Herr Wolff, Sie waren zu Beginn der EM-Vorbereitung der einzige deutsche Spieler, der selbstbewusst gesagt hat: Ich will Europameister werden. Jetzt steht die Mannschaft auch dank Ihrer spektakulären Paraden im Halbfinale. Was sagt Ihr Gefühl: Kann Deutschland wirklich den Titel holen?
Andreas Wolff: Das Halbfinale erreicht zu haben, mit dieser jungen Mannschaft, das ist natürlich grandios. Mein Gefühl sagt mir jetzt aber vor allem, dass wir im Halbfinale am Freitagabend gegen Dänemark spielen, den aktuellen Weltmeister. Ich hoffe natürlich, dass ich noch zwei gute Spiele mache und wir vielleicht sogar den Titel gewinnen.
Das letzte Hauptrundenspiel gegen Kroatien war nicht mehr wichtig und ging deutlich verloren. Das Heimpublikum war immer der große Vorteil der deutschen Mannschaft – kann diese erste Niederlage in der Kölner Arena in den Köpfen Nachwirkungen haben?
Wer das jetzt hineininterpretieren möchte, der kann das gerne tun. Ich sehe es anders: Jedem war doch klar, dass wir schon vor dem Spiel im Halbfinale standen. Man hat gesehen, dass es im Spiel gegen Kroatien dann vor allem darum ging, die Kräfte zu verteilen und Verletzungen zu vermeiden. Der Hauptfokus lag schon auf Dänemark.
Ein Duell, dass die Mannschaft nach dem Erreichen des Halbfinales selbstbewusst angehen kann…
Das sehe ich auch so. Wir haben bei diesem Turnier Island und Ungarn geschlagen. Wenn wir diese Spiele als Maßstab nehmen, gibt es nicht viel, was wir verbessern können. Wir müssen wieder unsere beste Leistung auf die Platte bringen. Wenn wir im Angriff so stark spielen wie gegen Ungarn, dann können wir auch gegen Dänemark gewinnen.
Nach dem enttäuschenden 22:22 gegen Österreich meldete sich die Mannschaft nur zwei Tage später mit einem starken Aufritt gegen Ungarn zurück. Gibt diese Erfahrung Rückenwind, dass Ihre Mannschaft binnen kurzer Zeit eine Leistungsexplosion hinbekommen kann?
Absolut. Ich denke, dass die Mannschaft diese Leistung damals auch unbedingt zeigen musste und dem Druck standgehalten hat. Man kann es aber nicht wirklich vergleichen, weil es gegen Kroatien um nichts mehr ging und wir allen im Kader Spielpraxis geben wollten. Denn wir wissen, dass wir gegen Dänemark eine Topleistung abliefern müssen. Übrigens ist es ja so, dass nicht nur wir im letzten Spiel nicht mehr Vollgas geben mussten. Die Dänen haben ihr letztes Gruppenspiel gegen Slowenien auch verloren, das war deren erste Niederlage seit zwei Jahren oder so. Der andere Halbfinalist Schweden hat sich in seinem Spiel gegen Norwegen sogar mit zehn Toren abschießen lassen. Das letzte Hauptrundenspiel zu verlieren, war also nicht ungewöhnlich für die Teams, die schon fürs Halbfinale qualifiziert waren. Außerdem muss man Kroatiens Torwart Dominik Kuzmanovic mal loben, der gegen uns eine überragende Leistung gezeigt hat. Das ist ein junger Mann mit sehr viel Talent. Überhaupt erleben wir bei dieser Europameisterschaft viele gute Torhüterleistungen. Ich denke, das liegt auch daran, dass die Abwehrarbeit von den Mannschaften deutlich forciert wird. Wir sehen, dass es inzwischen viele sehr gute Handballtorhüter auf der Welt gibt, oder in dem Fall in Europa.
Bundestrainer Alfred Gislason hat gesagt, dass er sich etwas abschottet und deshalb wenig von der Handball-Euphorie in Deutschland mitbekommt. Bekommen denn die Spieler die Begeisterung mit?
Ich weiß jetzt nicht, ob Alfred das einfach nur in seiner kühlen isländischen Art mal so gesagt hat. Natürlich bekommen wir mit, dass die Menschen unsere Spiele wahrnehmen und dass wir mit dem Halbfinale etwas Schönes für die Handballfans geschafft haben. Damit haben wir unser Ziel erreicht und können bis hierhin schon mal sehr zufrieden sein. Jetzt hoffe ich, dass wir im Halbfinale gegen Dänemark alle ein richtig stimmungsgeladenes Spiel erleben. Wir werden uns top darauf einstellen. Ich bin froh, dass ich nicht der Trainer bin und uns nicht auf diesen außergewöhnlich starken Gegner vorbereiten muss. Ich muss mir nur die Videos von den Schützen ansehen – der Rest ist außerhalb meines Kompetenzbereichs.
Der letzte deutsche Sieg gegen Dänemark gelang bei der Europameisterschaft 2016, als Deutschland mit Ihnen im Tor überraschend den Titel gewann. Ist das eine willkommene Parallele?
Es ist wieder eine Europameisterschaft, es ist wieder ein Handballspiel, wir sind wieder top motiviert. Dass wir es bis ins Halbfinale geschafft haben, ist die eigentliche Parallele zum Turnier 2016. Diesmal spielen wir aber ein Heimturnier, das wird für uns mit der Unterstützung von den Rängen ganz anders als damals. Wir können gegen die Dänen bestehen – aber dazu müssen wir jetzt in diesem Halbfinale über uns hinauswachsen. Denn Dänemark ist neben den Franzosen gerade das Nonplusultra im internationalen Handball.
Viele Zuschauer staunen über Ihre Paraden im Tor, wenn Sie den Fuß über dem Kopf halten. Können Sie erklären, wie man so beweglich sein kann?
Spagat, das ist die Antwort. Man muss dafür sehr viel Spagat üben.