Die eigene Persönlichkeit lässt sich auf unterschiedliche Arten ausdrücken – ob durch Klamotten, Make-up oder eine neue Frisur. Etwa jeder zehnte Deutsche hat sich für die permanente Version entschieden und sich eines oder meist auch mehrere Tattoos stechen lassen. Dabei könnte es in der Tattoobranche nun um einiges eintöniger werden: Ab dem 4. Januar 2022 unterliegen in der EU bestimmte Chemikalien in den Farben den Beschränkungen der sogenannten Reach-Verordnung. Die Pigmente Blau 15 und Grün 7, die vielen Tattoofarben als Grundlage dienen, sind ab Anfang 2023 verboten – da zunächst noch eine Übergangsfrist gilt.
Die Stimmung bei Tätowierern im Landkreis Verden schwankt angesichts dieser Entwicklung zwischen Unsicherheit und Enttäuschung. Laut Alina Schatz vom Verdener Tattoo- und Piercingstudio "Bad Few" ist die Situation derzeit schwierig. Unter das Verbot, das ab kommendem Jahr gilt, würden bereits so gut wie alle Tattoofarben fallen. "Wir wissen noch nicht, wie es weitergeht, aber machen so lange weiter, wie wir können", sagt sie.
Petition gestartet
Eine klare Präferenz gebe es bei den Kunden nicht – das Verhältnis zwischen schwarz-weißen und bunten Tattoos liege etwa bei 50 zu 50. Viele würden in diesem Jahr aber schnell ihre bunten Tattoos zu Ende stechen lassen wollen, bevor das Verbot in Kraft tritt. Mittels einer Petition versuchen viele Tätowierer gegen die EU-Verordnung vorzugehen. "Wir haben diese natürlich auch unterschrieben und schauen nun, ob etwas passiert", sagt Schatz.
Die Aussicht auf alternative Farben beruhigt derweil Mario Böhm vom Tattoo- und Piercingstudio Corpus del Ars in Achim. Drei große Farbhersteller hätten bereits angekündigt, zukünftig neue Farben liefern zu können. Allerdings sei noch unklar, wann genau es wieder eine Farbpalette auf dem Markt geben werde. "Wir haben für kommendes Jahr erst einmal keine Termine mehr für Farbtattoos gemacht", informiert Böhm. Seit Anfang 2019 tätowiert er selbst hauptsächlich im Bereich Black and Grey, weshalb seine Mitarbeiter mehr von dem Verbot betroffen seien.
Keine Probleme bekannt
Das größere Problem ist laut Mario Böhm, dass die Verordnung ohne Fachleute und unter einseitiger Betrachtung beschlossen worden sei. "Das heißt nicht, dass ich dagegen bin, Dinge zu prüfen, das sollte aber mit allen Beteiligten geschehen", sagt er. Über Jahrzehnte sei mit diesen Farben gearbeitet worden und es seien keine Probleme bekannt geworden – abgesehen von Allergien, die bei jedem Produkt auftreten könnten. "Es besteht zudem die Gefahr, dass der ohnehin bestehende Schwarzmarkt bei immer mehr Reglementierungen bestärkt werden könnte", gibt er zu bedenken.
Neben dem bevorstehenden Verbot hielt die Pandemie das Achimer Studio in den vergangenen Monaten in Atem. Diese Zeit sei zwar hart gewesen, aber jetzt kaum noch ein Thema. Auch die Einhaltung der nun geltenden 2Gplus-Regel sei zu bewerkstelligen, da ohnehin die meisten Kunden geimpft und auch bereit zum Testen seien. "Schwierig wird es eher bei der Frage, wo man sich in Achim überhaupt testen lassen kann", sagt Böhm.
Zeiten ohnehin schwierig
Auch das Tattoostudio Custom Art in Thedinghausen hat die Pandemie bislang überstanden, musste Inhaber Alexis Köster zufolge jedoch zwischenzeitlich fünf Monate schließen. Durch diese Zeit kamen der Tätowierer und sein Team dank staatlicher Hilfen und Rücklagen. "Viele Kunden haben zudem netterweise schon einmal Termine gemacht und uns mit der Anzahlung unterstützt", sagt er.
Durch das bevorstehende Verbot werde Tätowierern allerdings in einer ohnehin schwierigen Zeit das Leben noch schwerer gemacht. "In der Szene wird seit Jahrzehnten mit diesen Farben tätowiert und es gibt keine Hinweise darauf, dass diese krebserregend oder gesundheitsschädlich sind", informiert Köster. Es werde mit zweierlei Maß gemessen, da zum Beispiel Alkohol und Zigaretten im Gegensatz zu den Tattoofarben trotz des Gesundheitsrisikos erlaubt sind. "Wir sind froh, dass es Hersteller gibt, die an alternativen Farben gearbeitet haben, mit denen wir weitermachen können", sagt er. Allerdings sei noch nicht abzusehen, wie diese über die Jahre abheilen würden.