Das Hochwasser hat in vergangenen Wochen Auswirkungen auf die Lebenssituation von vielen Einwohnern im Landkreis Verden gehabt. Doch die Überschwemmungen haben auch durch das Tierreich eine Spur der Verwüstung gezogen. Denn nicht alle Wildtiere können sich gleich gut und rechtzeitig in Sicherheit bringen. Für viele war das Hochwasser tödlich. Das sehen gerade vor allem aufmerksame Spaziergänger entlang von Wiesen, Feldern oder in den Wäldern.
An vielen Stellen finden Jägerinnen und Jäger gerade Tierkadaver, berichtet Hauke Schormair von der Kreisjägerschaft Verden. Wie viele Tiere genau an Weser, Aller, Wümme und Lehrde dem Hochwasser zum Opfer gefallen sind, wird man aktuell aber kaum exakt feststellen können. "Es gibt Reviere, in denen man über 20 Rehe verendet gefunden hat, in anderen kann man noch gar nicht suchen, weil das Wasser noch nicht weit genug gesunken ist." Auf jeden Fall führen die überschwemmten Gebiete in den betroffenen Revieren zu einem erheblichen Verlust an Individuen. "Und es braucht einige Jahre, bis sich die Bestände erholt haben", ist sich Schormair sicher. Die Zahlen der verendeten Tiere sollen nun von der Kreisjägerschaft zusammengetragen werden. "Im Februar wird man mehr wissen."
Nicht alle Tiere fliehen
Viele Wildtiere seien Überschwemmungen gewohnt: Dammwild, Füchse und Wildschweine etwa ziehen sich an halbwegs trockene Orte zurück. Vögel flüchten sich in schützende Hecken oder Gebäudenischen, Eichhörnchen klettern in hohe Baumkronen. Für andere Tiere ist das Wasser hingegen durchaus gefährlich, betont Schormair. So seien vom Hochwasser vor allem die Tiere betroffen, die standorttreu oder nur eingeschränkt mobil sind. "Das sind naturgemäß alle Kleintiere, wie Mäuse, Maulwürfe oder Spitzmäuse", sagt Schormair. Und auch für bodennah oder in Höhlen und Tunnel überwinternde Arten, wie Haselmäuse und Igel, ist das Extremwetterereignis ein Problem. Sie werden dann durch schnell ansteigendes Wasser überrascht und fallen diesem zum Opfer, erklärt Brigitte Heller vom Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen. "Ähnlich kann es Maulwürfen oder Biberjungen sowie Amphibien und Reptilien ergehen, die gerade Winterruhe halten."
Zudem sind Insektengruppen, die im Boden leben, nisten oder überwintern, besonders gefährdet, betont Heller. "Hierzu zählen zum Beispiel viele Wildbienen, solitäre Wespen oder Käfer." Aber auch für aquatische Insekten wie Libellen oder Köcherfliegen, die auf besonders sauberes Gewässer angewiesen sind, können Überflutungen durch Verschmutzung problematisch sein. Stechmücken profitieren dagegen von vielen neuen Wasserpfützen und wenig Gegenspielern, so Heller. Bei Fischen seien dagegen die wieder sinkenden Wasserstände ein Problem, da sie "in Senken verbleiben und dort verenden, wenn diese wieder austrocknen oder die Sauerstoffsättigung abnimmt". Gleichzeitig dienen sie dann als leichte Beute für andere Tiere.
Aber auch größere Tierarten laufen Gefahr, in Hochwassergebieten zu verenden. So weichen etwa Hasen, Rehe und Kaninchen nicht großräumig vor den Wassermengen aus. Ihnen droht dann, vom Wasser eingeschlossen zu werden oder ins Wasser zurückgetrieben zu werden, wenn Sie aufgescheucht werden, warnt die Kreisjägerschaft. Und auch der Nachwuchs von widerstandsfähigen Tierarten wie Wildschweinen oder Dammwild mache der Dauerregen und die Kälte zu schaffen, sodass sie oftmals an Erkrankungen wie Lungenentzündung verenden. "Es wird Gewinner und Verlierer geben", resümiert Schormair die aktuelle Lage im Kreisgebiet. Kohlraben, Rabenkrähen, Wildschweine, Füchse und Waschbären könnten beispielsweise fliehen und finden nun viel Nahrung an den verendeten Tieren. Hasen, Rehe, Mäuse und einige Insekten sieht er dagegen auf der Verliererseite.
Rückzugsgebiete einrichten
"Wir Menschen sind nicht unschuldig an diesem Ungleichgewicht", betont der Jäger. Deswegen sei es auch wichtig, Ausgleich zu schaffen, "wo immer es machbar ist". Dazu gehöre die Einrichtung von Rückzugsbereichen in der Landschaft. Eben auch solche, die nicht von Hochwasser betroffen sind. "Effektiver Naturschutz in unserer Kulturlandschaft muss vielfältig sein und verschiedene Biotope bewahren." Der Nabu rät außerdem dazu, Futterstellen für Vögel und Eichhörnchen zu schaffen, die aktuell ihre gut versteckten Vorräte nicht wiederfinden können.
Die größte Gefahr für die Tiere seien allerdings menschliche Aktivitäten in den überschwemmten Bereichen. Durch aktives Aufsuchen der Rückzugsgebiete würden Tiere, die bisher überlebt haben, durch zusätzlichen Stress belastet und würden dann teilweise ins Hochwasser fliehen. "Was wir nun tun können, ist Rücksicht nehmen", so Schormair. "Und wenn man beim Spazierengehen einen Sprung Rehe in der Ferne sieht: unbedingt den Hund fest an der Leine halten und umdrehen." Denn es sei schlichter Tierschutz, das Ertrinken von Tieren, solang es durch Menschen mittel- oder unmittelbar verursacht wird, zu vermeiden, mahnt der Jäger.