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Beratungsstelle Sucht Mehr Fälle von Glücksspiel und illegalem Drogenkonsum im Kreis Verden

Mehr als 500 Menschen haben sich 2021 an die Beratungsstelle Sucht im Landkreis Verden gewandt. Droge Nummer eins bleibt mit großem Abstand Alkohol. Doch die Statistik erzählt nicht die ganze Geschichte.
02.01.2023, 16:26 Uhr
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Mehr Fälle von Glücksspiel und illegalem Drogenkonsum im Kreis Verden
Von Felix Gutschmidt

Der 14-jährige Kiffer weiß eigentlich gar nicht, was er hier soll. Für ihn liegt das Problem nicht bei ihm oder seinem Drogenkonsum, sondern bei seinen Eltern. Der pensionierte Anwalt hingegen hat bewusst die Fachstelle Sucht des Kirchenkreises Verden angesteuert, weil er seine freie Zeit mit Trinken füllt. Genau wie die Chefsekretärin, die ihren Stress mit Alkohol zu kompensieren versucht oder die Arbeitslose, die meint, Glück und Geld könne ihr ein Spielautomat schenken. "Unsere Beratung ist bunt", heißt es im kürzlich vorgelegten Jahresbericht der Fachstelle für 2021. Zwei Bereiche haben den Beratern in Achim und Verden in dieser Zeit mehr Arbeit gemacht in der Vergangenheit: Online-Glücksspiel und illegale Drogen.

Im Bereich des Internet-Glücksspiels verzeichnet die Fachstelle Sucht "eine deutliche Zunahme an Beratungsbedarfen". Zum Teil erklären die Fachleute diese Entwicklung mit der Corona-Pandemie. Weil klassische Wettbüros zwischenzeitlich geschlossen hatten, wichen bereits abhängige Spieler auf Online-Angebote aus, berichtet Sozialarbeiterin Julia Stief. Ein weiterer Faktor sei der seit Juli 2021 geltende Glücksspielstaatsvertrag, der eine "Legalisierung aller Online-Glücksspiele" zur Folge hatte. Seither würden derartige Angebote im öffentlichen Raum, aber auch Online verstärkt beworben, "wodurch insbesondere junge Menschen angesprochen werden". Die Legalisierung habe außerdem dazu beigetragen, Sportwetten und Online-Casinos zu normalisieren und die damit verbundenen Gefahren zu verharmlosen, erklärt Stief. "Dabei ist das Suchtpotenzial im Online-Glücksspiel höher als beim terrestrischen Glücksspiel."

Casino-Elemente in Videospielen

Wie viele Menschen im Landkreis Verden spielsüchtig sind, lässt sich schwer sagen. Von den 539 Personen, die sich laut Statistik 2021 an die Fachstelle Sucht gewandt haben, gaben nur knapp vier Prozent das Glücksspiel als Suchtmittel an. Außerdem tauchen in den Daten 347 Anfragen nicht auf, weil die Absender anonym bleiben wollten oder am Ende doch kein Kontakt zustande kam. Auch das Präventionsteam der Fachstelle Sucht, dessen Schwerpunkt auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen liegt, räumt dem klassischen Glücksspiel auch nur einen kleinen Anteil von 1,5 Prozent bei den wichtigsten Verhaltenssüchten ein. Fast 18 Prozent entfallen auf den pathologischen Umgang mit Videospielen, und da sind die Grenzen zum Glücksspiel zum Teil fließend, wie Stief erklärt. Sie sieht gerade in Online-Spielen wie Fortnite eine zunehmende Verbreitung von Casino-Elementen. Das werde die Problematik in Zukunft eher verschärfen, warnt die Expertin.

Bei illegalen Drogen hat etwa jeder vierte Ratsuchende bei der Fachstelle als Suchtmittel angegeben. 2020 war es nur jeder Fünfte. Vorrangig geht es um Cannabis, Kokain und Amphetamine. Warum die Zahlen in diesem Bereich so stark gestiegen sind, geht aus dem Jahresbericht der Fachstelle nicht hervor. Droge Nummer eins im Landkreis Verden bleibt mit großem Abstand Alkohol. Fast zwei Drittel der Beratungen sind auf übermäßiges Trinken zurückzuführen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen 2021 sogar leicht gesunken. Diese Entwicklung ist durchaus überraschend, denn bundesweit ist der Alkoholabsatz seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegen. Ein Drittel der Teilnehmer gab bei Umfrage des Deutschen Ärzteblattes an, mehr Alkohol zu konsumieren.

Statistik erfasst nicht alle Fälle

Doch auch hier gilt es, die Zahlen mit Vorsicht zu bewerten. Dass Personen bei der Fachstelle wegen Alkoholsucht um Rat gefragt haben, bedeutet nicht, dass es weniger Trinker im Landkreis Verden gibt.

Gleiches gilt für das Problemfeld exzessive Mediennutzung. Laut Statistik ist dieses Phänomen, das 2020 mit einem Anteil von fünf Prozent fast doppelt so oft genannt worden war wie im Jahr zuvor, praktisch verschwunden: 2021 ist es nur noch im einstelligen Prozentbereich. Tatsächlich sind die Zahlen jedoch nicht zurückgegangen, betont die Fachstelle in ihrem Bericht. Zum einen wurden Fälle in der aktuellen Erhebung zum Teil dem Glücksspiel zugeordnet. Zum anderen wurden Kinder und Jugendliche in den Daten nicht erfasst.

Und noch etwas verzerrt das Bild: Betroffene und deren Angehörige, die nur einmal zur Beratung in den Dienststellen in Achim oder Verden waren, tauchen in der Bilanz nicht auf, weil bei diesen sogenannten Einmalkontakten das Suchtmittel nicht erfasst wird. Zur Entwicklung im gerade abgelaufenen Jahr hat die Fachstelle Sucht bislang keine Daten veröffentlicht.

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