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Verdener reist fürs TV Zugvögeln hinterher Der mit den Gänsen fliegt

Der Vogelforscher Helmut Kruckenberg reist Zugvögeln in aller Welt hinterher. Für eine Dokumentation von ZDF und Arte, die nächste Woche zu sehen ist, fuhr er sogar bis in die Arktis.
01.08.2016, 00:00 Uhr
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Der mit den Gänsen fliegt
Von Anna Zacharias

Der Vogelforscher Helmut Kruckenberg reist Zugvögeln in aller Welt hinterher. Für eine Dokumentation von ZDF und Arte, die nächste Woche zu sehen ist, fuhr er sogar bis in die Arktis.

Die einzige Gans im Garten von Helmut Kruckenberg ist aus Ton und blickt mit langem Hals aus einem Blumentopf herab. Der Vogel-Experte lebt in einem Einfamilienhaus in Verden-Neumühlen – wenn er nicht gerade unterwegs ist. Dem Geländewagen in seiner Einfahrt nimmt man ab, dass er nicht nur für den Großeinkauf am Wochenende benutzt wird. 65.000 Kilometer fährt er im Jahr zu seinen Forschungsobjekten, die Strecken nicht eingerechnet, die er in den vergangenen anderthalb Jahren für ZDF und Arte unter anderem bis in die Arktis zurückgelegt hat.

Bis eine Dokumentation in Kinofilmlänge fertig ist, dauert es eine Weile – jedenfalls, wenn man es mit eher scheuen Stars zu tun hat. In diesem Fall waren es seit der Idee insgesamt rund zwei Jahre. Das Fernsehteam hat nicht nur Gänse, sondern auch andere Zugvögel auf ihrer Reise begleitet, von Deutschland bis in ihre Brutgebiete in der Arktis. Aufwendig produzierte Naturfilme seien Spezialität der englischen BBC, deutschen Sendeanstalten habe es bisher oftmals an Mut für solche Produktionen gefehlt, meint Kruckenberg.

Aber jetzt war es soweit, und der Wissenschaftler ist dabei. Er hat auf seiner Terrasse Platz genommen, und dreht ein weißes Stück Plastik in der Hand, an dem zwei Bänder befestigt sind. Der Hightech-Sender reiste einst auf dem Rücken einer Nonnengans, bis sie ein wenig erfreuliches Schicksal ereilte: „Den haben wir im Nest gefunden. Die Gans wurde wahrscheinlich vom Seeadler gefressen“, erklärt Kruckenberg. Immer wenn die GPS-Daten, die das kleine Gerät beständig sendet, sich nicht mehr verändern, die Position der Gans immer gleich bleibt, schöpfen die Wissenschaftler Verdacht.

Nachdem sie die Tiere gefangen und „besendert“ haben, erhalten Kruckenberg und sein Team für das Max-Planck-Institut nicht nur Informationen über den Standort. „Wie lange die Familie zusammen bleibt, wer den Ton angibt beim Fliegen und auch wann der Vogel frisst oder schläft wird gemessen“, erklärt der Wissenschaftler. Gesendet werden sämtliche Daten allerdings erst, wenn sich das Tier wieder in Regionen mit Internet bewegt.

Damit die Filmaufnahmen im Flug gelingen würden, wurde auf Nummer sicher gegangen: Auf einem Bauernhof im Dollart-Gebiet wurden Küken mit der Hand aufgezogen und an den Menschen gewöhnt – und an Helikopter. „Den haben wir mit einem Bollerwagen mit Segel simuliert“, erzählt Kruckenberg. Versteckt am Boden, aus dem Helikopter oder per Drohne hielt das Kamerateam die Arbeit der Forscher fest. Ende März vergangenen Jahres ging es los, die Dreharbeiten starteten in Deutschland, wo sich die Vögel für den Rückflug in die Brutgebiete bereit machten. Anfang Juli schlüpften dann die Küken, und die Kameras waren dabei. Um den richtigen Moment nicht zu verpassen, saß eine geduldige Kamerafrau dann 24 Stunden vor dem Nest, erzählt Kruckenberg.

„Im Winter treffen bei uns viele hunderttausend arktische Zugvögel ein, die auf der Flucht vor Eis und Schnee bei uns Quartier finden“, erklärt er. Die Nähe zum Wattenmeer, die feuchten Niederungen und großen Seen machten Deutschland für Brut- und Gastvögel interessant.

Im Landkreis Verden sind vor allem die Wümmewiesen in Fischerhude oder die Allerniederung ein Refugium für Gänse, wo auf der Reise gerne mal ein Zwischenstopp gemacht werde. Während Naturfreunde von dem Anblick begeistert sind, sind Landwirte oft eher verhalten, schließlich fressen Gänse ihnen ab und an auch mal die Ernte weg. Auch in diese Debatte unter Naturschützern, Landwirten und Jägern ist Kruckenberg involviert und meint, dass Schüsse die Lage nur verschlimmern würden. „Wie ich die Tiere jage und damit störe, weichen sie auf andere Flächen aus, das ist kontraproduktiv“, meint der Experte. Im Landkreis Verden sei Gänsejagd allerdings kein großes Thema, lobt er den hier verbreiteten Sinn für Naturschutz.

Wer lieber mit dem Teleobjektiv als mit Schusswaffen auf Gänsejagd gehen will, kann mit ein bisschen Glück auch ein von Kruckenberg angebrachtes Halsband erkennen und dann mit der abgelesenen Buchstabenkombination auf www.geese.org mehr über den Werdegang des Vogels erfahren.

Am 11. August um 20.15 Uhr ist der Film in ganzer Länge auf Arte zu sehen, im ZDF soll er im Herbst in zwei Teilen bei Terra X gezeigt werden. Über die Arbeit von Helmut Kruckenberg gibt es Informationen auf www.blessgans.de.

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