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Zeugnisverleihung in Osterholz Büffeln für neue Perpektiven

Nach einem Jahr pauken halten 25 Absolventinnen und Absolventen ihren nachgeholten Hauptschulabschluss in den Händen. Was sie sagen.
12.09.2025, 17:30 Uhr
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Von Lena Hamel

Der Wechsel von der Universität in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, in die Räume des Hauptschulabschlusskurses in Osterholz-Scharmbeck fiel Milad Faizi nicht leicht. „Das ist schon schwer, aber wir haben keine andere Möglichkeit. Anders geht es nicht“, sagt der junge Mann im blauen Anzug, während er die rote Rose und sein Zeugnis in den Händen hält. Vor zweieinhalb Jahren studierte er in Kabul noch Wirtschaftswissenschaft. Früher wollte er in den Großhandel, das Fach hat ihn in der Universität besonders interessiert. Ein Hauptschulabschluss reicht in Deutschland aber nicht, um diese Ausbildung zu beginnen. Jetzt lernt er seit einem Jahr in einer Bäckerei den Fachverkäufer. Vielleicht macht Faizi noch einen Realschulabschluss, sagt er. Auch wenn er glaubt, dass sein Deutsch für die Realschule oder das Abitur nicht gut genug ist. Mathematik liegt ihm auf jeden Fall, das wird auch an seinem Zeugnis deutlich, auf dem für dieses Fach eine Eins steht. Schrieb er mal eine Zwei, bekam Dominik Schmengler, Koordinator des Hautschulabschlusskurses in Osterholz-Scharmbeck, noch nachts eine Whatsapp-Nachricht, wie das denn sein könne, erzählt Schmengler mit einem Schmunzeln.

Alexander Starostin von der Bildungsstätte Bredbeck rät den 25 Absolventinnen und Absolventen für ihre Zukunft: „Habt keine Angst, Fehler zu machen. Fehler zu machen, bedeutet in erster Linie, dass man etwas versucht“. Von August 2024 bis Juli 2025 lernten die Absolventen fleißig für die Prüfungen des Hauptschulabschlusses. Bereits zum siebten Mal haben sich die Volkshochschule, die Bildungsstätte Bredbeck, das Lernhaus am Campus und die Jugendwerkstatt zusammengeschlossen, um jungen Menschen eine zweite Chance zu eröffnen: Den Hauptschulabschluss nachholen zu können. Finanziert vom Landkreis Osterholz, soll das Angebot nicht nur den Weg in Ausbildung und Beruf ebnen, sondern auch Perspektiven für das gesamte Leben schaffen. Auf dem Stundenplan standen dabei nicht allein die klassischen Fächer wie Deutsch, Mathe, Erdkunde, Geschichte, Politik und Biologie. Genauso wichtig war es, soziale Fähigkeiten zu trainieren, demokratische Werte einzuüben und eine klare Vorstellung von der eigenen beruflichen wie persönlichen Zukunft zu entwickeln.

Vom Blumenladen in die Grundschule

Ehemalige, Teilnehmende aus dem aktuellen Kurs, Freunde und Verwandte sind gekommen, um den zukünftigen Auszubildenden zu gratulieren. Feruze Kaporjs Sohn schafft es noch gerade so in den Großen Saal des Kreishauses I, um die Zeugnisübergabe an seine Mutter nicht zu verpassen. Er hat sich früher freigenommen. Heute ist er Geselle, hat Maler und Lackierer gelernt, nachdem er vor zwei Jahren den gleichen Kurs wie Feruze Kaporj erfolgreich bestand. Er überlegt, den Meister zu machen. „Ich habe Respekt vor meiner Mutter. Sie ist ihren Weg gegangen, hat sich zusammengerissen und durchgezogen“, sagt er stolz. Seit zehn Jahren lebt sie in Deutschland und arbeitet in einem Blumenladen. Kaporj möchte aber Betreuerin für Grundschulkinder sein, braucht dafür einen Abschluss sowie eine Ausbildung, die nun als nächster Schritt folgt. Oft musste sie ihre Arbeitszeiten für das Zeugnis, das sie nun in den Händen hält, verschieben, um nachmittags lernen zu können. Manchmal war das gar nicht so leicht mit drei Kindern, um die sie sich allein kümmert, sagt sie.

Eigeninitiatives Lernen für die externe Nichtschülerprüfung

Nicht so leicht war es auch für Isabell Wöbbeking in der staatlichen Schule. Durch die Lehre während der Covid-19-Pandemie und dem vermehrten Unterrichtsausfall hat es mit dem Lernen immer etwas gehapert, sagt sie. Wöbbeking schaute sich mit ihren Eltern nach Alternativen um, was sich zunächst schwieriger als gedacht herausstellte. Über die Volkshochschule Osterholz-Scharmbeck fanden sie dann zu Dominik Schmengler und dem Hauptschulabschlusskurs. Letztes Jahr Weihnachten schenkten ihr ihre Eltern Arbeitshefte mit Mathe- und Deutschaufgaben. Auch wenn sie dort nicht viel reingeschaut hat, wie sie selbst sagt, ist Isabell Wöbbeking eine der Schülerinnen, die die externe Nichtschülerprüfung erfolgreich ablegte. Weil die Kapazitäten des Kurses bereits erschöpft waren, bereiteten sich vier der Absolventen eigeninitiativ zu Hause auf die Prüfungen vor.

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Wöbbeking liebt es zu kochen, backen, aufzuräumen und Wäsche zu machen. Deshalb starten für sie nächstes Jahr die Hauswirtschaftskurse an der BBS. In der Zukunft möchte sie mit Kindern arbeiten, vielleicht in einem Kindergarten, so Wöbbeking. Das Praktikum dort, hat ihr jedenfalls sehr gefallen. Hätte sie einen Realschulabschluss, würde Wöbbeking eine Ausbildung zur Erzieherin machen - das ist nämlich ihr absoluter Traumberuf. Vielleicht zum letzten Mal verabschiedet sie sich mit einem „schönen Nachmittag Dominik“ von ihrem ehemaligen Lehrer Schmengler.

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