Achim. Das Haus am Bruchwischberg in Achim-Baden ist gerade erst fertiggestellt. Der Garten wartet noch auf Mutterboden, Rollrasen und Sandkastensand. Auch der Zaun steht noch nicht. Innen ist aber alles bereit für die Kinder, die täglich zu Tagesmutter Vanessa Seyit kommen. Die 33-Jährige betreut seit September vergangenen Jahres in ihrem Haus vier Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Eines der Kinder ist ihre einjährige Tochter. Als familiennahe Alternative zur Kita ist die Kindertagespflege bei Eltern beliebt. Im Landkreis Verden werden derzeit Tagespflegepersonen gesucht. Im April startet die nächste Fortbildung, in der noch Plätze frei sind.
Was ist die beste Art, mein Kind zu betreuen? Die Frage steht häufig im Raum, wenn beide Elternteile nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten gehen möchten oder müssen. Die Kindertagespflege bietet, neben der staatlichen Kinderkrippe oder Elternvereinen, eine weitere Möglichkeit der Betreuung. „Zum größten Teil kümmern sich die Tagespflegepersonen um Kinder von null bis drei Jahren. Tagesmütter oder Tagesväter betreuen aber auch ältere Kinder, zum Beispiel am Nachmittag anstatt einer Hortbetreuung“, berichtet Petra Wieckhorst vom Verein für Kindertagespflege im Landkreis Verden.
In ihrer Arbeit vermittelt sie qualifizierte Tageseltern und berät sie sowie die Eltern des Kindes. „Derzeit suchen wir Tagespflegepersonen, die Nachfrage ist groß“, berichtet die Achimerin. Eine staatliche Ausbildung zur Tagesmutter oder zum Tagesvater gibt es nicht. Die Kindertagespflege ist jedoch eine gesetzlich anerkannte Betreuungsform. Die Qualifizierung zur Tagespflegeperson umfasst 160 Stunden und dauert bei einem Pensum von ein bis zwei Unterrichtseinheiten pro Woche rund ein dreiviertel Jahr. Der Verein für Kindertagespflege im Landkreis Verden bietet jährlich zwei Qualifizierungskurse an: einen Vormittagskursus in Kooperation mit der Ländlichen Erwachsenenbildung (LEB), der jeweils zum April startet, und einen Abendkursus in Kooperation mit der Kreisvolkshochschule (KVHS), der nach den Sommerferien beginnt. Die Ausbildung wird mit Landes- und kommunalen Mitteln gefördert. Der Eigenanteil der Kurskosten beträgt 160 Euro.
Flexible Alternative
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bewirbt die Kindertagespflege als „familiennahe und flexible Alternative“. Rechtlich ist sie der Betreuung in einer Kindertagesstätte gleichgestellt. Eltern bekommen vom Landkreis je nach Einkommen Zuschüsse zu der Betreuung. „Viele Eltern denken gleich, es ist so teuer, aber das ist es nicht unbedingt. Wenn Eltern nur an einzelnen Tagen und nicht die ganze Woche oder nur für wenige Stunden am Tag eine Betreuung brauchen, ist die Kindertagespflege sogar günstiger als eine Kita“, sagt Petra Wieckhorst. Die Stunde pro Kind kostet in der Regel zwischen 5 und 6 Euro, wovon der Landkreis 3,90 Euro bezuschusst.
„Vor allem für die ganz jungen Kinder ist eine Betreuung zu Hause vertrauter“, sagt Tagesmutter Vanessa Seyit. Die drei Kinder, die sie betreut, kommen nicht alle die volle Betreuungszeit und nicht jeden Tag zu ihr. Zwei der Kinder werden um 12 Uhr abgeholt, eines um 14 Uhr. „Fünf Kinder könnte eine Tagespflegeperson zwar aufnehmen. Im Schnitt betreut eine Tagesmutter aber nur 3,5 Kinder“, sagt Petra Wieckhorst.
Heute spielen nur der einjährige Ben und Vanessa Seyits einjährige Tochter Lilly zusammen in dem lichtdurchfluteten Wohnzimmer mit Blick auf den Garten. „Unser Tagesablauf ist immer in etwa gleich“, berichtet die frisch gebackene Tagesmutter. Um 8 Uhr werden die Kinder gebracht und spielen dann bis zum Singkreis um viertel vor 9 im Spielzimmer. Danach gibt es Frühstück. Jeden Vormittag geht Vanessa Seyit dann mit den Kindern raus. Ab 11.15 Uhr isst sie mit den Kleinen zu Mittag. „Das ist dann schon eine Herausforderung, wenn ich das Essen mache. Dann malen, tuschen oder kneten die Kinder oder sitzen auch mal bei mir dabei, wenn ich Gemüse schnibbele“, sagt die 33-Jährige. Die Kinder, die erst um 14 Uhr abgeholt werden, machen nach dem Essen ihren Mittagsschlaf.
Für Vanessa Seyit war die Entscheidung, die Qualifikation zur Tagesmutter zu machen und in dem Beruf zu arbeiten, genau das Richtige. „Ich war vorher im Personalmanagement im Büro tätig und kann mir jetzt nichts Schöneres mehr vorstellen, als mit Kindern zu arbeiten“, sagt sie. Nachdem sie ihren jetzt vierjährigen Sohn und ihre Tochter Lilly bekommen hatte und wieder daran dachte, in den Beruf einzusteigen, entschied sie sich im April 2016 für die Weiterbildung. Seit einem halben Jahr ist sie als Tagesmutter tätig. „Schon nach der Zwischenprüfung dürfen Tagespflegepersonen Kinder aufnehmen. Viele unserer Kursteilnehmerinnen haben dann auch schon Anfragen“, berichtet Petra Wieckhorst. Tagesmütter, die schon lange in ihrem Beruf tätig sind, seien häufig schon ein Jahr im Voraus ausgebucht.
Wenn Eltern sich für eine Tagesmutter entscheiden, vermittelt der Verein für Kindertagespflege diese an die Familie. „Wichtig ist uns, dass die Familien und Tagesmütter zusammen passen. Die Chemie muss stimmen und die Ansprüche aneinander“, sagt Wieckhorst. Eltern und Tageseltern sollten Zeiten und Urlaube und die grundsätzlichen Vorstellungen vom Umgang mit den Kindern absprechen. Im Gegensatz zu einer staatlichen Einrichtung haben Tagesmütter meist keine Vertretung. „In seltenen Fällen tun sich zwei Tagesmütter zusammen, um sich gegenseitig zu vertreten und dann kennen auch die Kinder sich. Meistens müssen die Kinder im Krankheitsfall aber zu Hause bleiben“, sagt Petra Wieckhorst.
Die Qualifikation zur Tagesmutter ist wesentlich kürzer und weniger umfassend als die von Erziehern und Sozialpädagogen. Für Petra Wieckhorst kein Nachteil in Sachen Erfahrung, denn: „95 Prozent der Tagesmütter haben selbst Kinder und alle machen ihren Job mit Herz und Seele.“
Weitere Informationen zur Kindertagespflege im Landkreis Verden gibt es im Internet unter www.kindertagespflegeverein.de.