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Geschichte des Rauchhauses Varrels kleines Kleinod

Das Rauchhaus in Varrel steckt voller Geschichten. Am kommenden Sonntag ist das Haus für die Öffentlichkeit zugänglich.
13.07.2017, 17:55 Uhr
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Varrels kleines Kleinod
Von Eike Wienbarg

Stuhr-Varrel. Wenn Werner Schmidt und Jürgen Timm über das Varreler Rauchhaus sprechen, kommen die beiden Mitglieder der Rauchhausgruppe des Fördervereins Gut Varrel gar nicht aus dem Schwärmen und Erzählen raus. So viel Geschichte und auch Geschichten stecken in dem kleinen Häuslingshaus oder auch Heuerlingshaus an der Grünen Straße 8. Am Sonntag, 16. Juli, haben alle Interessierten bei einer Öffnung des historischen Gebäudes anlässlich der laufenden Ausstellung zum Häuslingswesen im Stuhrer Rathaus die Möglichkeit, in die Geheimnisse des alten Rauchhauses einzutauchen.

Da wäre zum Beispiel die Schlafstube des Hauses, ausgerüstet mit zwei Alkoven – also Bettnischen. Dort lagen die Bewohnern, manchmal sogar zu dritt, in einem Bett, berichtet Jürgen Timm aus den Erzählungen ehemaliger Bewohner. Unter den Bettnischen befindet sich die Kartoffelkammer des Hauses. „Damit die Kartoffeln im Winter keinen Frost bekommen“, erklärt Timm den ungewöhnlichen Platz. Denn im Allgemeinen waren die Häuslingshäuser schlecht isoliert. So wurden die Häuser oft aus alten Materialien von ehemaligen Bauernhäuser gebaut, wissen Timm und der Historiker Ralf Weber zu berichten. Weber hat sich im Zuge eines gemeinsamen Projekts des Kreisheimatbundes Diepholz und des Kreismuseums Syke intensiv mit dem Häuslingswesen im Landkreis Diepholz beschäftigt.

So weiß Weber auch, wem es zu einem großen Teil zu verdanken ist, dass das Rauchhaus in seiner heutigen Form der Nachwelt erhalten blieb. So sei es der Abiturient Horst Löbert gewesen, der in den 1960er-Jahren das Haus in Varrel für sich entdeckte, als er mit dem Fahrrad vorbeikam. Löbert überredete dann seinen Vater, das Haus zu mieten. „Horst Löbert hat dafür gesorgt, dass das Haus nicht verkommt“, sagt auch Jürgen Timm, der 1971 das erste Mal ins Rauchhaus kam.

Das Rauchhaus wurde zwischen 1825 und 1830 auf dem Hofgelände der Familie Mahlstedt errichtet. Im Jahr 1874 lebte ebenfalls eine Familie Mahlstedt im Rauchhaus. „Sie waren aber nicht verwandt“, erzählt Werner Schmidt. Noch bis 1962 war das kleine karge Haus bewohnt. Nachdem Horst Löbert das Haus entdeckte, wurde es kurze Zeit danach von der Gemeinde Stuhr erworben und später an den Förderverein Gut Varrel zur Pflege übergeben. Eine siebenköpfige Gruppe machte sich daran, dass Haus zu restaurieren. Dabei bedienten sich die Arbeiter vor allem alten Materialien, wie Timm und Schmidt berichten. „Es ist das einzige Häuslingshaus im Landkreis, das so erhalten ist“, sagt Ralf Weber. 2007 wurde das Rauchhaus wieder eröffnet.

Auch das Innere des Haues wurde liebevoll mit alten Möbeln und Gegenständen eingerichtet. So stellte das Kreismuseum Syke unter anderen einige Exponate zur Verfügung. Auch der Sparclub Varrel steuerte ein Ausstellungsstück bei. Hinter dem Gatter des Stalls, der sich inmitten des kleinen Hauses befindet, stehen eine Ziege und ein lebensgroßer Ochse, bei dem es sich um Peter Ochs, das Maskottchen des Sparclubs handelt, wie Jürgen Timm erzählt. Von einer Zwischendecke her schauen auch Hühner herunter. Alle Tiere lebten gemeinsam mit der Familie in den vier Wänden des Hauses. Die Häuslinge waren dabei mit ihrer Arbeitskraft an den Landwirt gebunden, der ihnen das Haus für ihre Arbeit zur Verfügung stellt, umreißt Ralf Weber das System Häuslingswesen.

Neben der Arbeit für den Bauern und ihrer Selbstversorgung verdienten sich im 19. Jahrhundert aber viele Häuslinge noch etwas dazu. Im Varreler Rauchhaus findet sich so zum Beispiel eine kleine Kammer voller alter Werkzeuge, in der die Bewohner Korken schnitten. „Delmenhorst war eine Kork-Stadt“, weiß Werner Schmidt zu berichten. Die Häuslinge stellten in der Kammer wahrscheinlich Korken für Wein- oder Medizinflaschen her, vermutet der Historiker Ralf Weber. Der original Schneidetisch befindet sich im Beisitz des Kreismuseums. Nach dessen Muster stellte Werner Schmidt jedoch ein Kopie für das Rauchhaus her.

Den Namen Rauchhaus verdankt das Gebäude übrigens den offenen Feuerstellen im Haus. Wie Schmidt, Timm und Weber berichten, war der große Raum des Hauses zumeist fast komplett verqualmt. Unter der Decke in der Nähe des Feuers hingen dann Würste oder Schinken zum Räuchern. Zur Wohn- und Schlafstube gibt es ein kleines Fenster, damit die Bewohner sehen konnten, was im großen Raum der gleichzeitig als Küche, Räucherkammer und Stall genutzt wurde, passierte.

Das Rauchhaus, Grüne Straße 8, in Varrel ist am Sonntag, 16. Juli, in der Zeit von 10 bis 17 Uhr geöffnet. An anderen Tagen kann das Haus nur nach vorheriger Absprache besichtigt werden. Anfragen nimmt Werner Schmidt unter 0 42 21 / 36 40 entgegen. Parallel läuft noch bis zum 28. Juli im Rathaus Stuhr eine Ausstellung zum Thema Häuslingswesen.

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