für die Angetraute eines 1989 in Garlstedt stationierten US-Offiziers werden. Deren Antlitz hat er mit Öl auf Leinwand gebannt. Und zwar in einer Detailschärfe, die es dem Betrachter ermöglicht, vom Pelzmantel der Dame jede einzelne Haarfaser zu erfassen.

„Ich bin Kunstmaler“, betont Henze. Tatsächlich ist das sein Brotberuf. Henze bestreitet seinen Lebensunterhalt größtenteils damit, dass er den Fahrgeschäften von Schaustellern Charme, Witz und Farbigkeit verpasst – auf dem Scharmbecker Herbstmarkt natürlich, aber auch auf dem Bremer Freimarkt, dem er eine „Burg“ spendiert hat, an der unter anderem Glühwein ausgeschenkt wird. Sie ist sieben Meter breit, acht Meter hoch und fast ganz allein sein Werk. „Ich habe den Entwurf gezeichnet, die Bauteile aus Schaumstoff herausgeschnitten, sie dann in Glasfaserverstärkten Kunststoff eingepackt und das Ganze dann bemalt. Hat ein paar Monate gedauert.“

Aus der Innenwelt in die Außenwelt

Henze weckt und stillt Sehnsüchte. Seine Magie ist die Fantasie. Er verfügt über die Fähigkeit, die eigene Vorstellungskraft und die Träume der Anderen in die Außenwelt zu übertragen. Er entwirft Theaterkulissen und erfüllt Aufträge, die er von großen Firmen bekommt. Für die Bremer Straßenbahn hat er per Montage Bus und Bahn sowie Rathaus und Roland auf ein gemeinsames Foto gebannt. Der Mann arbeitet überhaupt gern und häufig mit Illusionen: So hat er einer schnöden Doppelgarage in Lilienthal eine Fassade gegönnt, die durch die Wahl von „Stein“ und Stil perfekt zum echten Bauernhaus daneben passt.

Das Dachgeschoss des Hauses, das nicht weit entfernt von Gut Sandbeck steht, ist nicht nur Atelier, sondern auch Denkfabrik und Werkstatt. Henze ist zugleich Designer und Restaurator. Die Stadt trägt etliche Spuren seines Schaffens. 2004 hat er sein Multitalent am Brunnen von Sankt Willehadi bewiesen. 2018 am Ehrenmal in Lintel. Und er hat auch die Uhr der Pennigbütteler Schule umgebaut, optisch aufgewertet und elektrifiziert.

Spaß am Tüfteln

Der Kunstmaler ist ein Multitalent, auch technisch hochbegabt. Er hat in Hildesheim Kunst und Design studiert, aber auch die Ingenieurschule in Hannover-Ricklingen besucht. Sohn eines Lehrers, hat er seinen Erfindergeist offenbar von seinem Großvater übernommen. Otto Henze war Inhaber einer Fahrradmanufaktur und hat unter anderem das Patent für einen sich „selbststabilisierenden Fahrradanhänger“ erworben. „Aus einem Rohr geschaffen. Es reichte über zwei Stockwerke und wurde nach dem Erhitzen mit Sand befüllt, um es in die gewünschte Form zu bringen“, erzählt der Enkel mit leuchtenden Augen.

Er selbst hat einmal einen fliegenden Teppich für eine Theateraufführung konstruiert. „Aladin“ schwebte auf einem Motorrad dahin, das mithilfe einer Kartonage, beklebt mit Spiegelfolie, von den Trittbrettern abwärts Unsichtbarkeit erlangte. Als Henze sich mit dem sonderbaren Gefährt nach Worpswede aufmachte, natürlich auf Schleichwegen, wurde er nicht nur von den anderen Verkehrsteilnehmern bestaunt und fotografiert, sondern schließlich auch von einer Polizeistreife gestoppt. Sie ließ ihn aber nach einigem Hin und Her passieren.

Von Henze stammen auch die „Begrüßungsschilder“, die unter anderem den sich von Tietjens Hütte der Stadt nähernden Besucher empfangen. Oder am Kreisverkehr in Lintel und am Portal der Kaserne in Garlstedt. In den 1980er-Jahren hat der Kunstmaler im Scharmbecker Rathaus gearbeitet: Er war Betreuer in der damals noch dort angesiedelten Jugendwerkstatt. Und vorübergehend hat er auch das Lehramt ausgeübt, für das er in Hildesheim studiert hatte: In der KGS Hambergen unterrichtete Henze Kunst und Technik. Der Mann kann wahrlich auf ein erfülltes Berufsleben zurückblicken. „Ich habe immer die Abwechslung geliebt“, sagt er.

Zur Sache

Zwei Monate vor dem Mauerbau geflohen

Michael-Thomas Henze lebt seit 1982 in Osterholz-Scharmbeck, hat aber den größten Teil seiner Kindheit in seiner Geburtsstadt Halle an der Saale und in Halberstadt verbracht. Er war elf Jahre alt, als der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 den Deutschen und der ganzen Welt versicherte, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten. Drei Tage später kehrte Henzes Familie dem sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken. „Die Eltern wollten den politischen Verhältnisse entfliehen.“ Der Vater war Lehrer. Und sie gingen gerade noch rechtzeitig, denn schon zwei Monate später wurden an der Grenze des sowjetischen Sektors zu West-Berlin provisorische Absperrungen errichtet und die Fahrbahnen der Verbindungsstraßen zerstört.

„Der Vater ist mit seinem Motorroller und mit mir auf dem Rücksitz nach West-Berlin geflüchtet, die Mutter hat mit meiner Schwester den Zug genommen und ist dann mit der S-Bahn weiter nach Marienfelde ins damalige Notaufnahmelager“, erinnert sich der heute 74-Jährige. Das Quartett reiste mit dem Flugzeug nach Hannover und kam über Braunschweig nach Hildesheim, wo der Vater wieder eine Stelle im Schuldienst übernahm. Michael-Thomas Henzes künstlerische Begabung wurde bereits im Grundschulalter entdeckt und gefördert. Trotzdem träumte er zunächst davon, einen technischen Beruf zu ergreifen, wie sein Großvater Otto, der Erfindergeist besaß und eine Fahrradmanufaktur betrieb.

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