Matthias Renken ist sichtlich bewegt. „Das war sehr emotional“, sagt der Geschäftsführer der Stadthalle Osterholz-Scharmbeck. Er ist etwas heiser, denn er macht an diesem Abend das, was wohl fast alle der gut 3000 Gäste auf dem Gelände der Stadthalle von Osterholz-Scharmbeck tun: laut mitsingen, klatschen, tanzen. Nicht nur für Matthias Renken ist dieser Abend emotional, auch für einen Großteil der Menschen, die zum "Heimspiel" – so der Titel des Abends – der Band Versengold geströmt sind.
Versengold ist 2003 unter anderem von Sänger Malte Hoyer gegründet worden. „Unsere ersten Konzerte haben wir im Kuz gespielt“, ruft er dem Publikum zu. Bassist Eike Otten ist ein Kind der Kreismusikschule. Logisch, dass alte Freunde und Familie Hoyer mit Kind und Kegel beim Open-Air-Konzert dabei sind. „Heimspiel“ fügt sogar alte Familienbande wieder zusammen. „Ich habe hier eine Tante getroffen, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen habe“, sagt Sascha Hoyer gut gelaunt. Er ist ein Cousin des Sängers.

Gut gelaunt und extrem textsicher lassen sich die Fans vor der Bühne vom Auftritt der Band mitreißen.
Auf der Bühne lässt Malte Hoyer später nicht nur seine Mutter, sondern alle Mütter hochleben. Sie „schämt sich jetzt bestimmt“, schiebt der Sänger hinterher, bevor die Band den Song „Haut mir kein’ Stein“ vom Album „Funkenflug“ anstimmt. Es ist einer der nachdenklichen Momente des Abends, die bei dem einen oder anderen im Publikum für Tränen sorgt. In diesem Stück verarbeitet Malte Hoyer einen schweren Autounfall, den er vor Jahren überlebte. Als seine Eltern ihn danach am Flughafen empfingen, waren sie um Jahre gealtert.
Aber selbst die nachdenklichen Stücke verströmen eine gewisse Fröhlichkeit. Und darum geht es an diesem Abend: um Party und Spaß, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum. Es ist eine Mischung aus Familienfest und Wacken Open Air. Denn Versengold hat nicht nur Fans unter den Erwachsenen. Die Band hat sich auch in die Herzen der Kinder gespielt. Ein Mädchen hat ihren Rollstuhl ganz mit Versengold dekoriert und trifft ihre Idole kurz vor dem Konzert hinter der Bühne. Andere Kinder tanzen den ganzen Abend meistens mit ihrer Mutter, manchmal mit dem Vater. Dabei hören sie die Musik gedämpft, denn ihre Eltern haben daran für sie an Ohrenschützer gedacht.
Textsichere Fans
Klassiker wie „Der Tag, an dem die Götter sich betranken“, „Thekenmädchen“ oder Songs vom 2023er-Album wie „Glimmer und Gloria“ oder „Flaschengeist“: Alles, was die Band bringt, sind Selbstläufer. Die Besucher tanzen, liegen sich in den Armen und lassen es sich gut gehen. Dazu gibt es nicht nur die entsprechende Lightshow, sondern ordentlich Pyrotechnik. Dass die Menschen vor der Bühne mitsingen, ist klar. Beispiel „Thekenmädchen“: Bei „nie, nie, nie“ recken alle die Arme mit ausgestrecktem Zeigefinger hoch und singen die Textstelle mit. Und nicht nur die! Malte Hoyer muss eingestehen, „dass Ihr den Text besser könnt als ich.“
Bis zum Auftritt von Versengold haben die Fans üben können. Denn Punkt 19 Uhr startet das Konzert mit dem musikalischen Comedy-Duo „Reis Against The Spülmachine“ aus Oldenburg und Buxtehude. Hits bekommen bei Hanke Blendermann, Künstlername „Onkel Hanke“, und Philipp Kasburg, „Don Filippo“ einen völlig neuen Alltagssinn. Die beiden sind an diesem Ort als Support von Versengold genau richtig. Ihr Motto: „Wir sind hier, um Euch auf den Sack zu gehen.“

Als Versengold die Bühne betritt, ist es längst dunkel geworden und die Light- und Pyrotechnik-Show entfaltet ihre volle Wirkung.
Bei denen wird aus José Felicianos Weihnachtslied „Feliz Navidad“ von 1970 die Handwerker-Hymne „Flies’ mal das Bad“. Tenor: „Wir brauchen Zwei-Komponenten-Kleber!“ Solch ein Song ist für das Publikum ein Auftakt nach Maß. Beim Cover von Achim Reichels „Aloha He“ singen alle mit – allerdings geht es bei den beiden Jungs so: „Ayurveda Tee“. Für die Fans heißt es: Auf den Boden setzen und rudern. Das kommt noch mehr Spaß beim Publikum auf.
Getoppt wird das noch von der zweiten Vorgruppe des Abends: Mr. Hurley & Die Pulveraffen aus Osnabrück. Die Band hat ihre eigene Fanbasis. Klar also, dass einige vor allem wegen Mr. Hurley angereist sind. Auch Jan und Tina aus Glinstedt, einem Ortsteil von Gnarrenburg, gehören zu den Fans von Mr. Hurley und sind seit 20 Jahren Festival-Gänger. Aber nicht nur die eingefleischten Hurley Fans, sonder das gesamte Publikum hat Spaß an der Vorgruppe. Die Folk-Rock-Band singt über das Seemanns- und Piratenleben. Ihre Lieder handeln entsprechend von Wein und Gesang.
Als Mr. Hurley & Die Pulveraffen Songs wie „Leuchtturm“ und „Blau wie das Meer“ schmettern, hält es die Hartgesottenen nicht mehr – sie machen eine Polonaise und ziehen fröhlich übers Gelände. Da dürfen sich selbst die Kinder einreihen. Der Refrain von „Leuchtturm“ geht übrigens so: „Ich hab’ die Lampen an, ich bin ein Leuchtturm. Ihr seid so wunderschön, ich will Euch doppelt sehen.“
Genau um 21 Uhr nimmt „Versengold“ die Bühne in Besitz und das Sextett eröffnet mit „Glimmer und Gloria“ sowie Pyrotechnik ihre zweistündige Show. Überall auf dem Platz geht es nun richtig los und jeder wird von der Atmosphäre gepackt. Es wird für alle ein emotionaler Abend.