Um eine Kostprobe ihres Könnens gebeten, spielt Susanne Meier die vielleicht bekanntesten Töne, die je für ihr Instrument komponiert worden sind: Die Flötentöne aus der Auftrittsarie in Mozarts berühmtester deutscher Oper, mit der Vogelfänger Papageno vor allem Kinderherzen zu gewinnen pflegt. Dazu hat die Worpsweder Querflötistin und Musikpädagogin die Zuhörer – „wegen der Akustik“ – in ihr Musikzimmer gebeten, das ihrem verstorbenen Vater Otto als Atelier diente. Der war für seine Töpferkunst über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. „Er hat immer zu mir gesagt, dass wir irgendwie ja beide Tonkünstler sind“, schmunzelt Susanne Meier.
Wenn in Papagenos volksliedhafter Bariton-Arie die vielleicht bekanntesten Flötentöne überhaupt zu hören sind, dann war wohl Friedrich der Große der bekannteste Querflöten-Interpret. Dass der Preußen-König ein Könner auf diesem Instrument war, daran erinnert unter anderem auch ein Gemälde des deutschen Malers Adolph Menzel, das heute in der Alten Nationalgalerie in Berlin hängt. Es zeigt den Alten Fritz in seinem Musikzimmer in Sanssouci beim Musizieren.
Doch es waren weder der als kriegsführender Feingeist berühmt-berüchtigte Hohenzollern-Monarch noch Mozart, die Susanne Meier inspirierten, sich für die Flöte zu begeistern. Es waren vielmehr die Eltern, beide ausgesprochen musikbegeistert. „Ich bin mit Johann Sebastian Bach groß geworden. habe schon mit zwei Jahren aufgehorcht, wenn im Radio ein von ihm komponiertes Stück lief und allmählich ein Gefühl für seine Musiksprache entwickelt“, erinnert sich Susanne Meier. Ihr Vater Otto war ein für seine Keramiken international bekannter Töpfer. „Er war sehr diszipliniert, hat bis eine Woche vor seinem Tod mit 92 Jahren noch gearbeitet.“ Die früh verstorbene Mutter Gisela war ebenfalls Künstlerin. „Sie hat die Weberei im Schluh gelernt.“ Vieles von dem, was sie geschaffen hat, ist noch heute in Museen zu finden.
Die Mutter war es auch, bei der Susanne Meier ihren ersten Blockflöten-Unterricht genoss – nachdem die sich das Flötenspiel selbst beigebracht hatte. Über mehrere Umwege erhielt die Tochter dann von Renate Ruge von Rohden in Bremen ihre erste professionelle Ausbildung auf der Querflöte. „Da war ich 15 Jahre alt und damit ein wenig spät dran. Und als Violinistin wäre ich damit sicher zu spät dran gewesen“, glaubt sie.
Trotz der nicht ganz optimalen Voraussetzungen hat sie es als Solistin und auch im Ensemble zu einer Interpretin von hoher Reputation gebracht. „Ich passe allerdings wegen meines späten Einstiegs nicht sonderlich gut in ein Orchester. Das hätte ich auf die Dauer nervlich nicht so gut durchgestanden.“
Gleichwohl hat sie sich auch als Teamplayerin bewährt, ist mit dem Bremer Bach-Orchester und dem Dom-Kammerorchester „über die Lande getourt“ und hat ihren Part bei verschiedenen Oratorien sowie den großen Bach-Passionen gespielt. Die Kirchenmusik ist ihr ebenso vertraut wie die große Sinfonie und die Kammermusik.
2006 begründete sie mit anderen Musikerinnen das Trio Appassionato. Mit der Konzertpianistin Liga Skride gab sie Konzerte in Lettland, und im taiwanesischen Taipeh musste sie bei tropischer Witterung zusammen mit dem Pianisten Stephan Seebass akustisch einen riesigen Konzertsaal füllen. Auch eine CD-Veröffentlichung gibt es von ihr, unter anderem mit Kammermusik von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Susanne Meier ist aber auch sehr gerne in Worpswede und umzu unterwegs. Ulrike Dehning, Kantorin der Zionskirche, pflegt mit der Flötistin stets das Jahresabschlusskonzert der Worpsweder Orgelmusik sowie die Musik im Heiligabend-Spätgottesdienst zu gestalten. „Sie ist eine wunderbare Kammermusikpartnerin.“ Auch das jüngste Konzert in der Zionskirche fand ein begeistertes Publikum.
Lehrauftrag an der Kunsthochschule
Susanne Meier hält große Stücke auf die Kirchenmusik. „Leider gibt es viele Kantorinnen, die aufhören, ohne einen adäquaten Nachfolger mit entsprechender Einsatzbereitschaft für die Konzerttätigkeit zu finden.“ Nicht mehr ganz so häufig wie früher besetzt wird sie auch aus einem anderen Grund: „Der Trend geht ganz klar zur historischen Aufführungspraxis.“ Susanne Meier müsste sich dafür umstellen auf die barocke Traversflöte. Doch das will sie sich „nicht antun“.
Genug zu tun hat sie auch so allemal. Die Worpswederin ist unter anderem Lehrbeauftragte an der Hochschule für Künste in Bremen und erteilt auch privat Unterricht, für Fortgeschrittene ebenso wie für Einsteiger und Wiedereinsteiger. Die Querflöte ist in vielerlei Hinsicht ein sehr anspruchsvolles Instrument. „Schon die Haltung, die man beim Spielen einnehmen muss, ist anatomisch nicht die günstigste.“ Und auch konditionell ist der Interpret ziemlich gefordert. Ausdauersport treibt Susanne Meier jedoch nicht, sieht man von der Arbeit im großen Garten mit seinen riesigen Rhododendren, Heidegewächsen und Blaubeer- sowie Gagelsträuchern ab.
Drei Stunden und mehr übt sie täglich in der Vorbereitung auf ein Konzert. Das geht bisweilen nicht ganz ohne Überwindung. „Nach einem Tag mit viel Unterricht kann ich doch ganz schön müde sein.“ Doch sie hält es mit dem Dirigenten Hans von Bülow: „Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es, übe ich zwei Tage nicht, merkt es meine Frau, übe ich drei Tage nicht, merkt es mein Publikum.“
Als Ausgleich für die Anstrengungen des Musikerberufs unternimmt sie gerne Städtereisen – am liebsten nach Salzburg –, fotografiert und liest viel. Letzteres vor allem über Musik. Klar, dass sie die auch als reinen Hörgenuss schätzt. „Rock und Pop haben mich aber nie interessiert.“ Sondern barocke und kammermusikalische Werke sowie „Gesang aus verschiedenen Epochen“. Franz Schuberts Winterreisen-Zyklus hat sie gleich in vier verschiedenen Interpretationen im CD-Regal.