Stuhr-Moordeich. „Wir sind hier das Letzte“, sagt Linda Helmers scherzhaft. Sie bezieht diesen doppeldeutigen Spruch auf die Lage ihrer Bäckerei am Rande Moordeichs. Aber der Familienbetrieb ist eben auch der letzte im Ort, in dem noch wirklich alles selbst gebacken wird. Der Chef, Konditormeister Hermann Helmers, richtet den Blick auch auf die weitere Nachbarschaft: „Alle, die in Delmenhorst mal groß waren, sind inzwischen weg.“
Doch was ist das Geheimnis, wie sich die Bäckerei Helmers über all die Jahre – 1935 von Hermann Helmers Senior, dem Vater des jetzigen Inhabers, zunächst in Kattenturm gegründet – hat halten können? Mögliche Antworten hat das Ehepaar Helmers viele. Die Nähe zum Kunden etwa. Ihr zufolge kennt sie praktisch jeden Stammgast mit Namen. Dann die Auswahl. „Haben wir nicht, gibt's nicht“, nennt Tochter Beate Brandt das Credo. Und tatsächlich: An den Café-Bereich schließt sich neben dem Tresen für das Backwerk eine Art Kiosk-Stand an, dahinter gibt es geschmierte Brötchen ebenso wie nahezu alles, woran es mal im heimischen Kühlschrank mangeln könnte. „Fast wie eine Tankstelle“, sagt Hermann Helmers.
Der 77-Jährige verweist auch auf die zahlreichen Spezialitäten: Butterkuchen, Hochzeitstorten, Kekse mit Nougat-Füllung oder das Schwarzbrot, allen voran aber der berühmte Helmerssche Butterklaben. „Der Schlitz ist gewollt, sonst würde er wild reißen“, erklärt er die Lücke im Teigmantel, der wiederum verhindern soll, dass die Rosinen verbrennen. Das sollen sie angeblich nie. „Das schafft sonst keiner in ganz Norddeutschland“, behauptet er stolz. Seine Gattin ergänzt nicht minder zufrieden, dass sich das eigene Produkt mit selbst gemachtem Marzipan noch „Bremer Klaben“ nennen darf. „Wir sind nur einen Kilometer von der Grenze zu Bremen weg, fünf dürfen es höchstens sein“, erklärt die 76-Jährige. Andererseits: „Die Leute kommen weit her, um den bei uns zu kaufen.“
Einst mussten zumindest viele nicht so lange fahren. Schließlich war Bäckerei Helmers auch mal „groß“, betrieb zwischenzeitlich fünf Filialen, war ansässig in Huchting und Delmenhorst und hatte einen Stand auf dem Wochenmarkt in der Bremer Neustadt. Einen solchen hat man seit langer Zeit nur noch auf dem Stuhrer Weihnachtsmarkt – so auch wieder am kommenden Wochenende. „Es heißt, wir sind am längsten da“, sagt Linda Helmers. Ansonsten gibt es seit vier Jahren nun nur noch Backstube und Geschäft an der Moordeicher Landstraße 30 mit zusammen elf Mitarbeitern.
Ist die Zukunft denn gesichert? „Es geht immer mal das Gerücht um, dass wir aufhören“, sagt Hermann Helmers, der 1955 in die Lehre ging und seither fast jeden Morgen um 2.15 Uhr aufsteht, um seinem Handwerk nachzugehen. Er wolle das auch noch eine Weile machen, fühle sich fit. Nur mit der Suche nach geeignetem Personal sei das mittlerweile so eine Sache. Und wenn der Nachwuchs die Nachfolge antreten würde, könnte der Betrieb seinen Bestandsschutz verlieren und müsste wohl groß investieren.
Apropos Verlust: Abgesprungen ist Anfang der 1990er-Jahre kurzfristig die Lufthansa als Großkunde, angeblich wegen Sparzwängen. „Die Tülle für den schwarzen Kranich auf weißem Keks war schon in Japan bestellt“, erzählt der Inhaber. Auch die Bundeswehr und mehrere Krankenhäuser seien früher beliefert worden.
Sogar an die Anfangszeit davor kann sich Hermann Helmers noch gut erinnern: „Die Leute brachten uns ihr eigenes Mehl. Und wir waren eine Art Kolonialwarenladen. Von Nähseide bis zum Handfeger gab es alles.“ 1958 wurde die Eismaschine aufgestellt. Seither wird sie jeden Sommer für die eigene Herstellung angeworfen. „Die läuft noch immer einwandfrei. Keine Ahnung, warum die bei anderen andauernd kaputt gehen“, sagt Hermann Helmers. „Unser Eis schmeckt auch noch wie damals“, schwärmt Beate Brandt.
Die hat dann noch eine Theorie, wie die Bäckerei ihrer Familie in mittlerweile 82 Jahren so viele Mitbewerber überdauern konnte. „Hier wird noch alles mit Liebe gemacht“, sagt sie.