Kirchlinteln-Holtum. Wer nach Holtum (Geest) reinfährt, gewinnt schnell den Eindruck, dass in diesem idyllischen Dörfchen die Zeit stehengeblieben ist. Malerische Höfe, gepflegte Grundstücke und als Wahrzeichen des Ortes der historische Glockenturm. Der feiert in diesem Jahr seinen 125. Geburtstag, wurde 1891 auf dem Holtumer Schulhof errichtet. Grund genug, für die Dorfgemeinschaft, ein zweitägiges Fest zum Turm-Jubiläum auf die Beine zu stellen. Ja, das Dorf lässt es am ersten August-Wochenende so richtig krachen. Unter Federführung von Holtums Ortsvorsteherin Helma Rippe haben die örtlichen Vereine ein abwechslungsreiches Festprogramm zusammen gestellt. Los geht es am Sonnabend, 6. August, mit dem Open-Air-Konzert (19 Uhr) der Band Souly Club aus Verden. Dazu verwandelt sich der Holtumer Schulhof in eine Bühne unter freiem Himmel. Segel werden gespannt, Bänke organisiert, und für Bewirtung wird gesorgt.
Obwohl es dort so aussieht wie aus dem Bilderbuch, ist in Holtum (Geest) keineswegs die Zeit stehen geblieben. „Unser Egon Schröder hat die Zeit in Holtum fest im Griff. Er zieht einmal in der Woche das alte Uhrwerk im Glockenturm auf“, erzählt Arne Jacobs. Jacobs ist wie fast alle Holtumer Blaurock und Grünrock zugleich, engagiert sich unter anderem im Vorstand des Schützenvereins sowie in Freiwilligen Feuerwehr. Dass das Vereinsleben in Holtum (Geest) noch intakt ist, beweisen die Mitgliederzahlen von Sportverein, Schützenverein, Heimat- und Kulturverein, Förderverein des Kindergartens sowie der Feuerwehr. „Hier ist fast jeder in jedem Verein aktiv. Die Vereine sind noch richtige Institutionen“, freut sich Ortsvorsteherin Helma Rippe über die tolle Dorfgemeinschaft vor Ort.
Der 125 Jahre alte Glockenturm ist nicht nur ein ortsbildprägendes Gebäude und damit auch das Wahrzeichen Holtums, sondern erfüllt darüber hinaus auch noch gleich mehrere Funktionen: „Die Turmuhr zeigt die Zeit an, die Turmglocke läutet zum Gebet, bei Taufen, Hochzeiten und Sterbefällen“, zählt Arne Jacobs auf, zeigt dabei nach oben: „Auf dem Turm ist auch noch eine Sirene angebracht. Die alarmiert im Ernstfall die Feuerwehr.“ Zeitanzeige, Glocke und Sirene zugleich – kein Wunder, dass der historische Turm nicht aus dem öffentlichen Leben wegzudenken ist.
Feiern – das können sie, die Holtumer. Und so geht es am zweiten Tag des Turm-Jubiläums, Sonntag, 7. August, gleich munter weiter mit der Festfolge. „Um 10 Uhr feiern wir rund um den Glockenturm einen Freiluft-Gottesdienst mit Pastor Dennis Oswich“, freut sich Arne Jacobs schon auf dieses besondere Ereignis. Weiter geht es dann mit dem bunten Rahmenprogramm, das die örtlichen Vereine und der Kindergarten für das Turm-Jubiläum konzipiert haben. Neben Musik und Tanz unterhält nachmittags (ab 15 Uhr) auch die Theatergruppe die Besucherscharen rund um das Holtumer Wahrzeichen. Weil in Holtum (Geest) traditionell noch viel Platt gesprochen wird, führen die Hobby-Schauspieler das Stück natürlich auch in der niederdeutschen Sprache auf. Titel: „Iichenseen mutt freen“.
Der Heimat- und Kulturverein musste im Vorfeld keine dicke Ortschronik wälzen, um herauszufinden, wann der Holtumer Glockenturm eigentlich gebaut wurde. Praktischerweise ist das Baujahr gleich in der Inschrift über der Tür vermerkt. Als das Gemäuer 1891 errichtet wurde, war es bis dato der einzige Glockenturm im gesamten Kreisgebiet. „Für insgesamt 4000 Reichsmark wurde er damals gebaut“, wissen Helma Rippe und Arne Jacobs. Und wer hat die Glocke gestiftet? Halbmeier Dietrich Heehmsoth. Weil für den Turmbau keine öffentlichen Gelder flossen, musste eben die Holtumer Dorfgemeinschaft tatkräftig mit anpacken. Genauso wie sie es heute tut und das zweitägige Dorffest anlässlich des Jubiläums stemmt. Sämtliche Dorffeste gehen in Holtum (Geest) am Fuße des Turms über die Bühne, der Spielplatz wird vom Kindergarten genutzt, und die Sitzgelegenheiten laden immer wieder zum Verweilen ein.
Lauschen Ortsvorsteherin Helma Rippe und Arne Jacobs heute zur vollen Stunde dem Glockenklang, ist das für sie eine Selbstverständlichkeit. War es für ihre Vorfahren aber lange nicht, weil die Glocke in den Wirren des Zweiten Weltkrieges erst beschlagnahmt, später dann sogar eingeschmolzen wurde. „1949 erhielt der Turm dann endlich wieder eine neue Glocke. Sie wurde ausschließlich über Spendengelder finanziert“, blickt Arne Jacobs in die Geschichte des Dorfes zurück. Gut in Schuss – das ist Turm trotz seiner 125 Jahre noch immer. Abgesehen von Instandhaltungsarbeiten (neue Fensterscheiben) kann er auch noch getrost die nächsten 125 Jahre in der Ortsmitte thronen.
Dass in Holtum – obwohl es dort so hübsch aussieht – keineswegs die Zeit stehengeblieben ist, beweist die Dorfgemeinschaft. Und im Jahr 2024 steht schon wieder ein Jubiläum vor der Tür: der 75. Geburtstag der Glocke.